Die Heilkunde

Eines recht geringen Ansehens hat sich im 18. Jahrhundert die ärztliche Kunst und der ärztliche Stand erfreut. Liselotte, welche ja nie ein Hehl aus ihrer Meinung machte, schreibt: Die Doktoren wissen nichts als purgieren, Aderlassen und Klystieren, und kein Todesfall passiert in der königlichen Familie, den sie nicht den Ärzten zur Last legt.

Viel mehr noch als heute sind sympathetische und Geheimmittel im Gebrauch: Bezoar Kugeln, Mylady Kent-Pulver u. a., ja, als Augsburgs Handel schon ganz darniederliegt, besteht die Ausfuhr der Stadt hauptsächlich in allerlei Geheimmitteln: Schauers Balsam, Elixier des Doktor Kieso, philosophisches Goldsalz werden in ganz Deutschland verlangt. Die Pocken grassieren fürchterlich, töten oder entstellen den vierten Teil der Menschheit, aber trotzdem gewinnt die Pockenschutzimpfung nur langsam an Boden. Als 1777 der Kurfürst von Bayern an den Pocken erkrankt, da lässt ihn der Leibarzt Sänfftl ein Muttergottesbild verschlucken, und als das nichts nützt, da hilft eben nix mehr! Mau tröstet sich über die eigene Hilflosigkeit, wie der protestantische Theologe Süßmilch, der in der großen Kindersterblichkeit eine weise Einrichtung Gottes erblickte, welche wenigstens die eine Hälfte der Menschheit den Verführungen dieser Welt entziehen wolle.


Der Krebs wurde als etwas Lebendes betrachtet, ein Wesen, das man mit Kalbfleisch füttern müsse, damit es nicht sterbe und den Kranken nach sich ziehe. War jemand von einem tollen Hund gebissen worden, so genoss er in der Schweiz die rohe Leber des erkrankten Tieres, in Kur-Bayern war es in solchen Fällen verboten, sich auf eine andere als allein auf die göttliche Hilfe zu verlassen. 1784 waren zwölf Personen von einem tollen Hund gebissen worden. Man nötigte sie, zu Fuß nach St. Hubert in Flandern zu wallfahrten. Nachdem sie dort acht Tage lang nur kaltes Schweinefleisch genossen und Weihwasser dazu getrunken hatten, wurde ihnen die Kopfhaut geöffnet und eine kleine Partikel von der Stola des Heiligen eingeheilt.

Den Arzt aber, der sich unterstanden hatte, einen dieser Kranken zu behandeln, bestrafte man. Bei solchen Anschauungen hatten die Kranken doch wirklich recht, wenn sie ebenso gut grüne Seife innerlich gebrauchten, wie es der Kurfürst von Trier sechs Jahre lang tat, oder ihre Zuflucht zu einem der geweihten Mittel nahmen, mit denen die Klöster einen so schwunghaften Handel trieben. Da gab es in Tegernsee St. Quirinsöl, in Eichstädt St. Gertraudsöl, das Kloster Scheyern verkaufte jährlich etwa 40.000 geweihte Kreuzchen usw.