Abschnitt 15

Daraufhin ließ der Herzog dem Ministerium durch den Erbprinzen erklären, er werde die Kurwürde allenfalls auch ohne Gebietszuwachs annehmen, und Plessen wurde beauftragt, Bühler zu ersuchen, daß er „die Churwürde für Unser Herzogliches Haus, der höchsten Absicht des Kaysers von Rußland gemäß, nachsuche und deshalb die erforderliche Einleitung mache“. Der Benachrichtigung an das Ministerium, daß er die Weisung an Plessen am 26. März mit Estaffette abgesandt habe, fügte der Herzog dann noch hinzu: „Ich habe diesen Entschluß endlich nach vielfacher Prüfung und Erwegung doch fassen müssen, in dem die Vortheile für das beste und die Aufrechterhaltung des Hauses, zu lezt bey mir Überwiegender wurden, Als diejenigen Gründe, die Gewiß sehr triftig dagegen sind, wo von mein Sohn das beste Zeuchniß ablegen kann. Indeßen da mein HofStaat groß genung ist, und das Militair so lange wie keine außerordentliche Einnahme sich zeigen sollte, auf dem jeztigen Fuß durchaus bleiben soll, so hat auch dieß meinen Entschluß befestigt. Dieß Militair kann vieleicht eine andere Dislocation ohne erhöhung der Ausgabe doch leiden. Ich schreibe dieß mit willen damit mann nicht vieleicht Über mir, da ich sehr das Militair liebe im publico Ausstreuen könne daß Nun eine Vermehrung der Truppen entstehen Würde. Ihrer beyden fernern Sorgfallt und treuen berathschlagung trage ich auch hiedurch für die Zukunft daß Wohl meines Hauses und Vaterlandes Aufs neue auf. Ich werde auch in dem neuen Stande derjenige bleiben, der ich stets bisher gewesen, und Unterstüzt durch ihren stets Aufrichtig gemeinten Rath, das beste und die Wohlfarth meines landes zu befördern helfen.“ Daß er nunmehr die Kurwürde anzunehmen entschlossen sei, teilte dann der Herzog sowohl dem Herzog von Mecklenburg-Strelitz als auch dem König Friedrich Wilhelm mit und bat letzteren, den Grafen Goertz anzuweisen, daß er gemeinsam mit Bühler die erforderlichen Schritte tue. In diesen Tagen traf denn auch Markofs Antwort auf den Brief des Erbprinzen ein. Er bestätigte, was man schon wußte, daß es für Anträge auf Gebietsvergrößerungen zu spät sei; was hingegen die Kurwürde anlange, so habe er die erforderlichen Schritte bei der französischen Regierung getan, damit diese Laforest in Regensburg beauftrage, sich genau den Maßregeln anzuschließen, die von russischer Seite in dieser Sache ergriffen werden sollten. Der Erbprinz antwortete und erbat Markofs weitere Bemühungen in Sachen der Kurwürde; er schrieb auf Plessens vom Herzog gebilligten Vorschlag in demselben Sinne auch an Bühler und an den russischen Gesandten in Wien, den Grafen Rasumowski.

Am 19. April antwortete König Friedrich Wilhelm. Er verhieß dem Herzoge seine tatkräftige Unterstützung, sprach aber im übrigen sein Bedauern aus, daß dessen endgültige Entschließung nicht schon früher erfolgt sei, denn im gegenwärtigen Moment - so fürchte er - werde man am Wiener Hofe auf Widerstand stoßen. Ähnliche Besorgnisse hatte, wie aus Plessens Bericht vom 4. April hervorgeht, Graf Goertz schon vor einiger Zeit geäußert: er hatte gemeint, daß „gerade vonseiten des kaiserlichen Hofes der Konferierung der Kurwürde noch eine Schwierigkeit im Wege stehe, welche leicht in ein wirkliches Hindernis ausarten könne“. Denn der Kaiser verlange zur Parität der Konfessionen im Kurfürstenkollegium noch immer, daß auch der Hoch- und Deutschmeister zum Kurfürsten erhoben werde; das aber könnten Frankreich und besonders Preußen nicht zugeben, weil alsdann drei Brüder aus dem Erzhause Österreich im Kurkollegium säßen. Plessen berichtet dann weiter, er sei mit Bühler dahin übereingekommen, daß dieser im Namen des Kaisers von Rußland bei der Reichsversammlung „als Preis für seine Bemühungen um die gegenwärtige und zukünftige Wohlfahrt des Reichs“ die Kurwürde für den Herzog fordern solle, und diese Forderung werde wohl so leicht keinem Widerspruch ausgesetzt sein. Auch der französische Gesandte sei angewiesen, den Wünschen des russischen Hofes in dieser Hinsicht beizutreten, und Plessen werde Laforest ersuchen, den russischen Antrag durch eine eigene Note zu unterstützen. Und das alles solle sofort geschehen, sobald die am 25. Februar abgeschlossenen und am 24. März von der Reichsversammlung genehmigten Beschlüsse der Reichsfriedensdeputation auch vom Kaiser ratifiziert seien. Dabei sei aber vorausgesetzt, daß auch vonseiten des Herzogs die erforderlichen Schritte getan würden, die in besonderen Anschreiben an den Kaiser und die einzelnen Kurfürsten und in der Abordnung eines Spezialgesandten an den kaiserlichen Hof zur weiteren Nachsuchung beständen. Demgemäß wurden denn in Schwerin ungesäumt die Anschreiben, mit deren Abfassung Rudloff beauftragt worden war, ausgefertigt und Plessen für die Mission nach Wien bestimmt, „da es ihm“ - wie es in dem Promemoria des Ministeriums vom 15. April heißt -“am leichtesten sein wird, sich von Regensburg aus mit den erforderlichen Empfehlungen zu versehen und Nachrichten von demjenigen zu erhalten, was dabei zu beobachten sein möchte, auch die Kosten der Mission dadurch beträchtlich werden verringert werden.“ -


Am 27. April war das kaiserliche Ratifikationsdekret erfolgt, und Plessen hatte, wie er unterm 28. berichtete, alsbald Bühler und Laforest gebeten, nunmehr mit ihren ofiziellen Anträgen vorzugehen. Bühler hatte, „obgleich nur unter etlichen Bedenklichkeiten“, wie Plessen hervorhebt, versprochen, seinen Vortrag womöglich bis zum 2. Mai zu machen; Laforest war „wegen der dabei zu gebrauchenden Formen und Wendungen“ in Verlegenheit gewesen, hatte übrigens Plessen vor der Doppelzüngigkeit des Wiener Ministeriums gewarnt und erklärt, daß er gegen die Politik des österreichischen Kabinetts das äußerste Mißtrauen hege. Plessen hatte dann auch den kaiserlichen Gesandten Baron v. Hügel aufgesucht und von ihm eine sehr gewundene Erklärung erhalten, der er aber doch die günstigste Deutung geben wollte; „ich rechne“ - wie er schrieb - „am meisten darauf, daß man in Wien Bedenken tragen wird, dem Rußischen Kaiser eine begehrte persönliche Gefälligkeit zu verweigern oder zu erschweren.“ Das klang alles nicht sehr erfreulich und das Ministerium in Schwerin beschloß demgemäß, mit der Datierung der bereits ausgefertigten Schreiben an den Kaiser und die Kurfürsten bis zum Eingange von Plessens nächstem Bericht zu warten. Dieser vom 5. Mai datierte und durch Estaffette nach Schwerin beförderte Bericht enthielt dann aber die Mitteilung, daß die russische wie die französische Note, von denen Abschriften beigefügt waren, der Reichsversammlung noch an diesem Tage würden übergeben werden. „In der Rußischen Note“ - so besagt der Bericht dann weiter - „wird unter Beziehung auf die von Sr. Kaiserlichen Majestät dem teutschen Reiche bewiesene Fürsorge zum Preis Dero Bemühungen begehret: daß dem herzoglichen Hause Mecklenburg, zu welchem der Kaiser eine besondere Zuneigung hätte, die kurfürstliche Würde nebst den damit verbundenen Vortheilen zugestanden werde. Diesen bemerkten Zusatz hat Herr von Bühler auf meinen Wunsch eingerückt, weil in dem Hauptschluße denen neuen Kurfürsten das Privilegium de non appellando gleichfalls ausdrücklich beygelegt worden, und man ferner späterhin sich wegen der Beybehaltung eines gleichen Ranges etwa auch auf diesen Vorbehalt beziehen könnte, da es nicht gerathen war, desselben schon gegenwärtig zu gedenken, um nicht durch einen so veranlaßten Widerspruch der neuen Kurfürsten die Ausführung schwieriger zu machen. Der Vorschlag ist ferner auf das Gesammthaus der Herzoge von Mecklenburg gerichtet, denn bekanntlich ruhet die Kurwürde nur auf der Familien-Branche des ersten Acquirenten und gehet, wenn selbige nicht ausdrücklich auf den gesammten Familien-Stamm ausgedehnt ist, selbst mit der Erbfolge in die Länder nicht auf andere Linien über . . . . Am Ende heißt es noch in dieser Note, daß die vermittelnden Mächte dem Chef des herzoglichen Hauses Mecklenburg-Schwerin die Erfüllung dieses gegenwärtigen Antrags durch ihre Verwendung zusicherten, sobald HöchstDieselben die nach den Gesetzen und Gebrauch erforderlichen Schritte dieserhalb machen würden.“ Plessen bezeichnet es dann als unerläßlich, daß „unverzüglich“ besondere Ansuchungsschreiben an den Kaiser, sämtliche alte und neue Kurfürsten und vorerst an die vorzüglichsten altfürstlichen Häuser, dann aber auch an sämtliche neufürstliche Mitglieder des Reichsfürstenrates wegen der Einwilligung und Zustimmung zu richten seien mit dem angefügten Verlangen: „daß selbige ihre Comitial-Gesandtschaften dahin instruiren möchten: daß Sie bey der über diesen Gegenstand nächstens vorzunehmenden Deliberation ihre beyfällige Erklärungen abgäben, ohne darüber ein besonderes Protocoll zu eröfnen.“ „Wann nun bey morgenden Reichsrath“ - so fährt Plessen fort - „gedachte zwey Noten in Proposition kommen, so werde ich durch eine mündliche Erklärung denen vermittelnden Mächten meine Dankbezeugung für ihre wohlwollende Fürsprache machen, sämmtlichen kur- und fürstlichen Gesandtschaften den Inhalt bestens empfehlen und mich bemühen, daß die Noten durch ein gemeinschaftliches Conclusum aller dreyer Collegien zur officiellen Mittheilung von Reichswegen an Kaiserliche Majestät gebracht werden. Auf diese Art wäre die Sache dann vorerst eingeleitet.“ Der Antrag Plessens betreffend die Ansuchungsschreiben stieß aber in Schwerin auf Widerspruch; das Ministerium meinte und fand dafür die Zustimmung des Herzogs, daß zwar die Schreiben an den Kaiser und die alten Kurfürsten sofort zu expedieren seien, mit denen an die neuen Kurfürsten aber so lange zu warten sei, bis sie ihre Erhebung notifiziert hätten, und bis dies geschehen sei, auch die Schreiben an die übrigen fürstlichen Häuser zurückbehalten werden könnten. Plessen erhielt aber nunmehr den Befehl, zunächst Bühler und Laforest Tabatieren mit Brillanten und dem Namenszuge des Herzogs zu überreichen und sich dann, ausgerüstet mit Creditiv und herzoglichem Handschreiben an den Kaiser und Empfehlungsschreiben an den Reichsvizekanzler Grafen Colloredo, an den Staatsvizekanzler Grafen Cobenzl und an den russischen Gesandten Grafen Rasumowski auf den Weg nach Wien zu machen, wo er am 29. Mai anlangte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde