Abschnitt 14

Indessen scheinen dem Ministerium doch allmählich starke Zweifel gekommen zu sein, ob die vom Herzog gewünschte Vergrößerung von Land und Leuten, von der er noch immer die Annahme der Kurwürde abhängig machen wollte, durchzusetzen sei, und so lenkte es seinen Blick auf einige andere für Mecklenburg vorteilhafte Dinge, die einen gewissen Ersatz für die Rangerhöhung bilden konnten. In einem Promemoria vom 19 Februar wird ausgeführt, ob nicht vielleicht darauf Bedacht zu nehmen sei, durch russische Vermittlung dem herzoglichen Gesamthause das ihm im XV. Artikel des Teschener Friedensschlusses vom 13. Mai 1779 14) zugesicherte Privilegium de non appellando illimitatum zu verschaffen, „welches sonst eine Folge der Erhebung in den Churfürsten-Stand seyn würde“, und sodann den günstigen Zeitpunkt, „wo andere altfürstliche Häuser sich mehrere Stimmen aus dem Reichstage verschafft haben,“ dahin zu benutzen, daß dem herzoglichen Hause eine neue Stimme wegen der Herrschaft Rostock beigelegt werde. 15) Diese Vorschläge fanden den vollen Beifall des Herzogs. „Denn erhalten Wir obiges“ - antwortete er am 22. Februar - „so haben Wir doch die reellen Vorzüge der Churwürde, ohne die großen Beschwehrlichkeiten davon zu tragen.“ Daraufhin erging noch demselben Tage die betreffende Weisung an Plessen, deren Eingang allerdings noch dahin lautete: „Sollte wider alles Erwarten Unsere Hoffnung fehlschlagen, durch Russisch Kayserliche Vermittelung eine solche Vergrößerung Unserer Lande zu bewürken, welche es Uns unbedenklich machen kann, Uns um die Churwürde zu bewerben: so usw.“

Wenige Tage nachdem Plessen über den Rheinzoll und die niedermünsterschen Ämter nach Schwerin berichtet hatte, sandte in derselben Sache auch Gumpelzhaimer einen Bericht. Er bedauerte, daß die Erwerbung des Amtes Neuhaus durch die Anweisung auf den Rheinzoll von dieser Seite vernichtet sei, meinte aber, die Sache lasse sich wohl noch auf andere Weise machen, „wenn von Petersburg aus in Paris eine gewünschte Bevorziehung des Herzogs zu erkennen gegeben werde.“ Zwar sollten ja dem Herzog von Oldenburg neben dem Fortbestehen des Elsflether Zolles noch ein oder zwei Ämter, nämlich Kloppenburg oder Vechta oder auch alle beide beigelegt werden, aber das hannoversche Amt Wildeshausen bleibe dann, allein oder mit einem jener beiden Ämter, zur weiteren Verfügung, und Gumpelzhaimer wisse „aus sehr guter geheimer Quelle“, daß die vermittelnden Mächte es nicht an Hannover zurückkommen lassen wollten. Wenn nun Alopeus oder Markof instruiert würden oder bewogen werden könnten, das was von den Ämtern übrig bleibe, für den Herzog zu verlangen, so werde zweifellos der Erste Konsul „in seiner Einwilligung dazu gerne einen neuen Beweis seiner Hochachtung gegen den Russischen Monarchen ablegen“. „Würde man herzoglicher Seits“ - so schloß Gumpelzhaimer - „diese Idee etwa dadurch erleichtern wollen, daß, indem man diese Acquisitionen zu Austauschung des Amtes Neuhaus zu wünschen erklärte und dagegen ein Anerbieten zur Übernahme einer Rente für die Reichsgrafen machte, so schiene mir die Ausführung dieser Idee um so mehr möglich, da am Ende vielleicht ein solches Auskunftsmittel getroffen und dem Herrn Herzog von Oldenburg alle jene Aemter gegen Übernahme einer solchen Rente noch allein zuerkannt werden dürften.“


Dieses Schreiben fand im Ministerium nicht ungeteilte Zustimmung. Zwar Graf Bassewitz „wünschte, daß der durchlauchtigste Erbprinz sich zu entschließen geruhen mögten, diesen Plan, der Serenissimi bisherigen Wünschen und Absichten gantz entspricht, dem Herrn von Alopäus, vielleicht auch dem Herrn von Markoff, brieflich zur Unterstützung zu empfehlen“. Brandenstein dagegen votierte: „Mir scheint dieß theils etwas zu künstlich zu seyn, theils noch zu sehr bloß in den sanguinischen Hoffnungen des vom treuesten DienstEifer beseelten Referenten zu liegen; ein Schreiben an die Gesandten halte ich nicht von großer Wirkung, und von dem einen glaube ich, daß er zu sehr im Interesse des Herzogs von Oldenburg ist. Ich möchte fast am liebsten, daß wir uns noch ruhig verhielten, und alles auf den Kayser ankommen ließen.“ Aber die Ansicht des Grafen Bassewitz drang durch, und der Erbprinz ließ sich bereit finden, sowohl an Alopeus in Berlin als auch an Markof in Paris zu schreiben, und zwar wegen der Kurwürde und wegen der niedermünster-schon Ämter. Ob freilich dieses Schreiben einen Erfolg haben würde, mußte zweifelhaft erscheinen, denn die sehnlichst erwartete Antwort aus Petersburg blieb nach wie vor aus, und am 28. Februar teilte Plessen mit, es sei zwar eben ein Kurier aus Petersburg gekommen, aber Bühler habe ihn auf Ehrenwort versichert, daß er keine Anweisung erhalten habe, für den Herzog eine Acquisition oder sonstige Vorteile nachzusuchen, und daß seines Wissens derartige Aufträge auch nicht nach Paris ergangen seien. Plessens Meinung ging nun dahin, daß unter diesen Umständen Unterhandlungen in Regensburg ganz nutzlos seien und vielleicht nur in Paris unmittelbar bei der französischen Regierung noch zweckdienlich betrieben werden könnten. Auch in seinem nächsten Bericht vom 10. März empfahl er direkte Verhandlungen in Paris; dort, und zwar dort ausschließlich, werde gegenwärtig die Angelegenheit des Elsflether Zolls betrieben und nach Bühlers Äußerungen werde der Herzog von Oldenburg wahrscheinlich alle drei Ämter bekommen. Und am 14. März meldete er: es sei gar keine Aussicht mehr auf Erlangung eines der niedermünsterschen Ämter vorhanden, denn auf anhaltendes Bemühen des Grafen Markof habe die französische Regierung die Übertragung derselben an den Herzog von Oldenburg zugestanden, und bei der dermaligen Lage der Dinge werde sich schwerlich ein Gegenstand auffinden lassen, der für den Herzog in Anspruch genommen werden könnte; er erbitte nun weitere Verhaltungsmaßregeln wegen der Kurwürde.




14) Der Art. XV lautet: Finalement, Sa Majesté l'Impératrice-Reine interposera volontiers, conjointement avec Sa Majesté Prussienne, ses bons offices auprès de Sa Majesté l'Empereur, pour le porter à accorder à la Maison Ducale de Mecklembourg le privilège de non appellando illimité, lorsqu'elle l'aura demandé selon l'usage. Dies Privileg der uneingeschränkten Befreiung von der Appellation an die Reichsgerichte sollte eine Entschädigung sein für die Nichtbefriedigung der nach Aussterben der männlichen Linie des kurfürstlich bayerischen Hauses 1777 mecklenburgischerseits erhobenen Ansprüche auf die Landgrafschaft Leuchtenberg, auf die Kaiser Maximilian I. im Jahre 1502 dem Herzog Heinrich V. dem Friedfertigen eine Anwartschaft erteilt hatte. Dieses Privilegium aber ist niemals expediert worden, denn schon am 12. April legten die Ritterschaft und die Stadt Rostock Protest dagegen ein und übergaben, als der Kaiser am 8. August die Sache an die Reichsversammlung gelangen ließ und ein Gutachten forderte, am 30. Oktober bezw. 2. November eine anderweitige Darlegung ihrer Widersprüche. Allein am 11. April 1781 erfolgte im Reichshofrat ein Konklusum: das Gesuch und „die Appellation der Ritterschaft und der Stadt Rostock findet nicht anders statt als in den Beschwerden über das Verfahren der Landesherren“. Herzog Friedrich veranstaltete darauf einen Konvokationstag zur Einrichtung des Oberappellationsgerichts, dessen Verhandlungen aber trotz weitgehender Konzessionen der Regierung namentlich an die Ritterschaft ergebnislos blieben, und als am 12. Februar 1785 der Reichshofrat das Konklusum vom Jahre 1781 bestätigte, ergriff die Ritterschaft das Rechtsmittel der Revision der Akten, die aber ungeachtet eines vom Herzog Friedrich Franz bei Gelegenheit des Wahlkonvents in Frankfurt 1790 erbetenen und wirklich erlassenen empfehlenden kurfürstlichen Kollegialschreibens an den Kaiser nicht vorgenommen ist. S. darüber Hagemeister, Versuch einer Einleitung in das Mecklenburgische Staatsrecht S. 134 ff. und Aepinus, Die Geschichte von Mecklenburg Bd. III S. 359 f.
15) Mecklenburg-Schwerin hatte auf dem Reichstage zwei Stimmen: eine vom Herzogtum Schwerin und eine vom Herzogtum Güstrow. S. Hagemeister a. a. O. S. 307 f.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde