Abschnitt 21

So wie die Unterzeichner dieses Aktenstückes, Graf Bassewitz und Brandenstein, dachten freilich nicht alle Mitglieder des Regierungskollegiums. Rudloff unterbreitete dem Ministerium seine zu Papier gebrachten „im äußersten Nothfall vielleicht nicht ganz verwerflichen Gedanken“, in denen er die Frage aufwarf, „ob nicht durch Aufbietung einheimischer Ressourcen dem Mangel eines Fonds zu dem mit der Kuhrwürde verknüpften größeren KostenAufwande abzuhelfen stehen mögte“. „Hierunter verstehe ich“ - führte er aus - „die Einziehung der drei Landesklöster und der Rostockschen mit LandGütern angesessenen geistlichen Stiftungen, deren politische fernere Existenz aus nicht mehrere Begünstigung Ansprache machen noch aus irgend einem Grunde ein besseres Schicksal verlangen kann, als so viele zur Säcularisation izt verurtheilte katholische mittelbare und unmittelbare Domstifter, Klöster und Abteien, und als selbst das protestantische DomKapittel zu Lübeck (versteht sich mit gleichem Vorbehalt einer Abfindung der itzigen Percipientinnen). Anderen Theils würde eine wesentliche Abänderung des Ersten und Zweiten Artikels des LandesVergleichs eventualiter um so unvermeidlicher seyn, je weniger zu den vergrösserten kuhrfürstlichen Bedürfnissen an Garnisons- und Legations-Kosten, auch KammerZielern 24), Reichs- und Kreisprästationen nach dem Kuhrfürstlichen Anschlage, die bisherigen landständischen Beiträge zu diesen StaatsLasten weiter zureichend seyn würden. Zu beiden Operationen kann freilich von Serenissimo nach der bisherigen LandesVerfassung der Antrag directe nicht gemacht werden. Allein durch die Dazwischenkunst Russischer und Preußischer Vermittelung könnte mit eben dem Rechte, womit die ganze ReichsVerfassung ohne Rücksicht auf nachbarliche, auf reichs- und landständische Widersprüche ganzer Curien von ReichsStädten, mittelbarer und unmittelbarer Prälaten, izt so wesentlich verändert wird, auch die Verfassung eines einzelnen ReichsLandes leicht eine, von den veränderten Verhältnissen der Zeiten unzertrennliche Umwandelung in ihren einzelnen Theilen erleiden, wenn dazu die vorsichtige Einleitung gemacht würde, und das Land würde dem ohngeachtet unter der milden Beherrschung seines angestammten RegierHauses eben so glücklich, wo nicht glücklicher seyn können, als zuvor.“

Zwei Monate Später, am 4. November, ließ sich der Herzog wieder vernehmen: „In bezug Auf die Antwort meines Ministerii vom 30. August a. c. [betreffend] die Einziehung der landesKlöster, erwiedere ich demselben, daß ich zwar bisher aus manchen Gründen anstand genommen habe zu Antworten, allein die Annäherung des dießjährigen Landtags macht es mir zur Pflicht meine Aufrichtige Erklärung abzugeben, um meine Schuldigkeit zum besten meines herzoglichen Hauses gethan zu haben, und von aller Verantwortlichkeit frey zu seyn, die ich sonst auf mich laden würde. Die Entscheidung der frage, ob ich Vermöge des neuesten ReichsDeputationsSchlußes § 35. und 36 berechtigt binn, die in meinen Landen befindlichen Klöster, unter Vorschriftsmäßige Bedingungen einzuziehen, ist von der grösten Wichtigkeit für mich und mein Herzogl. Haus. Daher wird mein getreues Ministerium es mit mir gewiß nothwendig finden, daß dieser Wichtige Gegenstand weiter geprüft, und nach allgemeinen, und besonders hiebey eintretenden Rechtlichen Grundsäzen näher erwogen werde, ehe ich mich zu einer final Resolution bestimmen kann. Denn so wehnig ich gemeint binn etwas zu unternehmen, wozu alle rechtliche Befugnisse fehlen, eben so wehnig darf ich mich erlauben (wenn ich mich nicht dereinst denn gerechten Tadel meiner Nachkommenschaft aussezen will) ohne hinlängliche Prüfung eines so wichtigen Gegenstands, als die Befugniß zur Aufhebung der LandesKlöster ist, aufzugeben, da ich wehnigstens zur Zeit noch nicht überzeugt binn, daß solche mich nicht zustehen sollte. Um die Frage, ob ich dazu recht habe, rechtlich zu erörtern, so gebe ich meinen getreuen Ministerio hiedurch auf, wie es bey allen wichtigen Rechtssachen gebräuchlich ist, über diese Sache von einen oder mehreren Auswärtigen und unpartheiischen, im teutschen StaatsRechte gründlich bekannten, akademischen RechtsGelehrten, ein rechtliches Erachten einzufordern, wie auch ebenfals, von solchen Persohnen, welche in meinen Diensten stehen, die bekannt für geschickte, unpartheiische und Rechtschaffene RechtsGelehrte sind. Es muß diesen aber besonders die gröste Verschwiegenheit welche Sie mir ohnehin vermöge ihres Eides schuldig sind auferleget werden. Ich erwarte baldigst, meines getreuen Ministerii Bericht, in wieferne Sie meine Wünsche erfüllet haben. Ich Verlaße mich gänzlich auf meines Ministerii, von jeher bewiesenen treuen DienstEifer und Rechtschaffenheit, daß es meine Wünsche in dieser wichtigen Sache sicher erfüllen wird, da ich nichts mehr und nichts wehniger verlange, als was ein jeder privatMann, in seinen eigenen wichtigen Angelegenheiten, um seinen Entschluß zu bestimmen tuhen würde. Ich binn daher überzeugt, daß mein getreues Ministerium sich diese Wichtige Sache wird bestens Angelegen seyn laßen, und dahin aufs genaueste Sehen, noch zugeben wird, daß bis dahin daß meine final Entschließung erfolget, nichts geschehe woraus Ritter und Landschaft eine Stillschweigende Entsagung meiner Befugniße folgern könnte. Ich erkläre jedoch schon im voraus, daß wenn auch das Rechtliche Erachten, aller zu Rathe zu ziehenden RechtsGelehrten, ganz für mich das Recht die LandesKlöster einzuziehen ausfallen sollte, ich dennoch nach meinen Aufrichtigen und hinlänglich bekannten Gesinnungen zur liebe meines Nächstens, und zum Glücke des Landes, welches Gott mich zu Regieren Anvertrauet hat, von meiner Befugniß nur alle mahl denn schonensten Gebrauch zu machen gedenke, und gerne Vorschläge zu einer billigen Übereinkunft machen werde, wenn solche irgend mit meinem und meines Herzoglichen Hauses Intereße zu vereinbaren seyn werden. Sie müßen Aber denn Umständen anpaßend seyn.“


Unterm 11. November erklärte dann das Ministerium, es müsse auch nach näherer Prüfung auf dem Standpunkt beharren, daß die Landesklöster nicht in die Kategorie der Stifter fielen, die das Los der Aufhebung und Einziehung treffen könne. Als auf dem Reichstage die Einziehung von Mediatstiftern und Klöstern zur Proposition gekommen sei, da habe Kursachsen zuerst seine Stimme dagegen erhoben und unter allgemeinem Beifall erklärt, das dürfe nur auf die zur Säkularisation bestimmten Länder angewandt werden, nicht aber auf die Besitzungen der weltlichen Fürsten, deren landesherrliche Rechte nicht gekränkt werden dürften, am wenigsten aber auf Stiftungen in evangelischen Reichslanden, bei denen ohnehin der Begriff der Säkularisation nicht anwendbar sei und wobei landesherrliche und landständische Gerechtsame einträten. Dementsprechend seien denn auch Stifter in evangelischen Reichsländern nicht zur Entschädigung angewiesen, aus dem Grunde, weil sie schon säkularisiert und nur noch wohltätige Versorgungsanstalten seien und dadurch landständische Gerechtsame gekränkt würden. Mit diesem Grundsatz möge zwar die allgemeine Disposition des § 35 des Deputationsrezesses vielleicht nicht vereinbar scheinen, es stehe aber nicht anders anzunehmen, als daß die in diesem Paragraphen erteilte Erlaubnis nur auf diejenigen Stifter, Abteien und Klöster gegeben werde und anwendlich sei, die sowohl in den alten als in den neuen Besitzungen für Verluste jenseits des Rheins angewiesen worden. Das Ministerium berufe sich in dieser Beziehung auf die Ausführungen des bekannten Staatsrechtslehrers Gaspari in seinem Werke über den Deputationsrezeß 25). Es könne fast mit Gewißheit angenommen werden, daß diese Auslegung von allen evangelischen Fürsten akzeptiert werde, die sich mit dem Herzog in gleicher Lage befänden, da nicht bekannt geworden sei, daß z. B. in Sachsen, Hannover und Holstein auf Einziehung protestantischer Stifter und Klöster irgend Bedacht genommen werde. Indessen sei das Ministerium weit entfernt, dem Herzog diese seine Überzeugung aufdringen zu wollen, da er es vielleicht für befangen halten könne. Er möge daher das Erachten eines von ihm selbst zu bestimmenden unparteiischen, im deutschen Staatsrecht bewanderten akademischen Rechtsgelehrten über die Frage von der landesherrlichen Berechtigung zur Einziehung der Landesklöster einholen. Auf alle Fälle aber möchte das Ministerium bitten, der Anfrage ein Exemplar der Assecuration vom 2. Juli 1572 oder wenigstens eine Abschrift von § 4 derselben sowie des darauf unterm 4. Juli desselben Jahres ausgestellten Reverses und der §§ 121 und 133 des Landesgrundgesetzlichen Erbvergleichs beilegen zu lassen, „weil sonst auch der geschickteste auswärtige Publizist (sehr wahrscheinlich mit diesen relevanten Urkunden nicht bekannt) ein nicht haltbares Votum abgeben könnte“. Hätten mehrere deutsche Reichsfürsten ähnliche Zweifel und Absichten, so werde es am zweckmäßigsten sein, eine authentische Interpretation des § 35 von der Reichstagsversammlung zu erbitten, wozu diese allein berechtigt und imstande sei. Dazu aber allein mit einem solchen Antrage vorzugehen, sei nicht ratsam um der Publizität willen, die der Herzog aus sehr erheblichen und wichtigen Gründen zu vermeiden beabsichtige. Ob und inwieweit landesherrliche Zusicherungen und Verträge der beabsichtigten Ausführung in hiesigen Landen entgegenstehen möchten oder nicht, das werde sodann näher geprüft und erörtert werden können, wenn die Frage der Berechtigung im allgemeinen zuvor außer Zweifel gesetzt sei. Schließlich möge noch bemerkt werden, daß die Anwendung nicht an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden sei und eine stillschweigende Entsagung nicht gefolgert werden könne.




24) Kammerziele hiesen im früheren deutschen Reich die von den Reichsständen zur Unterhaltung für das Reichskammergericht zu steuernden Beiträge
25) Adam Christian Gaspari, Der Deputations-Rezeß mit historischen, geographischen und statistischen Erläuterungen und einer Vergleichungs-Tafel. 2 Bde. Hamburg 1803. Von der vom Ministerium nicht genauer bezeichneten, aber unzweifelhaft gemeinten Stelle (Tl. II S. 276 ff.) hatte es seinem Promemoria „eine leserlich geschriebene Abschrift“ beigefügt, die heute nicht mehr zu den Akten liegt, übrigens kann man Gaspari, der damals Professor am Gymnasium in Oldenburg war, keineswegs als „Staatsrechtslehrer“ ansprechen; eine gewisse Bedeutung für seine Zeit hat er sich erworben als „Popularisator der Erd- und Staatenkunde“. S. Ratzel in der Allg. deutschen Biographie Bd. VIII S. 394

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde