Befürchtungen

Unter dem Vorwande, mich umkleiden zu wollen, ging ich zu meiner Frau und bat sie, sich nicht zu beunruhigen. „Wahrscheinlich hat man mich verleumdet,“ sagte ich zu ihr, „vielleicht werde ich irgendwohin fortgeschickt werden; ich werde aber den Kaiser sehen und ihn darum bitten, daß ihr alle mir nachgeschickt werdet.“ Mit Tränen in den Augen nahm ich Abschied. Warum mir nicht ein andrer erfreulicherer Gedanke kam, weiß ich nicht; warum mir gerade das in den Sinn kam, weiß ich auch nicht. Hatte nicht das erste Billet und die Beschreibung, welche mir Balaschow von dem Charakter des Kaisers gemacht hatte, die Veranlassung dazu gegeben? Ich weiß es nicht. Doch wie sich die Sache auch verhalten mag, ich erwartete nichts Gutes, und dieser unglückliche Gedanke war entscheidend für meine künftigen Beziehungen zum Kaiser.

Ich setzte mich mit dem Kammerdiener in den Schlitten und wir fuhren beim Seitenportal vor. Man führte mich eine Menge von Treppen hinauf bis in das oberste Stockwerk des Winterpalais. Ssinowjew geleitete mich in ein kleines Gemach, in welchem Kommoden und Chiffonnieren standen, und ersuchte mich da ein wenig zu warten. Nirgends waren Kerzen zu sehen; diese Finsternis flößte mir Furcht ein. Dies bestärkte mich in meiner Voraussetzung, daß ich verschickt werden würde. Welche Ungerechtigkeit! dachte ich. Zum Unglück fiel mir gerade der Marquis Posa ein und sein Gespräch mit Philipp; „auch ich befinde mich in der Lage des Marquis,“ sagte ich für mich, und nahm mir vor, in diesem verhängnisvollen Augenblick dieselbe Festigkeit und Hochherzigkeit zu zeigen, wie der Marquis. Außer der nackten Wahrheit — kein Wort!