Abschnitt 20

Interessanter als die Strelitzer Entschädigungsforderungen sind die im Zusamenhange mit dem Bestreben, dem herzoglichen Hause einen Teil der durch die Kurwürde vermeintlich bedingten größeren Einnahmen zu verschaffen, stehenden Verhandlungen zwischen dem Herzog und seinem Ministerium über die Einziehung der Landesklöster. 22)

Am 13. Mai 1803 erging ein herzogliches Handschreiben an das Ministerium folgenden Wortlautes: „Gedrungen durch die Annäherung der Annahme der Churwürde und denn daraus unumgänglich Notwendigen Ausgaben, so wohl extraordinairen, als auch in Zukunft feststehenden, finde ich mich bewogen mein getreues Ministerium einen Vorschlag zu erkennen zu geben, der sich auf denn 35. und 36. Paragraphen des ReichsGutachten gründet, welches Kayserl. Majestät jetzt Ratificirt haben. Nach oben angeführten Paragraphen 23), habe ich meines bedünkens, das Recht, die drey LandesKlöster, wie auch das Kloster zum heiligen Kreuz in Rostock, unter billigen Bedingungen Aufzuheben, und zu Domainen zu schlagen. Ich habe schon längst dieses project in meiner Seele zum besten meines herzoglichen Hauses genährt, besonders seit der Zeit da mich die Stände so Undankbar behandelt haben, allein nie eher damit hervorgehen wollen, bis daß das Kaiserliche RatificationsDecret würde Angekommen seyn. Denn das Unbeschrenkte Recht habe ich zur Aufhebung der Klöster laut denen angeführten Paragraphen, eben so wie ich auch Überzeugt binn, daß es WiderSprüche leiden wird. Indeßen ich habe meine Pflicht gethan, es ihnen zur Prüfung Anheim zu geben, um mich jezt Aus der Critischen Lage der dringenden Ausgaben, sowohl als für die Zukunft zu helfen. Findet mein Vorschlag gehör so müste dieß sehr bald geschehen, ehe davon lange zuvor die rede ist, findet er aber keinen beifall, so muß die Zeit lehren, ob ich recht habe die Sache Auszuführen oder nicht. Auch will ich noch anheim geben, genau acht zu haben, wie sich die jezt Anwesendseyn werdende Ständische Deputation nimt, denn Sie werden gewiß sehr ins feld horchen wie mann gestimt ist, in dem ich sicher weiß daß mann Auf jede Handlung die von seiten des Hofes geschieht, im ganzen lande äußerst Aufmerksahm ist, und sich Veränderungen Vermuthet. Hierauf wünsche ich daß mein treues Ministerium sorgfälltig wachen mag und mir genauen rapport davon Abstatten möge. Denn die Churwürde können auf keinen Fall die Stände wünschen. Auch erwarte ich von denn jezigen Negotiationen, wegen der nebenSteuer, und deßen beschluß genauen bericht. Ich schreibe dieses im engsten Vertrauen in dem keine Seele dieß Stück zu sehen bekömt, und sonst natürlich erstaunliche Sensation erregen würde. Ich erwarte nun, mit dem Bewustseyn, für das beste meines Hauses als ein Rechtschaffener Mann vorschläge gethan zu haben, das weitere Erachten meines getreuen Ministeriums mit der Versicherung, daß ich nie diese Äußerung gethan haben würde, wenn ich nicht ein wahrhaftes zutrauen in der herrn Ministers treue gesetzt hätte, wovon ich schon so viele beweise werend meiner Regierung gehabt habe.“


Das Ministerium antwortete erst am 30. Auguste es entschuldigte die Verzögerung mit dem „ausgezeichneten Zusammentreffen so vieler wichtigen Angelegenheiten des höchsten Herzoglichen Hauses“ - die abschließenden Verhandlungen über die Erwerbung der Herrschaft Wismar waren in eben diese Zeit gefallen. Zur Sache äußerte es sich dahin, „daß die Disposition der § 35 und 36 auf die LandesKlöster in Mecklenburg nach ihrer Entstehung und Beschaffenheit nicht anwendlich sey“. Die Landesklöster seien den Ständen von den Herzogen Johann Albrecht und Ulrich in den Sternberger Reversalen von 1572, nach Bewilligung einer Summe von 400 000 Gulden überwiesen und seitdem Eigentum von Ritter- und Landschaft geblieben; sie seien von anderen Klöstern in Deutschland darin ganz verschieden, daß Sie der Ritter- und Landschaft gehörten, und gewisse Personen jetzt und in Zukunft ein angeborenes Recht auf den Genuß derselben hätten. Im Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich sei den Ständen die Versicherung erteilt, daß die drei Klöster bei ihrer Konsistenz und ihren Rechten gelassen und geschützt sein sollten, und Herzog Friedrich Franz selber habe bei seinem Regierungsantritt den Ständen in bündigster Form versprochen, sie bei ihren Rechten und Privilegien erhalten zu wollen. Auch in anderen Ländern, wo ganz ähnlich eingerichtete Klöster beständen, sei, wenigstens zurzeit, von deren Einziehung nicht die Rede. Überdem bleibe es sehr zweifelhaft, ob nicht eine vorherige Übereinkunft mit dem Hause Mecklenburg-Strelitz erforderlich sei, da zwar der § 35 die fundierten Klöster der Disposition der Landesherren überlasse, im vorliegenden Fall indessen die Rechte der Stände des stargardschen Kreises konkurierierten, und diese sich unfehlbar an ihren Landesherrn wenden würden, wodurch dann „nach den bei diesem Hofe bekanntlich angenommenen Grundsätzen Ansprüche und Widerspruch zu erwarten wären“. Das Ministerium müsse sich zurzeit aus diese wenigen Bemerkungen über das Recht auf Einziehung der Klöster beschränken, halte es indessen für seine Pflicht, nicht unberührt zu lassen, daß der gegenwärtige Zeitpunkt ungeeignet sei für eine Maßregel von ohnehin zweifelhafter Berechtigung, „die einen großen Teil der Landesfinanzen äußerst kränken und beunruhigen würde, weil sie in den Klöstern ihr größtes Vorzugsrecht setzen“. Sodann würde mit dem etwaigen Recht zur Einziehung der Klöster auch die Verbindlichkeit zur Entschädigung aller derjenigen, die ein Recht daran hätten, auf das herzogliche Haus übergehen, und nach der Bewandtnis, die es mit den Landesklöstern habe, sei das Ende einer solchen Entschädigung gar nicht abzusehen, mithin könne der von der Einziehung gehoffte Vorteil nur gering sein. Weiter: die mecklenburgischen Klöster, nach ihrer Bestimmung und Einrichtung, würden das Schicksal der Einziehung, „welches nach dem Geist unseres kameralistischen Zeitalters katholische Klöster treffen mag,“ darum nicht verdienen, „weil sie nur Zufluchtsörter für bejahrte Standespersonen seien, die sich in der Welt wenig Hoffnung auf Versorgung machen können, und dadurch keineswegs dem Staate eine Menge junger Personen entzogen werden, welche ihre Kräfte weit zweckmäßiger verwenden könnten.“ Eine solche Einziehung werde mit den vom Herzog und seinen Vorfahren bisher stets bewiesenen frommen und gnädigen Gesinnungen um so weniger vereinbar sein, da der Herzog sogar das Klöster Rühn, bei dem die Rechte der Stände gar nicht konkurrierten, bisher nicht eingezogen, sondern darüber aus Gnaden disponiert und darauf mehrere Exspektanzen erteilt habe. Endlich sei die Hoffnung noch nicht aufzugeben, daß die Stände ihre Anhänglichkeit an ihren Landesherrn bei den bevorstehenden Staatsausgaben betätigen und dadurch sich die Zufriedenheit des Herzogs erhalten würden, um den sie sich erst kürzlich durch ihr Benehmen bei der Regulierung der Angelegenheit wegen der Nebensteuer verdient gemacht hätten.




22) Erwähnt werden diese Verhandlungen u. a. bei v. Hirschfeld, Von einem deutschen Fürstenhofe Bd. II S. 362 ff.
23) Diese Paragraphen des Reichsdeputationshauptschlusses lauten: § XXXV. Tous les biens des chapitres, abbayes et couvens fondés, tant des anciennes que des nouvelles possessions, tant protestans que catholiques, tant médiats qu'immédiats, dont il n'a pas été formellement fait emploi dans les arrangemens précédens, sont mis à la libre et pleine disposition des Princes territoriaux respectifs, tant pour dépenses du culte, frais d'instruction et autres établissemens d'utilité publique, que pour le soulagement de leur finances . . . § XXXVI. Les chapitres, abbayes et couvens nommément et formellement assignés en indemnité, de même que ceux mis à la disposition des Princes territoriaux, passent à leurs nouveaux possesseurs avec tous leurs biens, droits, capitaux et revenues en quelque lieu qu'ils soient situés, sauf les distractions expresses. (C. Martens, Supplément au recueil des principaux traités etc. tome III p. 301.)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde