Fünfte Fortsetzung
Lenken wir zum Schluss noch einmal unsere Blicke auf das Wesen der Bergstürze, um ihre Bedeutung für die Abtragung des Gebirges richtig zu würdigen, so müssen wir uns vor allem vor Augen halten, dass sie nur die örtlich begrenzte, örtlich zu enormer Kraftleistung gesteigerte Äußerung der Hochgebirgsabtragung, des Steinschlages, sind.
Wir lassen vor uns die Felsruine der Cinque Torri in den Dolomiten erstehen (Tafel 19). Arg zerklüftet stehen die Kalkwände aufrecht und lugen, trümmerumsäumt, hinaus über die waldigen, sanfteren Hänge des Ampezzotales. Sie sind die winzigen Reste einer einstmals weit ausgedehnten Kalktafel. An anderen Bergen der weiteren Umgebung sehen wir dieselben Schichten wieder auftauchen, getrennt von den „Fünf Türmen“ durch breite Täler. Dort wie hier beobachten wir unter den harten Kalkschichten weiche Gesteine, reich an Ton, die die breiten Rücken und Länge am Fuß der jähen Dolomitgestalten zusammensetzen. Wie konnte es kommen, dass die mächtige Kalkplatte so zerstört wurde, dass sie heute nur noch als einsamer Pfeiler erhalten blieb? Durch den zerklüfteten Kalk dringen die Tageswässer zu den weichen, unterlagernden Schichten und durchnässen sie. Am Rande der ursprünglichen Felstafel gaben diese schlüpfrig gewordenen Gesteine unter den Kalken nach. Hier entstand eine Rutschung, dort kam eine kleine Masse herab. An unzähligen Stellen wurde so der Rand der Kalktafel unterhöhlt. Sie bröckelte nach. In unzähligen großen und kleinen Bergstürzen, deren Spuren heute verwischt sind, kam der Fels herunter, die Tafel ständig verkleinernd. Hier ging das Nachbrechen rascher vor sich als dort, hier sammelten sich in Furchen die Wässer und nagten in steter Minierarbeit am Fuße der Wände. Täler fraßen sich ein in die Kalktafel; diese selbst wurde dadurch in eine ganze Anzahl kleinerer, voneinander getrennter Tafeln zergliedert. Weiter geht die Gliederung, weiter das Abbröckeln und Kleinerwerden der Kalktafeln. Denn nun schnitten die Regenwasser auch in den Tälern Furchen ein. Diese griffen, durch die nachrutschenden, weichen Schichten vergrößert, bis an den Fuß der Kalkwände hinaus, stets neues Ausbrechen, Abbröckeln, neue Bergstürze verursachend. — Jetzt hat die Abtragung das formenschöne Bild geschaffen: schroffe, einsame Zacken, willkommene Übungsplätze für Kletterer. An ihrem Fuß liegen noch die Trümmer der zuletzt gestürzten Felsen. Das Ganze in Auflösung begriffen, das Ganze eine Ruine! Von dieser Hochwarte streichen begrünte, tiefer unten bewaldete Hänge in die fruchtbaren Täler: die leicht zerstörbaren Schichten bilden den breiten, von Gräben durchzogenen, zertalten Sockel. Ringsum schaut unser Auge hinab in leuchtendes Grün, darüber auf die kühnen Felsgestalten der Dolomiten in weißen oder gelben Panzern. Dies ganze Bild farben- und formenreicher Schönheit ist eine Schöpfung der Gebirgsabtragung!
Wir lassen vor uns die Felsruine der Cinque Torri in den Dolomiten erstehen (Tafel 19). Arg zerklüftet stehen die Kalkwände aufrecht und lugen, trümmerumsäumt, hinaus über die waldigen, sanfteren Hänge des Ampezzotales. Sie sind die winzigen Reste einer einstmals weit ausgedehnten Kalktafel. An anderen Bergen der weiteren Umgebung sehen wir dieselben Schichten wieder auftauchen, getrennt von den „Fünf Türmen“ durch breite Täler. Dort wie hier beobachten wir unter den harten Kalkschichten weiche Gesteine, reich an Ton, die die breiten Rücken und Länge am Fuß der jähen Dolomitgestalten zusammensetzen. Wie konnte es kommen, dass die mächtige Kalkplatte so zerstört wurde, dass sie heute nur noch als einsamer Pfeiler erhalten blieb? Durch den zerklüfteten Kalk dringen die Tageswässer zu den weichen, unterlagernden Schichten und durchnässen sie. Am Rande der ursprünglichen Felstafel gaben diese schlüpfrig gewordenen Gesteine unter den Kalken nach. Hier entstand eine Rutschung, dort kam eine kleine Masse herab. An unzähligen Stellen wurde so der Rand der Kalktafel unterhöhlt. Sie bröckelte nach. In unzähligen großen und kleinen Bergstürzen, deren Spuren heute verwischt sind, kam der Fels herunter, die Tafel ständig verkleinernd. Hier ging das Nachbrechen rascher vor sich als dort, hier sammelten sich in Furchen die Wässer und nagten in steter Minierarbeit am Fuße der Wände. Täler fraßen sich ein in die Kalktafel; diese selbst wurde dadurch in eine ganze Anzahl kleinerer, voneinander getrennter Tafeln zergliedert. Weiter geht die Gliederung, weiter das Abbröckeln und Kleinerwerden der Kalktafeln. Denn nun schnitten die Regenwasser auch in den Tälern Furchen ein. Diese griffen, durch die nachrutschenden, weichen Schichten vergrößert, bis an den Fuß der Kalkwände hinaus, stets neues Ausbrechen, Abbröckeln, neue Bergstürze verursachend. — Jetzt hat die Abtragung das formenschöne Bild geschaffen: schroffe, einsame Zacken, willkommene Übungsplätze für Kletterer. An ihrem Fuß liegen noch die Trümmer der zuletzt gestürzten Felsen. Das Ganze in Auflösung begriffen, das Ganze eine Ruine! Von dieser Hochwarte streichen begrünte, tiefer unten bewaldete Hänge in die fruchtbaren Täler: die leicht zerstörbaren Schichten bilden den breiten, von Gräben durchzogenen, zertalten Sockel. Ringsum schaut unser Auge hinab in leuchtendes Grün, darüber auf die kühnen Felsgestalten der Dolomiten in weißen oder gelben Panzern. Dies ganze Bild farben- und formenreicher Schönheit ist eine Schöpfung der Gebirgsabtragung!
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Naturgewalten im Hochgebirge