Die Frisur
Die Frisur der Damen entwickelte sich im Gegensatz zum Umfang ihrer Röcke. Als der Reifrock am größten war, war sie ganz klein. Als Reifrock und Kleid enger und kürzer wurden, nahm sie in der gleichen Proportion zu wie jene ab. Auf die hochansteigenden Fontangen folgte eine Frisur, welche alles Haar knapp und flach um den Kopf legte, fast möchte man sagen anklebte.
Man trug dazu kleine Spitzenhäubchen, die man 1731 Fledermäuse nannte, wenn sie tief bis in das Gesicht reichten. Seit 1760 etwa beginnt sich eine Veränderung geltend zu machen. Das Haar wird über der Stirn hoch toupiert, und fällt hinter den Ohren in langen, meist nach vorn gelegten Locken auf den Hals.
Die Frisur wird kunstreicher und umständlicher in ihrer Herstellung. Man braucht den Friseur dazu. Der erste Mann, der in Paris Damen frisierte, war Mr. Frison, neben ihm waren Larseneur und Dage berühmt. Der letztere besonders dadurch bekannt dass er sich geweigert hatte, die Pompadour zu frisieren. Der Matador der Pariser Friseure war aber doch Legros, der sich vom Küchenjungen zum Herrscher über die Köpfe der Damenwelt aufschwang, der das Haaremachen zur Kunst erhob. Er veröffentlichte 1765 ein methodisches Werk über die Kunst, jede Dame nach der Eigenart ihres Charakters zu frisieren und eröffnete gleichzeitig eine Akademie, die in drei Klassen eingeteilt. Wissbegierige in alle Geheimnisse des Metiers einweihte.
Die Frisur wird zur Hauptsache der Toilette. Erfindungsgabe und Phantasie werden nur noch in ihrem Dienst gebraucht. Eine neue Frisur wird zum Ereignis. 1772 bereits zeigte das Pariser Modejournal, der „Courier de la Mode“ in jedem seiner Hefte 96 verschiedene Arten Frisuren an, im ganzen Jahre bringt es diese Zahl auf 3.744 Beispiele. Der berühmte Legros gehörte zu den Opfern der Katastrophe, welche gelegentlich der Feste zur Vermählung Marie Antoinettes auf dem Platze Ludwigs XV. in Paris vielen Hundert Menschen das Leben kostete, er erstickte in der Menge. Aber sein Verlust bedeutete nichts. In wenigen Jahren war die Zahl der Damencoiffeure in Paris allein auf 600 gestiegen.
Die Damen, die Friseure, die Putzmacherinnen und Kammerjungfern wetteiferten in der Erfindung neuer und immer neuer Frisuren. Alle Gebiete der Natur und des Wissens wurden geplündert. Die Mythologie und die Neuigkeiten des Tages mussten Vorwürfe liefern nur zum Besten neuer Ideen für die Frisur. Nichts war so widersinnig und so abgeschmackt, nichts so verkehrt und so sonderbar, dass es nicht zu einer Damenfrisur benutzt worden wäre. Sonne, Mond und Sterne, Meere und Wälder, Tier und Menschen sah man auf den Köpfen der Schönen. Eine Fregatte mit allen Segeln war nichts Ungewöhnliches als Coiffüre und nachdem nichts mehr übrig zu sein schien, blieb es doch noch der Herzogin von Chartres vorbehalten, mit dem „Pouf au sentiment“ etwas völlig Neues zu lancieren. Sie trug in dieser Frisur Figuren ihres kleinen Sohnes und seiner Amme, ihres Lieblingspapageien und Mohren, verflochten in Locken ihrer männlichen Verwandten, ihres Mannes, ihres Vaters und Schwiegervaters!? Der eigentliche Wahnsinn beginnt aber doch erst in dem Augenblick, in welchem Marie Antoinette am 10. Mai 1774 Königin wird. Sie war jung, schön, töricht und schlecht beraten und stürzte sich wirklich Hals über Kopf in die Mode, so dass sie im ersten Jahre nach ihrer Thronbesteigung nur für Putz und Tand bereits 300.000 Francs Schulden gemacht hatte. Ihr Coiffeur war Leonard Autier, der berühmte, der große Léonard, der bis zu 14 Ellen Gaze in eine einzige Coiffüre hineinarbeitete und dessen Prinzip es war, niemals Spitzen zu verwenden.
Der Coiffeur en titre der Königin war Larseneur, ein alter Mann ohne Geschmack, den sie aber aus Mitleid nicht abschaffen wollte. Sobald er fertig war, zerstörte sie seine Arbeit, Leonard kam und frisierte sie aufs neue. Marie Antoinette konnte sich nicht von ihm trennen und nahm ihn sogar auf die unglückliche Flucht nach Varennes mit, deren verfehlten Ausgang er durch sein Zuspätkommen verschuldet haben soll. Die Putzmacherin der Königin war Mlle. Bertin. Mit beiden „arbeitete“ die Königin mehrere Male in der Woche und kreierte die Moden, um die sich die Pariserinnen aller Klassen dann förmlich gerissen haben. Jede wollte, wie Madame Campan, die Kammerfrau Marie Antoinettes, in ihren Memorien schreibt, dieselben Modelle tragen wie die Königin, und man beschuldigte die Fürstin, dass sie durch ihre Launen der Verschwendung Vorschub leiste und den finanziellen Ruin Frankreichs befördere. Mlle. Bertin wurde der Minister der Mode genannt und sie fühlte sich auch als solcher. Einmal kam eine Dame in ihren Laden und verlangte Coiffüren von der neuesten Mode. „Zeigen Sie der Dame die Modelle der letzten Woche“, befahl sie darauf einem ihrer Fräulein. Als die Käuferin schüchtern zu bemerken wagte, dass sie die neuesten, nicht die der letzten Woche sehen wollte, erhielt sie von der Bertin die stolze Antwort: „Dann müssen Sie noch acht Tage warten, die Königin und ich haben beschlossen, die neueste Mode erst in der nächsten Woche erscheinen zu lassen.“ Von ihrer Arroganz und Einbildung können die Memoiren der Zeit überhaupt nicht genug berichten. Trotz der exorbitanten Preise, welche die Gunst des Hofes ihr zu nehmen erlaubte, machte sie im Jahre 1787 einen Bankerott von zwei Millionen Passiva.
Marie Antoinette war so stolz auf ihre Erfindungsgabe, dass sie sich für ihre Mutter in der neuen Mode malen ließ. Die Kaiserin Maria Theresia sandte das Bild aber zurück mit der Bemerkung, es läge wohl eine Verwechslung vor, so könne vielleicht eine Schauspielerin aussehen, aber nicht die Königin von Frankreich! Die Frisuren wurden jetzt so extravagant nach Größe und Zusammensetzung, wie man sich heute doch kaum noch vorstellen kann. Die Baronin Oberkirch erzählt, dass bei Damen mittlerer Größe das Kinn genau in der Mitte zwischen den Fußspitzen und dem Gipfel der Frisur lag. Madame Campan sagt, dass die Damen sich nicht mehr in ihren Kutschen setzen konnten, sie mussten sich auf den Boden derselben knien und den Kopf zum Fenster hinausstecken, gerade so wie ihnen das Tanzen große Mühe verursachte, da sie sorgfältig danach trachten mussten, Zusammenstöße mit den Kronleuchtern zu vermeiden. Graf Vaublanc schreibt in seinen Erinnerungen, zu wie wenig geschickten Bewegungen die Tänzerinnen durch diese Rücksicht oft gezwungen waren. So soll es wirklich vorgekommen sein, dass eine Dame ihre Coiffüre an dem Lüster eines Pariser Cafehauses in Brand gesteckt hat. Um der Missbilligung der alten Tanten und Schwiegermütter zu entgehen, konnten sich junge Frauen „à la bonne maman“ frisieren lassen. Dann kamen Ressorts in die Frisur, die auf einen Druck dieselbe höher oder niedriger machten. Es war, als hätte eine Raserei diese Köpfe ergriffen, die sich nicht genug falsches Haar, Federn, Bänder, Blumen, Vögel aufsetzen konnten und nur begierig waren, für diese Chiffons immer neue Arten des Arrangements zu erfinden. Madame de Matignon abonnierte sich bei dem Friseur Beaulard und zahlte ihm 24.000 Livres jährlich, wofür er verpflichtet war, ihr täglich eine neue Coiffüre zu liefern.
Die Mode wechselte so rasch, dass Leonard, wenn er von der gestrigen Mode sprach, nur „ehemals“ zu sagen pflegte. Die Schwierigkeit, eine so komplizierte Frisur herzustellen, sie über Kissen und Drahtgestellen aufzubauen, ihr durch Pomaden Halt zu geben, sie zu pudern usw., erforderte die Arbeit von Stunden und es kann nicht wundernehmen, dass die Damen sich dieser Prozedur nicht alle Tage unterwerfen konnten. Selbst vornehme Damen ließen sich nur alle 8 bis 14 Tage neu frisieren, ärmere noch viel seltener und wir hören davon, dass Frauen und Mädchen des Mittelstandes einen Monat und länger ihr Haar in der gleichen Frisur beließen, ohne es doch in der Zwischenzeit kämmen zu können. Was dieser Mangel an Reinlichkeit für Folgen hatte, lässt sich denken. Es war das goldene Zeitalter des Ungeziefers, dem die Damen mit ihren „grattoirs“, langen Kopfkratzern aus Gold oder Elfenbein, natürlich nicht beikommen konnten. Die Markgräfin von Bayreuth notiert bei ihrem Empfang in Hof, dass die Haare der adligen Damen voller Schmutz und Unrat gewesen seien und was Casanova einmal in dieser Hinsicht für Beobachtungen auf dem Kopf einer Augsburgerin machte, teilt er in seinen Memoiren sehr ergötzlich mit. Katharina II. verbot die Frisuren höher zu tragen als 1/4 russische Elle. Ihre Schwiegertochter Maria Feodorowna musste sich deswegen einen Teil ihrer schönen Haare abschneiden lassen. Nach einigen Jahren änderte sich die Mode insofern, als die Coiffüre nicht mehr in das Haar hineingearbeitet, sondern als Haube oder Hut besonders aufgesetzt wurde. Man frisierte sich einfacher, angeblich dem Beispiel Marie Antoinettes folgend, der während ihres ersten Wochenbettes das Haar sehr stark ausgegangen war. Man toupierte es nicht mehr, sondern wickelte es in Locken und ließ es rückwärts bis zur Taille offen herabfließen. Im Aufstecken der Bonnets und Hüte waltete die Phantasie nun unumschränkt weiter. Drahtgestelle mit Flor überzogen, Formen aus Stroh und Filz wurden der Tummelplatz der launischen Mode, wo sie Federn, Blumen, Bänder, Schleifen, Agraffen u. a. in der buntesten und bizarrsten Mannigfaltigkeit durcheinander wirbelte. Ebenso barock wie die Formen der Frisuren, Coiffüren und Hüte waren die Namen, welche man ihnen beilegte.
Denn so gut wie jede Nuance jeder Farbe einen besonderen Namen erhielt, gab man jeder Frisur, jeder Coiffüre, jedem Hut einen eigenen Namen. Diese Bezeichnungen, die mit dem eigentlichen Wesen des Gegenstandes natürlich nicht das mindeste zu tun hatten, entlehnte man Tagesereignissen, dem Brand der Oper, dem Freiheitskriege der Amerikaner, dem Halsbandprozess, man nahm Verbrecher zu Paten, wie den abscheulichen Desrues oder Erfinder wie Montgolfier. Man entlieh ihn am liebsten dem Theater. So begegnen wir Namen wie à l’Indépendance, à la Bostonienne, à la Philadelphie, à la nouvelle Angleterre, è la Belle Poule, au glorieux d'Estaing, à la Desrues, à la Montgolfière, à la Figaro, à l'Almaviva, à la Suzanne, à la Voltaire, à la nouvelle Clarisse, ä l’Androsmane, au Bandeau d'amour, le Chien couchant, au Parterre galant, au Cerf volant, à la douce Raillerie, à la Randan, à la Baillard, à la Zinzara, à la Tarare, à la nouvelle Omphale, à la Marlborough, à la grande Prétention, au Papillon constant, au galant Désespoir, au Plaisir de la Cascade usw. usw. Wenn man bedenkt, dass es allein 1779 im Pariser Modehandel 200 verschiedene Häubchen gab, von denen jedes im Preise zwischen 10 und 100 Livres schwankend, einen besonderen Namen trug, so begreift man leicht, dass zwischen Himmel und Erde, auf und unter derselben nichts davor sicher war, der Verbindung von einigen Ellen Band, Flor und Federn seinen Namen leihen zu müssen. Dieselben Bezeichnungen begegnen uns auch in Deutschland. Wenn Chodowiecki oder Riepenhausen uns die Moden von Berlin, Göttingen oder Leipzig entwerfen, bedienen sie sich der gleichen Namen wie die Pariser Modezeitungen.
Zu den Formen, die sich fast das ganze Jahrhundert hindurch behaupteten, gehörte die Dormeuse, ein Name, der einer Haube zukam, die vielfach wirklich als Nachthaube benutzt wurde, wegen ihrer Einfachheit aber auch von älteren Damen gern getragen wurde. So sieht Goethe z. B. Frau von La Roche stets in einem „netten Flügelhäubchen“. Den Namen hat man dann gelegentlich im Jahre 1758 z. B. auch einem Topfhut beigelegt, wie man ihn 1909 wieder liebt, als ob man Mademoiselle Bertin Recht geben wollte, die einmal sagte: „Il n'y a rien de nouveau dans ce monde que ce qui est oublié.“ Sehr drollig war die Coiffüre à la Thérèse, eine Kopfbedeckung wie ein Kutschdach, die man auf- und zuklappen konnte, praktisch und kokett zugleich. Diderot erzählt, wie gewandt seine kleine Tochter ihm die Vorzüge dieser Kalesche auseinanderzusetzen wusste.
Für die englische Dame war der Hut nicht nur der wesentlichste Bestandteil der Toilette, er erst gab ihr das Cachet der Eleganz, sondern sie verstand auch, ihn mit besonderem Schick aufzusetzen und mit feinster Koketterie zu tragen. Wer sich von Bildern, Farbstichen oder Schabkunstblättern her auf die Porträts der schönen Engländerinnen jener Zeit besinnt, wird das Entzücken begreifen, mit dem der bekannte Zeitungsschreiber und Pamphletist Linguet erklärte, wenn Homer die Engländerinnen gekannt hätte, so würde er der Venus als Attribut der Grazien nicht einen Gürtel, sondern einen englischen Hut gegeben haben. Die reizenden Londonerinnen jener Zeit erfreuten sich aber auch einer Einrichtung, welche man heute, wo man stets auf der Suche nach neuen Berufen für die Frau ist, eigentlich nachahmen könnte. Die schöne Schauspielerin Mrs. Abington, welche am Drurylane Theater engagiert war und dort als Extrahonorar für ihre Toiletten £ 500 jährlich bezog, fuhr in ihren Mußestunden umher und erteilte Rat und Auskunft in Modeangelegenheiten, welche Nebenbeschäftigung ihr im Jahr etwa £ 1.500 bis £ 1.600 eingebracht haben soll.
Man trug dazu kleine Spitzenhäubchen, die man 1731 Fledermäuse nannte, wenn sie tief bis in das Gesicht reichten. Seit 1760 etwa beginnt sich eine Veränderung geltend zu machen. Das Haar wird über der Stirn hoch toupiert, und fällt hinter den Ohren in langen, meist nach vorn gelegten Locken auf den Hals.
Die Frisur wird kunstreicher und umständlicher in ihrer Herstellung. Man braucht den Friseur dazu. Der erste Mann, der in Paris Damen frisierte, war Mr. Frison, neben ihm waren Larseneur und Dage berühmt. Der letztere besonders dadurch bekannt dass er sich geweigert hatte, die Pompadour zu frisieren. Der Matador der Pariser Friseure war aber doch Legros, der sich vom Küchenjungen zum Herrscher über die Köpfe der Damenwelt aufschwang, der das Haaremachen zur Kunst erhob. Er veröffentlichte 1765 ein methodisches Werk über die Kunst, jede Dame nach der Eigenart ihres Charakters zu frisieren und eröffnete gleichzeitig eine Akademie, die in drei Klassen eingeteilt. Wissbegierige in alle Geheimnisse des Metiers einweihte.
Die Frisur wird zur Hauptsache der Toilette. Erfindungsgabe und Phantasie werden nur noch in ihrem Dienst gebraucht. Eine neue Frisur wird zum Ereignis. 1772 bereits zeigte das Pariser Modejournal, der „Courier de la Mode“ in jedem seiner Hefte 96 verschiedene Arten Frisuren an, im ganzen Jahre bringt es diese Zahl auf 3.744 Beispiele. Der berühmte Legros gehörte zu den Opfern der Katastrophe, welche gelegentlich der Feste zur Vermählung Marie Antoinettes auf dem Platze Ludwigs XV. in Paris vielen Hundert Menschen das Leben kostete, er erstickte in der Menge. Aber sein Verlust bedeutete nichts. In wenigen Jahren war die Zahl der Damencoiffeure in Paris allein auf 600 gestiegen.
Die Damen, die Friseure, die Putzmacherinnen und Kammerjungfern wetteiferten in der Erfindung neuer und immer neuer Frisuren. Alle Gebiete der Natur und des Wissens wurden geplündert. Die Mythologie und die Neuigkeiten des Tages mussten Vorwürfe liefern nur zum Besten neuer Ideen für die Frisur. Nichts war so widersinnig und so abgeschmackt, nichts so verkehrt und so sonderbar, dass es nicht zu einer Damenfrisur benutzt worden wäre. Sonne, Mond und Sterne, Meere und Wälder, Tier und Menschen sah man auf den Köpfen der Schönen. Eine Fregatte mit allen Segeln war nichts Ungewöhnliches als Coiffüre und nachdem nichts mehr übrig zu sein schien, blieb es doch noch der Herzogin von Chartres vorbehalten, mit dem „Pouf au sentiment“ etwas völlig Neues zu lancieren. Sie trug in dieser Frisur Figuren ihres kleinen Sohnes und seiner Amme, ihres Lieblingspapageien und Mohren, verflochten in Locken ihrer männlichen Verwandten, ihres Mannes, ihres Vaters und Schwiegervaters!? Der eigentliche Wahnsinn beginnt aber doch erst in dem Augenblick, in welchem Marie Antoinette am 10. Mai 1774 Königin wird. Sie war jung, schön, töricht und schlecht beraten und stürzte sich wirklich Hals über Kopf in die Mode, so dass sie im ersten Jahre nach ihrer Thronbesteigung nur für Putz und Tand bereits 300.000 Francs Schulden gemacht hatte. Ihr Coiffeur war Leonard Autier, der berühmte, der große Léonard, der bis zu 14 Ellen Gaze in eine einzige Coiffüre hineinarbeitete und dessen Prinzip es war, niemals Spitzen zu verwenden.
Der Coiffeur en titre der Königin war Larseneur, ein alter Mann ohne Geschmack, den sie aber aus Mitleid nicht abschaffen wollte. Sobald er fertig war, zerstörte sie seine Arbeit, Leonard kam und frisierte sie aufs neue. Marie Antoinette konnte sich nicht von ihm trennen und nahm ihn sogar auf die unglückliche Flucht nach Varennes mit, deren verfehlten Ausgang er durch sein Zuspätkommen verschuldet haben soll. Die Putzmacherin der Königin war Mlle. Bertin. Mit beiden „arbeitete“ die Königin mehrere Male in der Woche und kreierte die Moden, um die sich die Pariserinnen aller Klassen dann förmlich gerissen haben. Jede wollte, wie Madame Campan, die Kammerfrau Marie Antoinettes, in ihren Memorien schreibt, dieselben Modelle tragen wie die Königin, und man beschuldigte die Fürstin, dass sie durch ihre Launen der Verschwendung Vorschub leiste und den finanziellen Ruin Frankreichs befördere. Mlle. Bertin wurde der Minister der Mode genannt und sie fühlte sich auch als solcher. Einmal kam eine Dame in ihren Laden und verlangte Coiffüren von der neuesten Mode. „Zeigen Sie der Dame die Modelle der letzten Woche“, befahl sie darauf einem ihrer Fräulein. Als die Käuferin schüchtern zu bemerken wagte, dass sie die neuesten, nicht die der letzten Woche sehen wollte, erhielt sie von der Bertin die stolze Antwort: „Dann müssen Sie noch acht Tage warten, die Königin und ich haben beschlossen, die neueste Mode erst in der nächsten Woche erscheinen zu lassen.“ Von ihrer Arroganz und Einbildung können die Memoiren der Zeit überhaupt nicht genug berichten. Trotz der exorbitanten Preise, welche die Gunst des Hofes ihr zu nehmen erlaubte, machte sie im Jahre 1787 einen Bankerott von zwei Millionen Passiva.
Marie Antoinette war so stolz auf ihre Erfindungsgabe, dass sie sich für ihre Mutter in der neuen Mode malen ließ. Die Kaiserin Maria Theresia sandte das Bild aber zurück mit der Bemerkung, es läge wohl eine Verwechslung vor, so könne vielleicht eine Schauspielerin aussehen, aber nicht die Königin von Frankreich! Die Frisuren wurden jetzt so extravagant nach Größe und Zusammensetzung, wie man sich heute doch kaum noch vorstellen kann. Die Baronin Oberkirch erzählt, dass bei Damen mittlerer Größe das Kinn genau in der Mitte zwischen den Fußspitzen und dem Gipfel der Frisur lag. Madame Campan sagt, dass die Damen sich nicht mehr in ihren Kutschen setzen konnten, sie mussten sich auf den Boden derselben knien und den Kopf zum Fenster hinausstecken, gerade so wie ihnen das Tanzen große Mühe verursachte, da sie sorgfältig danach trachten mussten, Zusammenstöße mit den Kronleuchtern zu vermeiden. Graf Vaublanc schreibt in seinen Erinnerungen, zu wie wenig geschickten Bewegungen die Tänzerinnen durch diese Rücksicht oft gezwungen waren. So soll es wirklich vorgekommen sein, dass eine Dame ihre Coiffüre an dem Lüster eines Pariser Cafehauses in Brand gesteckt hat. Um der Missbilligung der alten Tanten und Schwiegermütter zu entgehen, konnten sich junge Frauen „à la bonne maman“ frisieren lassen. Dann kamen Ressorts in die Frisur, die auf einen Druck dieselbe höher oder niedriger machten. Es war, als hätte eine Raserei diese Köpfe ergriffen, die sich nicht genug falsches Haar, Federn, Bänder, Blumen, Vögel aufsetzen konnten und nur begierig waren, für diese Chiffons immer neue Arten des Arrangements zu erfinden. Madame de Matignon abonnierte sich bei dem Friseur Beaulard und zahlte ihm 24.000 Livres jährlich, wofür er verpflichtet war, ihr täglich eine neue Coiffüre zu liefern.
Die Mode wechselte so rasch, dass Leonard, wenn er von der gestrigen Mode sprach, nur „ehemals“ zu sagen pflegte. Die Schwierigkeit, eine so komplizierte Frisur herzustellen, sie über Kissen und Drahtgestellen aufzubauen, ihr durch Pomaden Halt zu geben, sie zu pudern usw., erforderte die Arbeit von Stunden und es kann nicht wundernehmen, dass die Damen sich dieser Prozedur nicht alle Tage unterwerfen konnten. Selbst vornehme Damen ließen sich nur alle 8 bis 14 Tage neu frisieren, ärmere noch viel seltener und wir hören davon, dass Frauen und Mädchen des Mittelstandes einen Monat und länger ihr Haar in der gleichen Frisur beließen, ohne es doch in der Zwischenzeit kämmen zu können. Was dieser Mangel an Reinlichkeit für Folgen hatte, lässt sich denken. Es war das goldene Zeitalter des Ungeziefers, dem die Damen mit ihren „grattoirs“, langen Kopfkratzern aus Gold oder Elfenbein, natürlich nicht beikommen konnten. Die Markgräfin von Bayreuth notiert bei ihrem Empfang in Hof, dass die Haare der adligen Damen voller Schmutz und Unrat gewesen seien und was Casanova einmal in dieser Hinsicht für Beobachtungen auf dem Kopf einer Augsburgerin machte, teilt er in seinen Memoiren sehr ergötzlich mit. Katharina II. verbot die Frisuren höher zu tragen als 1/4 russische Elle. Ihre Schwiegertochter Maria Feodorowna musste sich deswegen einen Teil ihrer schönen Haare abschneiden lassen. Nach einigen Jahren änderte sich die Mode insofern, als die Coiffüre nicht mehr in das Haar hineingearbeitet, sondern als Haube oder Hut besonders aufgesetzt wurde. Man frisierte sich einfacher, angeblich dem Beispiel Marie Antoinettes folgend, der während ihres ersten Wochenbettes das Haar sehr stark ausgegangen war. Man toupierte es nicht mehr, sondern wickelte es in Locken und ließ es rückwärts bis zur Taille offen herabfließen. Im Aufstecken der Bonnets und Hüte waltete die Phantasie nun unumschränkt weiter. Drahtgestelle mit Flor überzogen, Formen aus Stroh und Filz wurden der Tummelplatz der launischen Mode, wo sie Federn, Blumen, Bänder, Schleifen, Agraffen u. a. in der buntesten und bizarrsten Mannigfaltigkeit durcheinander wirbelte. Ebenso barock wie die Formen der Frisuren, Coiffüren und Hüte waren die Namen, welche man ihnen beilegte.
Denn so gut wie jede Nuance jeder Farbe einen besonderen Namen erhielt, gab man jeder Frisur, jeder Coiffüre, jedem Hut einen eigenen Namen. Diese Bezeichnungen, die mit dem eigentlichen Wesen des Gegenstandes natürlich nicht das mindeste zu tun hatten, entlehnte man Tagesereignissen, dem Brand der Oper, dem Freiheitskriege der Amerikaner, dem Halsbandprozess, man nahm Verbrecher zu Paten, wie den abscheulichen Desrues oder Erfinder wie Montgolfier. Man entlieh ihn am liebsten dem Theater. So begegnen wir Namen wie à l’Indépendance, à la Bostonienne, à la Philadelphie, à la nouvelle Angleterre, è la Belle Poule, au glorieux d'Estaing, à la Desrues, à la Montgolfière, à la Figaro, à l'Almaviva, à la Suzanne, à la Voltaire, à la nouvelle Clarisse, ä l’Androsmane, au Bandeau d'amour, le Chien couchant, au Parterre galant, au Cerf volant, à la douce Raillerie, à la Randan, à la Baillard, à la Zinzara, à la Tarare, à la nouvelle Omphale, à la Marlborough, à la grande Prétention, au Papillon constant, au galant Désespoir, au Plaisir de la Cascade usw. usw. Wenn man bedenkt, dass es allein 1779 im Pariser Modehandel 200 verschiedene Häubchen gab, von denen jedes im Preise zwischen 10 und 100 Livres schwankend, einen besonderen Namen trug, so begreift man leicht, dass zwischen Himmel und Erde, auf und unter derselben nichts davor sicher war, der Verbindung von einigen Ellen Band, Flor und Federn seinen Namen leihen zu müssen. Dieselben Bezeichnungen begegnen uns auch in Deutschland. Wenn Chodowiecki oder Riepenhausen uns die Moden von Berlin, Göttingen oder Leipzig entwerfen, bedienen sie sich der gleichen Namen wie die Pariser Modezeitungen.
Zu den Formen, die sich fast das ganze Jahrhundert hindurch behaupteten, gehörte die Dormeuse, ein Name, der einer Haube zukam, die vielfach wirklich als Nachthaube benutzt wurde, wegen ihrer Einfachheit aber auch von älteren Damen gern getragen wurde. So sieht Goethe z. B. Frau von La Roche stets in einem „netten Flügelhäubchen“. Den Namen hat man dann gelegentlich im Jahre 1758 z. B. auch einem Topfhut beigelegt, wie man ihn 1909 wieder liebt, als ob man Mademoiselle Bertin Recht geben wollte, die einmal sagte: „Il n'y a rien de nouveau dans ce monde que ce qui est oublié.“ Sehr drollig war die Coiffüre à la Thérèse, eine Kopfbedeckung wie ein Kutschdach, die man auf- und zuklappen konnte, praktisch und kokett zugleich. Diderot erzählt, wie gewandt seine kleine Tochter ihm die Vorzüge dieser Kalesche auseinanderzusetzen wusste.
Für die englische Dame war der Hut nicht nur der wesentlichste Bestandteil der Toilette, er erst gab ihr das Cachet der Eleganz, sondern sie verstand auch, ihn mit besonderem Schick aufzusetzen und mit feinster Koketterie zu tragen. Wer sich von Bildern, Farbstichen oder Schabkunstblättern her auf die Porträts der schönen Engländerinnen jener Zeit besinnt, wird das Entzücken begreifen, mit dem der bekannte Zeitungsschreiber und Pamphletist Linguet erklärte, wenn Homer die Engländerinnen gekannt hätte, so würde er der Venus als Attribut der Grazien nicht einen Gürtel, sondern einen englischen Hut gegeben haben. Die reizenden Londonerinnen jener Zeit erfreuten sich aber auch einer Einrichtung, welche man heute, wo man stets auf der Suche nach neuen Berufen für die Frau ist, eigentlich nachahmen könnte. Die schöne Schauspielerin Mrs. Abington, welche am Drurylane Theater engagiert war und dort als Extrahonorar für ihre Toiletten £ 500 jährlich bezog, fuhr in ihren Mußestunden umher und erteilte Rat und Auskunft in Modeangelegenheiten, welche Nebenbeschäftigung ihr im Jahr etwa £ 1.500 bis £ 1.600 eingebracht haben soll.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Mode - Menschen und Moden im achtzehnten Jahrhundert
171. Defosses, Marie Antoinette teilt der Mme de Bellgarde die Freilassung ihres Mannes mit, 1777
172. Rosmaesler, Promenade in Leipzigs, 1777
173. Ward, Louisa, 1786
174. Nicolas Lavreince, La Soubrette confidente
176. Nicolas Lavreince, Qu’en dit l’abbe?
177. Nicolas Lavreince, Le Billet-doux
178. Bandouin-Moreau, Le coucher de la Mariée
179. Benj. West, Königin Charlotte von England und ihre Tochter, 1778
180. Gallerie des Modes
181. Moreau le Jeune, Krönung Voltaires, 1778
182. Geigenspieler, Italienisches Porzellan
183. Der Handkuss, Biskuit, Wien. Von Anton Graßl
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