b) Aufenthalt und Fortpflanzung

Man trifft den Hering in dem nördlichen Ozean und in der, damit verbundenen, Nord- und Ostsee, wie auch in dem atlantischen Meere, an. Er wohnt aber vorzüglich in dem nordischen Meere, und zieht im Frühjahre und im Sommer, auch im Herbst, in großen Scharen nach den Küsten von Europa. Jedoch bezweifelt Bloch den so lange behaupteten Zug der Heringe, und glaubt vielmehr, dass sie, wie viele andere Seefische, zur Laichzeit aus dem tiefen Grunde des Meeres, als ihrer gewöhnlichen Lagerstätte, heraufsteigen, um an den flacheren, raueren Stellen laichen zu können. Wenn DATT und ANDERSON behaupten, dass die Heringe sich nur in dem nördlichen Eismeere aufhalten, und von da die große Reise nach den mitternächtlichen Teilen von Europa und Amerika unternehmen: so wird dieses Vorgeben von HORREBOW, welcher sich einige Jahre auf Island aufhielt, für unrichtig erklärt; und nach FABRICIUS soll der Hering unter die seltenen Fische Grönlands gehören. Es ist auch nicht möglich dass der Hering, in dem kurzen Zeitraum vom Frühjahre bis zum Herbst, einen Weg von so vielen tausend Meilen machen könne, da es gewiss ist, dass ein solcher Fisch, im süßen Wasser, innerhalb vier und zwanzig Stunden nur einen Weg von einer Viertels- bis zu einer halben Meile zurücklegen kann; nicht zu gedenken, dass er auf seinen weiten Reisen in dem schweren Salzwasser mit Stürmen und Wellen zu kämpfen hätte. Überdies bemerkt man das ganze Jahr hindurch die Heringe häufig in der Ostsee, in Norwegen, an den hitländischen, schottischen und schwedischen Küsten; und wenn endlich der Hering aus Norden wegziehen sollte, würde er wohl den ganzen Sommer hindurch in Menge in Norwegen gefangen werden können? Es haben die Heringe dieses mit allen anderen Fischen gemein, dass sie zur Laichzeit ihre Lagerstätte verlassen, und die, zu ihren Laichen bequemen, Stellen aufsuchen; sie kommen daher, eben so wie die übrigen, aus dem tiefen, unebenen Grunde hervor, um an dem raueren Boden der flacheren Stellen, der durch das Zurückprallen der Wellen und Einstürzen der Ströme entstehet, laichen zu können; und aus dem Grunde ist zu der Zeit, wenn der Fang am stärksten ist, der Milch und Rogen des Herings allezeit locker, folglich der Zeitpunkt des Laichens nahe. Dieser Trieb, nicht aber die Furcht vor den Walfischen, wie ANDERSON irrig glaubt, lockt ihn hin an diese Stellen. Der Hering laicht, wie alle übrigen Fische, teilweise, zu drei verschiedenen Jahreszeiten, die sich gewöhnlich nach ihrem Alter richten; und die tägliche Erfahrung lehret, dass die Laichzeit eines und eben desselben Fisches, nach der verschiedenen Temperatur des Wassers und der Himmelsgegend, bald früher, bald später, einfällt; woraus sich erklären lässt, warum der Hering zu verschiedenen Zeiten zum Vorschein kommt. So zeigt sich, z. B., in der Ostsee und an den norwegischen Küsten im Frühjahr, zum Laichen, eine kleinere Art; im Sommer aber, eine größere; im Herbst hingegen, wiederum eine kleinere, die noch mit Milch und Rogen angefüllt ist, und erst laichen will: womit auch die kaufmännische Einteilung der Holländer in Jungfer- Hohl- und Voll-Heringe übereinstimmt. Hohlheringe nennen sie solche, worin sich weder Rogen noch Milch findet; Jungferheringe (Mayeken) aber, deren Rogen und Milch flüssig ist, und Vollheringe, deren Leib noch mit Milch und Rogen angefüllt ist. Hohlheringe sind also solche, welche bereits im Frühjahre gelaicht haben; Vollheringe, die dieses Geschäfte erst im Herbste verrichten; Jungferheringe aber solche, welche ihr Geschlecht im Sommer fortpflanzen. Und eben so hat der Hering mit den See- und Flussfischen, welche im Frühjahre aus den Landseen oder aus den Meeren in die Flüsse steigen, dieses gemein, dass sie nicht eher als im Herbste an den Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts zurückgehen, und gegen den Winter fast durchgängig verschwinden.

Eine merkwürdige Ursache der auffallend starken Fortpflanzung des Herings findet Bloch in der stärkeren Anzahl der Milcher, so wie er auch dafür hält, dass die Polygamie eine reiche Nachkommenschaft bei den Fischen zuwege bringe. Besonders aber trägt der Ort, wo die Fische ihre Eier absetzen, nicht wenig zu ihrer großen Vermehrung bei; denn da dieses in einiger Entfernung vom Ufer geschieht, so sind sie weit weniger in Gefahr, durch Stürme und Überschwemmungen verschlagen zu werden und umzukommen. Zur Vermehrung des Herings trägt aber auch das weise Gesetz der Holländer bei, welches befiehlt, dass die Schiffer vor dem 25. Juni ihre Netze nicht auswerfen dürfen, um dadurch die Fortpflanzung des Herings zu begünstigen, und solche in dem Laichgeschäfte nicht zu stören; und dass endlich auch die Fischer nicht länger als bis zum 25. Januar fischen dürfen. Ohne diese Vorsichtsmaßregel würden sich die Heringe in gewissen Gegenden allmählich ganz verlieren, wie sie denn, z. B., in Norwegen und Schweden schon sehr abgenommen, und im Preußischen sich fast ganz verloren haben, bis sie endlich wieder, im Jahr 1799, in großer Anzahl erschienen sind. Da die Fische, wenn sie nicht durch Stürme oder einen andern Zufall daran gehindert werden, gerne an den Orten sich wieder einzufinden pflegen, wo sie einmal gelaicht haben oder geboren worden sind*), so lässt sich auch daraus erklären, warum die Holländer seit einigen Jahrhunderten ihre Fischerei mit gleich gutem Erfolge fortsetzen konnten. Bei der Laichzeit des Herings, welche, wie gedacht, zu verschiedenen Zeiten geschieht, sieht man einzelne zerstreute Milcher, und auch hier, unter der Menge selbst, mehr Männchen als Weibchen. Wenn er im Begriff ist, den Laich von sich zu lassen, reibt er den Bauch an den Steinen; legt sich bald auf die eine, bald auf die andere Seite; zieht, mit aufgesperrtem Mund, das Wasser schnell ein, stößt es sogleich wieder von sich, und macht heftige Bewegungen mit den Flossen. Da er nun gewöhnlich in großen Haufen erscheint, so wird das Wasser von der großen Menge der Samenfeuchtigkeit trübe; und zu dieser Zeit verbreiten diese Fische weit umher einen widrigen Geruch, verlieren auch durch das Zudrängen einen Teil ihrer Schuppen, welche man auf dem Wasser herumschwimmen sieht.


*) PETER KALMS Reise nach Nord-Amerika, 2ter Teil, S. 432.

Der Ostsee-Hering laicht wenn das Eis aufzugehen anfängt, und dieses dauert bis zum Ende des Brachmonats; darauf folgt die größere Art, oder der Sommer-Hering, und endlich der Herbst-Strömling, von Bartholomaei bis in die Mitte des Septembers. Die Laichzeit ist überhaupt, nach der Beschaffenheit des Wassers, nach der Himmels-Gegend und nach dem Alter des Fisches, verschieden. Auch laicht nicht jede der genannten Arten auf einmal, sondern nach und nach. Bei kalter Witterung halten sie ein mit laichen, und gehen auch wohl auf eine kurze Zeit in die Tiefe. Wenn sie ihr Vermehrungsgeschäft vollendet haben, wozu sie etwa zwei bis drei Tage brauchen, schießen sie mit einem, dem Regenguss ähnlichen, Geräusche in das hohe Meer zurück; jedoch hält sich der Sommer-Hering, oder der Sild, zu dieser Zeit weiter von der Küste entfernt, und laicht mehr in der tiefen See. Man erkennt solches an den Eiern, womit die Netze und die Stricke derselben oft wie mit einer Rinde umgeben sind. An den amerikanischen Küsten laichen sie gewöhnlich vom Januar bis zum April. Sie ziehen dort nicht nur in die Meerbusen, sondern auch in die Flüsse und andere süße Gewässer. In Schweden hat man versucht, die Heringe in süßen Wassern zu ziehen; sie bleiben auch darin lebendig, allein sie arten aus. Die Meeresfläche zwischen Grönland und dem Nord-Kap (ein Raum von ungefähr zweihundert Meilen) ist zur Laichzeit bis über zwei Drittel dieses Raums mit Heringen bedeckt. Sie hemmen oft den Lauf der Schiffe, und an manchen Küsten schöpfen die Einwohner sie mit großen hölzernen Kellen aus dem Wasser.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Natur- und Handelsgeschichte des Herings.