Abschnitt 19

Am 29. November schrieb dann der Herzog von Mecklenburg-Strelitz an den Herzog Friedrich Franz: Aus dem Plan général d'Indemnité der vermittelnden Mächte habe er ersehen, welche Entschädigungen darin für die beiden Kanonikate im Hochstift Straßburg bestimmt und ausgemittelt seien. Die in diesem Plan „zu seiner gerechten Verwunderung gänzlich omittierte und unterlassene Anführung und Bemerkung“ der seinem Hause unstreitig angestammten Mitanrechte an den beiden Dompräbenden habe ihn bestimmt, „die ohnzweifelhaften diesseitigen Rechte auf Mitentschädigung bei der Reichsversammlung zu urgiren und die in jeder Hinsicht begründeten Gerechtsame seines Hauses aufs feierlichste zu verwahren und demzufolge seinem ComitialGesandten aufzugeben, mit einem dazu behufigen Prp Memoria bei der Reichsversammlung in Regensburg aufzutreten“. Da nun in diesem Entschädigungsplan schon im allgemeinen bestimmt sei, daß die Reichsstadt Lübeck die in den mecklenburgischen Landen gelegenen, dem Johanniskloster gehörenden Dörfer und Höfe abtreten solle, zu diesen aber auch die beiden vom Fürstentum Ratzeburg „fast ganz inclavirten“ Dörfer Schattin und Utecht gehörten, so habe er „die Einleitung getroffen, daß bei näherer Interpretation der in dem Entschädigungsplan festgesetzten Bestimmungen, und bei der demnächst bald erfolgenden Erfüllung solcher, auch die vorerwähnten beiden Dorfschaften zu den Entschädigungen gezählt und folglich von Lübeck abgetreten werden möchten“. „Ich halte mich verpflichtet“ - so schließt dieses Schreiben - „Ew. Liebden von den hierunter getroffenen Maaßregeln eine vertrauliche Kenntniß zu geben, und glaube überzeugt seyn zu dürfen, daß Dieselben aus freundvetterlichen Gesinnungen nicht versagen werden, auch durch Dero Comitial-Gesandtschaft die diesseitigen Gerechtsame in vorberegter Sache kräftigst vertreten zu laßen.“ In seiner Antwort vom 14. Dezember erklärte Herzog Friedrich Franz: er könne in dem Verlust der Straßburger Kanonikate eine Veranlassung zu Ansprüchen auf Entschädigung für den Herzog Carl und das mecklenburg-strelitzische Haus nicht finden, gönne aber dem Herzog jeden Zuwachs an Land und Einkünften zu sehr, als daß er Anstand nehmen könne, seinen Komitialgesandten dahin zu instruieren, daß er die Anträge auf Abtretung von Schattin und Utecht „bestmöglichst gehörigen Orts zu unterstützen und zur Gewährung zu empfehlen“ habe.

Inzwischen hatte Herzog Carl bereits eine umfängliche „Darstellung der dem Hohen Herzoglichen Hause Mecklenburg-Strelitz zustehenden Concurrenz bey den dem Gesamt-Hause Mecklenburg im Westphälischen Frieden zugestandenen und zugesicherten zwey Dohmherrnstellen im Hochstift Strasburg, und hierauf rechtlich sich gründende Befugniß des oben genannten hohen RegierHauses, eine genügende mit dem RegierHause Mecklenburg-Schwerin ganz gleiche Entschädigung für diese dem Gesamt-Hause Mecklenburg widerrechtlich entrissenen zwey Strasburgischen Canonicate zu forden“ ausarbeiten lassen, übersandte dieselbe an Plessen und wies ihn unterm 3. Januar 1803 an, „daß ihr fordersamst bey der ReichsDeputation, oder im Fall solche inzwischen ihre Würksamkeit schon geschloßen haben sollte, bey der Reichsversammlung selber, die Mit-Ansprüche Unsers Fürstlichen Hauses auf die zwey Canonicate zu Strasburg, für welche Canonicate dem Hause Mecklenburg-Schwerin nach Ausweisung des Plan général bereits einige Entschädigung zugesprochen worden, kurz und bündig darstellet, und daraus den bestimmten Antrag gründet: daß Uns wegen dieser Mit-Ansprüche entweder noch eine besondere angemeßene Entschädigung, oder aber an derjenigen, welche deshalb bereits für den Herrn Herzog von Mecklenburg-Schwerin ausgesetzet worden, ein näher zu bestimmender Antheil zuerkannt werde.“ Unter demselben Datum wurde Plessen in Kenntnis gesetzt, daß Herzog Carl „das von Unserm Fürstenthum Ratzeburg enclavirte Gebieth der ReichsStadt Lübeck bis an den Fluß Wagnitz, in welchem besonders die beiden Hospital-Dörfer Schattin und Utecht begriffen, als ein schickliches Objekt zu einem Theil der gewünschten Entschädigung . . . ansehe, ... widrigensfalls auch die der ReichsStadt Lübeck zuerkannte Vergütung unverhältnißmäßig groß seyn würde“. Von diesen Schritten machte dann Herzog Carl am 10. Januar dem Herzog Friedrich Franz vertrauliche Mitteilung, obgleich dieser die Strelitzer Mitansprüche „zur Zeit zu verkennen scheine“.


Daraufhin berichtete Plessen am 20. Januar nach Schwerin, daß er die Ansprüche des Herzogs Carl zwar bei der Reichsdeputation einreichen, aber sofort im Namen des Herzogs Friedrich Franz „eine Protestation und Gegenverwahrsam einlegen werde, wodurch hoffentlich allem Nachtheil vorgebeugt wird“; mit der Abfassung dieses Protestes habe er Gumpelzhaimer beauftragt. Da inzwischen die Strelitzer Ansprüche vom Hause Mecklenburg-Schwerin nicht anerkannt würden und noch zuvor einer rechtlichen Untersuchung bedürften, so sei nicht zu befürchten, daß man dem Herzog Carl eine wirkliche Teilnahme an der für den Herzog Friedrich Franz ausgesetzten Entschädigung zugestehen werde und könne. In einer vorläufigen Rücksprache mit den französischen Gesandten und einigen Subdelegierten hätten sich diese dahin geäußert, daß man den Strelitzer Antrag zur gütlichen Vereinbarung zwischen den beiden herzoglichen Häusern verweisen werde. Untern 28. Januar wurde dann Plessen die Zufriedenheit des Herzogs mit seinem Verfahren ausgesprochen und die Frage angeregt, ob nicht dem Herzog Carl, falls sein Wunsch nach Erwerbung der Lübecker Hospitaldörfer nicht mehr zu erfüllen sei, die von ihm nachgesuchte Virilstimme für Stargard verschafft werden könne.

Die von Gumpelzhaimer verfaßte Gegenschrift gegen die Strelitzer Mitansprüche, die „Geschichtliche Prüfung der am 23. Januar bei der hochansehnlichen Reichsdeputation eingelangten sobetitelten ,Darstellung der dem hohen herzoglichen Hause Mecklenburg-Strelitz zustehenden Concurrenz usw.' von Mecklenburg-Schwerinischer Seite angestellt und zur Verwahrung seiner Gerechtsame der hochansehnlichen Reichsdeputation übergeben“ fand den uneingeschränkten Beifall des Ministeriums. „Wir haben“ - so heißt es in dem unterm 11. Februar an Gumpelzhaimer ergangenen Reskript - „die von euch ausgearbeitete . . . Geschichtliche Prüfung . . . den Umständen so angemessen, die vorgetragenen Gründe so stringent und die Sprache den Verhältnissen der beiderseitigen Hauser so anpassend gefunden, daß Wir euch hiedurch Unser besonderes höchstes Wohlgefallen über diesen neuen Beweis eurer Einsichten und eures regen Eifers für die Aufrechthaltung Unserer Gerechtsame bezeugen.“ Die Schrift scheint denn auch ihren Eindruck nicht verfehlt zu haben, denn am 3. Februar berichtete Plessen nach Schwerin über „den in der eben beendigten Deputationssitzung über die Strelitzsche Reklamation und die dießeitige Verwahrung gefaßten Beschluß“ folgendermaßen: „Auf den Antrag des Directorii darüber äußerte der Graf Goertz den Wunsch, es möchte diese Sache denen vermittelnden Mächten zu ihrer Erinnerung mitgeteilt werden. Die übrigen Subdelegirten aber waren der Meinung, daß, da man die Entschädigung für die beiden Canonicate einmal erklecklich befunden, beide Höfe sich entweder mit einander darüber vereinigen, oder Mecklenburg-Strelitz seinen widerspochenen Antheil coram judice competente geltend zu machen suchen solle. Dies ist der ungefähre Inhalt, welcher mir nach einer schnellen Durchlesung erinnerlich geblieben. Nach meinem unterthänigsten Dafürhalten werden Ew. Herzogliche Durchlaucht mit diesem Beschluße um so zufriedener seyn können, als dadurch alles in statu quo gelaßen, und durch eine schnelle Verwahrsam behindert ist, daß nicht etwa eine Clausul zur Abfindung in den HauptReceß hineingekommen. Der eigentliche Punkt des Rechtes gehörte ohnedem gar nicht vor die Deputation.“

Einen Anteil an der Entschädigung für die Straßburger Kanonikate hat also Mecklenburg-Strelitz nicht bekommen und auch nicht die beiden Lübecker Hospitaldörfer. Dagegen erhielt es im Reichsdeputationshauptschluß für Stargard die ihm bisher mangelnde Virilstimme im Reichsfürstenrat. -

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde