Vernegues

Ich bedankte mich bei Balaschow dafür, daß er mir ein so schmeichelhaftes Zeugnis ausgestellt hatte. Nichtsdestoweniger traf ich schon Anstalten, meinen Abschied einzureichen, um Schlimmerem vorzubeugen, als plötzlich sich mit mir ein unerwarteter Fall ereignete, der mich davon zurückhielt.

Einem Ausländer, Chevalier de Vernegues, machte man Schwierigkeiten wegen der Ausstellung eines Aufenthaltsscheines in St. Petersburg. Der Chevalier nahm seine Zuflucht zu mir. Ich machte Balaschow davon Meldung.


„Lassen Sie ihm schleunigst den Schein ausstellen,“ sagte er voller Eifer zu mir; „das ist ein geheimer diplomatischer Agent Ludwigs XVIII.; suchen Sie mit ihm recht schnell naher bekannt zu werden; durch ihn können wir vieles in Erfahrung bringen.“

Vernegues war bald darauf ein in meinem Hause häufig gesehener Gast. Er erzählte mir von seinen nahen Beziehungen zu den Grasen Tolstoi und Armfeld und bemerkte, letzterer habe den Wunsch, mich kennen zu lernen: ,Il est tout aussi enchanté,“ sagte er zu mir, „de votre caractère chevaleresque, que moi; allons un jour chez lui.“

Ich teilte dies Balaschow mit, welcher mich dazu ermunterte, mit ihnen in nähere Beziehungen zu treten. Als ich hierauf erwiderte, daß ich mich davor scheue, mit schlauen, in allen Intrigen des Hoflebens gewitzigten Leuten naher bekannt zu werden, bat Balaschow mich dringend, diese Bekanntschaft fortzusetzen. Jetzt besuchten sowohl Graf Armfeld als auch Vernegues mich häufig. Lange Zeit spielten beide Intriganten die Bescheidenen; schließlich begann Graf Armfeld, mir seine Gespräche mit dem Kaiser wiederzuerzählen und bat mich, Balaschow gegenüber vorsichtig zu sein, ihm nichts anzuvertrauen, denn der Kaiser hege gegen ihn großes Misstrauen. Ich brachte auch dies zur Kenntnis Balaschows.

„Er lügt,“ sagte der Polizeimeister, „er selbst ist ein solcher, dem der Kaiser nicht traut, und ich habe den Auftrag, ein scharfes Auge auf ihn zu haben.“

Ich erschrak. Wer von ihnen hatte recht? Am Ende noch alle beide? Dann gerate ich zwischen zwei Feuer; ich beschloß hinfort zuzuhören und zu schweigen.

Es kommen im Leben Fälle vor, wo alle menschliche Vorsicht und Weisheit nichts vermag; eine verborgene, uns unbekannte Macht treibt uns, und wehe dem, der sich ihr zu widersetzen sucht.