Reisen

Dem Zustand der städtischen entsprach jener der Landstraßen. Österreich hatte die besten, Süddeutschland gute, die schlechtesten Preußen, das erst seit 1787 Chausseen erhält.

Friedrich II. hatte eine Abneigung gegen den Bau von Chausseen gehabt, „damit die fremden Fuhrleute auf den schlechten Wegen desto länger liegen bleiben und mithin mehr verzehren müssen“. Man rechnete damals in Süddeutschland etwa 15 bis 18 Meilen täglich zurücklegen zu können, während das in Norddeutschland unmöglich war. Die Markgräfin Wilhelmine fährt von Hof bis Schleiz neun Stunden, Casanova von Magdeburg nach Berlin drei Tage. Im Auslande war es nicht besser. Winckelmann braucht im Trentino einen ganzen Tag, um zwei Meilen zurückzulegen, 1758 von Rom nach Neapel fünf Tage. Dabei sind Wagen und Wege so, dass man weder sitzen, noch stehen, noch liegen kann. Die Schnellpost, welche Casanova in fünf Tagen von Lyon nach Paris bringen soll, ist ein ovaler Kasten, der schwankt wie ein Schiff im Sturm und den Unglücklichen sofort mit Vehemenz, seekrank macht. So reiste denn auch nur, wer absolut musste. Kant z. B. ist sein lebelang nie über den Umkreis von Königsberg hinausgekommen.


Bei den schlechten Wegen sind Unfälle etwas Selbstverständliches. Winckelmanns Freund Berg aus Livland hatte 1767 auf der Reise durch Frankreich bei Avignon einen Unfall, dessen Folgen ihn zwingen, 6 Wochen das Zimmer zu hüten. Der Fürstin Liechtenstein bricht der Wagen zweimal zwischen München und Ansbach. Die Dichterin Sidonia Hedwig Zäunemann ertrinkt auf der Reise von Erfurt nach Ilmenau in einem angeschwollenen Fluss. Wer damals eine Reise tat, der konnte was erzählen! Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts hatte der Freiherr v. Lilien Fahrposten eingeführt im Dienste der Taxisschen Post. Die Meile kostete 26 Kreuzer, mit Extrapost 1 1/2 Taler; die preußischen Postwagen waren nur auf den Hauptlinien bedeckt, sonst offen. Alle 20 Meilen wurde umgepackt. Die Reisekosten berechnete Schlözer für eine Person auf einen Dukaten für die laufende Meile. Wen nun die hohen Kosten nicht abhielten, der scheute außer schlechten Straßen und schlechtem Fuhrwerk vielleicht noch die groben Postillione.

Friedrich der Große erzählte de Catt eine köstliche Geschichte, die einem seiner französischen Bekannten zwischen Potsdam und Berlin passiert war. Monsieur Cogolin, dem der Wagen in dem mahlenden Sand zu langsam vorwärts kommt, glaubt, den Postillion durch Stockschläge aufmuntern zu sollen. Ganz unversehens aber steigt dieser ab, setzt den Koffer des Franzosen auf die Straße, zieht diesen selbst aus dem Wagen und verhaut ihn nach besten Kräften, dann lässt er ihn neben seinem Gepäck stehen und fährt davon, so dass der Franzmann mit seinem Koffer auf dem Rücken zu Fuße nach Berlin laufen muss, und auf seine Beschwerde vom König obendrein noch ausgelacht wird.

Die große Unsicherheit der Straßen war wohl ein Hauptgrund, der das Reisen zum bloßen Vergnügen nicht gerade rätlich machte. Das 18. Jahrhundert war das der großen Straßenräuber und Mordbrenner, die gleich in ganzen Banden die Gegenden unsicher machten, und mit offener Gewalt plünderten und raubten. Italien, Frankreich, Deutschland, England gaben sich darin nichts nach. Sie haben um ihre Lips Tullian und Nickel List, um Mandrin und Cartouche, Rinaldo Rinaldini, Highwaymen usw. auch den gleichen Nimbus der Romantik gewoben. In London ging niemand ohne Waffen aus, denn am hellen Tage überfielen die Gauner in den belebtesten Straßen der Stadt die Wagen, schnitten die Riemen durch, in denen die Kutschkästen hingen und nahmen den Insassen alle Wertsachen ab. Die Unternehmer des Vergnügungsetablissements in Vauxhall, das vor dem Tore lag, gaben bekannt, dass der Weg bis Westminsterbridge abends beleuchtet und gegen Straßenräuber bewacht werde.