Das Polizeiministerium

Balaschow wurde Polizeimeister und ich Chef seiner „besonderen“ Kanzlei, meinen Rechten nach den Departementdirektoren gleichgestellt. In diesem Amt lebte ich mit Balaschow im besten Einvernehmen und war ganz seines Lobes voll, als plötzlich Umstände eintraten, die ich nicht verschuldet hatte. Natürlicherweise bemühte ich mich, alle für den Kaiser bestimmten Berichte so anzufertigen, wie er es, nach Balaschows Aussagen, liebte, d. h. der Rapport mußte möglichst kurz zusammengefasst, mit leserlicher, schöner Handschrift und auf gutem Papier geschrieben sein. Wie Balaschow mir sagte, hatte ihm der Kaiser erklärt, daß die besondere Kanzlei vor allen Departements den Vorzug verdiene. Einmal sagte der Minister zu mir mit unzufriedener Miene: „Bloß Ihre Rapporte gehen durch, diejenigen aus den andern Departements habe ich wieder zurückgebracht.“ Einige Zeit darauf erklärte er mir, vom Kaiser zurückkehrend: „Ich gratuliere Ihnen,“ und sein Mund verzog sich zu einem ironischen Lächeln, „der Kaiser hat Ihnen befohlen die Berichte der andern Departements zu korrigieren.“ Obgleich ich ein Unglück voraussah, nämlich das unvermeidliche Zerwürfnis mit dem Minister, so war doch gar nichts dabei zu machen, mein Selbstgefühl gestattete es mir aber nicht, auf die Berichte weniger Sorgfalt zu verwenden. Einmal sagte Balaschow ganz ärgerlich zu mir: „Der Kaiser hat mir befohlen, Sie nach Tzarskoje Sselo mitzunehmen, damit Sie, im Falle, daß die Berichte der andern Departements Mängel zeigen sollten, dieselben berichtigen, nur Ihre Berichte allein sind ja gut,“ fügte er noch hinzu.

Von da ab begleitete ich stets den Minister nach Tzarskoje Sselo.


Als eines Tages in Tzarskoje Sselo der Minister vom Kaiser herauskam, sagte er zu mir: „Der Kaiser wünscht Sie zu sehen; wollen wir in den Garten gehen, da werden wir ihn treffen.“ So geschah es auch wirklich; als der Kaiser uns begegnete, blieb er stehen und unterhielt sich mit Balaschow über das Wetter, über die Veränderungen, die er an dem Schlosse vornehmen lassen wolle, und feierte mich während der ganzen Zeit der Unterhaltung durch das Lorgnon.

Als der Kaiser sich entfernt harte, bemerkte Balaschow mit einem ironischen Lächeln zu mir: „Ich gratuliere Ihnen, Sie sind jetzt mit dem Kaiser bekannt geworden.“

„Ja wohl,“ antwortete ich, „wie eine Statue, die man in Augenschein nimmt; Eure Excellenz haben vergessen, von mir zu sagen, daß ich, wie die Memnonssäule, bei dem erscheinen der Sonne Töne von mir gebe.“

Balaschow lächelte gezwungen und wir kehrten in unsre, für den Aufenthalt der Kavaliere bestimmten Gemächer zurück. Schließlich teilte mir Balaschow folgendes mit: „Der Kaiser hat mich gefragt, ob Sie nicht Polizeimeister von Petersburg werden wollen. Ich habe geantwortet,“ fuhr er fort, „daß diese Stellung für Sie nicht geeignet sein dürfte, denn durch Ihre Gutmütigkeit und Religiosität können Sie alles verpfuschen.“