Werther

Man hat die Wirkung von Goethes Roman das Wertherfieber genannt und mit um so größerem Rechte, als man sich heute kaum noch einen Begriff davon machen kann, wie tief und wie weit der Einfluss dieses Buches damals ging.

Dass sein Verfasser mit einem Schlage ein berühmter Mann, der Lieblingsdichter seines Volkes wurde, dass Auflage der Auflage, Nachdruck dem Nachdruck, Übersetzung der Übersetzung, Nachahmung der Nachahmung folgte, will wenig besagen. Dieses Schicksal haben viele Autoren mit ihren Büchern geteilt. Hier aber hatte ein Dichter offenbart, was ein ganzes Volk empfand, das Buch schien mit dem Herzblut der Zeitgenossen geschrieben.


Es drang in alle Kreise, sogar in die Hütte leibeigener Bauern, Ernst Moritz Arndt besann sich darauf, es im Hause seiner Eltern gesehen zu haben ; es brachte die Studenten, wie Matthison bekannte, aus Roheit und Verwilderung zu feinerer Sitte; es drängte sich in Äußerlichkeiten selbst der Tagesmode auf. Lauckhard erzählt von der nächtlichen Prozession, die unter Trauergesängen die gute Gesellschaft Wetzlars im Frühjahr 1776 nach Werthers Grab führte, und von wie vielen wissen wir, denen in jenen Jahren der freiwillige Tod Werthers der Wegweiser in die Freiheit wurde? In Linz sah Nicolai Werther sogar als tragisches Ballett, in Wien Werther und Lottchen als Feuerwerk.

053. Charles Nicolas Cochin, Le jeu du roi, 1745 (Ausschnitt)

053. Charles Nicolas Cochin, Le jeu du roi, 1745 (Ausschnitt)

055. Jean Marc Nattier, Mme. Victoire de France, Tochter Ludwig XV. als Diana

055. Jean Marc Nattier, Mme. Victoire de France, Tochter Ludwig XV. als Diana

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