Abschnitt 16

Schon am 1. Juni wurde er vom Kaiser in Audienz empfangen, worüber er am 4. berichtete: „In dieser bestimmten Audienz hatte ich das Glück Sr. Kaiserl. Majestät die Allerhöchsten Schreiben von Ew. Herzogl. Durchlaucht in allertiefester Verehrung mit einer kurzen Anrede über den Gegenstand derselben und dessen Gewährung aus Reichs-Oberhauptlicher Gnaden-Verfügung zu überreichen. Se. Majestät geruhte sich ungefähr dahin zu äußern, daß Ihnen die Sache schon bekannt sey, Sie würden sehen was Sie dabey thun könnten, hofften daß Ew Herzogliche Durchlaucht zufrieden gestellt werden könnten, und zuletzt setzten Sie hinzu: Sie würden suchen mir den hiesigen Aufenthalt angenehm zu machen. Womit die Audienz beendet war. Aus diesen vorläufigen Allerhöchsten Aeußerungen darf man wohl auf eine günstige Berücksichtigung des erwähnten Ansuchen hoffen.“ Im übrigen rühmt Plessen das Entgegenkommen der Chefs der Reichs- und der Staatskanzlei, zweier Behörden, mit denen er zugleich zu verhandeln habe, die aber beständig auf gespanntem Fuße ständen, weshalb es großer Vorsicht bedürfe, es mit keiner zu verderben. Bestimmte Versprechen habe er zwar von keinem der Herren erhalten, aber die Zusicherung, man werde sich dem Herzog gern gefällig zeigen, und dergleichen Äußerungen Seien für den ersten Antrag genügend. Auf das von Plessen vorgebrachte Argument, daß das Haus Mecklenburg mit dreien der neuernannten Kurfürsten in gleicher Kategorie Stehe und daher billigerweise auch mit ihnen in gleichem Range erhalten Werden müsse, habe Colloredo allerdings erwidert, dieser Grund Sei nicht ausreichend, denn er würde alle noch übrigen alternierenden Häuser 16) zu gleicher Forderung berechtigen. Und wirklich habe neuerdings Hessen-Darmstadt unter Berufung auf den für Mecklenburg gemachten Antrag um die Kurwürde gebeten, dieses Gesuch sei aber sofort abgewiesen. Wohl aber habe man in Wien den Wunsch, dem Hoch- und Deutschmeister Erzherzog Karl zu gleicher Zeit die Kurwürde zu verleihen. Indessen würden, wie Plessen schon früher bemerkt hatte und hier wiederholt, weder Frankreich noch Preußen das zugestehen. Der Kaiser habe aber beim russischen Hofe angefragt, wie man dort über die Ernennung des Hoch- und Deutschmeisters zum Kurfürsten denke, und die Antwort werde in etwa drei Wochen erwartet; bevor sie eingelaufen sei, werde - so berichtet dann Plessen am 8. Juni - auch über die mecklenburgische Sache keinerlei Bestimmung getroffen werden. Unter diesen Umständen erhielt er den Befehl, einstweilen nach Regensburg zurückzukehren. Trotzdem blieb Plessen bis in den August hinein in Wien und hatte zunächst Gelegenheit gehabt, zu erkunden: Einmal, daß von dem neuen Kurfürsten von Württemberg an Kosten für die Erhebung zur Kurwürde gegen 150 000 Gulden gefordert würden, daß dieser sich aber weigere, mehr als 60 000 Gulden zu zahlen. Sodann, daß der Herzog bei der Nachsuchung um die Kurwürde noch viele Mitbewerber bekommen habe; unter andern habe der König von Schweden in Regensburg erklären lassen, daß, wenn Mecklenburg zur Kur erhoben werde, er dasselbe für Schwedisch-Pommern verlange; für den Fall, daß ihm das zugestanden werde, erhebe Dänemark den gleichen Anspruch; sollte aber außer Mecklenburg noch irgend ein anderes fürstliches Haus für die Kurwürde in Vorschlag kommen, so werde sofort Preußen mit der gleichen Forderung für Oranien erscheinen. Drittens: in dem Begehren des Herzogs, eine dritte Stimme im Reichsfürstenrat beigelegt zu erhalten, werde der Kaiser wahrscheinlich „nur eine gegen seine Wünsche aufgestellte Schwierigkeit erblicken“. Schließlich: die mecklenburgischen Landstände hätten ihren Agenten in Wien beauftragt, „dafür zu sorgen und alle Wege einzuschlagen, daß bei einer Kurerhebung des herzoglichen Hauses ihren hergebrachten Privilegien kein Eintrag geschehe.“

Im übrigen klagte Plessen noch am 27. Juli, daß die Antwort des russischen Hofes in der Kurangelegenheit noch immer nicht eingetroffen sei, und daß das kaiserliche Ministerium in Wien der Sache die mannigfachsten Schwierigkeiten und Verzögerungen entgegenzustellen nicht müde werde. Deutlicher spricht er sich in seinem Bericht vom 3. August aus, den er durch einen Kurier sandte, um ihn „gegen jede nur zu wahrscheinliche Entweihung von fremder Hand völlig sicher zu stellen, weil sonsten die Vermuthung, daß er auf den jedesmaligen Posten der verschiedenen Länder eröfnet werden mögte, leider nur zu gewiß vorhanden ist“. In diesem Bericht nun sagt Plessen, er habe an verschiedenen Anzeichen gemerkt, daß der kaiserliche Hof neben der eingestandenen Bedingung, daß gleichzeitig mit dem Hause Mecklenburg auch der Hoch- und Deutschmeister zur Kurwürde erhoben werden müsse, in Petersburg im geheimen noch eine zweite gestellt habe, dahin gehend, daß Mecklenburg sich verpflichten solle, bei der nächsten Kaiserwahl seine Stimme im Kurkollegium nur dem Erbfolger in den österreichischen Staaten zu geben, und man wolle in Wien erst die Äußerung des russischen Hofes über diesen Punkt erwarten, bevor man sich Mecklenburg gegenüber erkläre. Bei einer Konferenz mit Cobenzl habe dieser das auch eingeräumt und hinzugefügt, für die Erteilung der Kurwürde an Mecklenburg sei diese in aller Form abzugebende, aber geheim zu haltende Erklärung eine conditio sine qua non. Dagegen lasse sich - meint Plessen - sachlich wohl nichts einwenden; es sei dem Hause Habsburg nicht zu verdenken, wenn es, so wenig reelle Vorteile auch mit der Kaiserkrone verbunden seien, sie sich doch zu erhalten bestrebt sei, und es sei gewiß nicht unbillig, wenn der Kaiser ein Recht, welches er einem Reichsstande erteile, nicht gleich bei der ersten Anwendung gegen sich selbst benutzt sehen wolle. Aber eine solche Verpflichtung widerstreite doch dem Wortlaute wie dem Sinne nach der ausdrücklichen Bestimmung der Goldenen Bulle Karls IV. von 1356, in der es heiße, daß die Wahl eines römischen Kaisers frei und lediglich nach dem besten Verständnis der Kurfürsten zu geschehen habe. In demselben Bericht wird dann beiläufig gesagt: das Dekret zur gemeinschaftlichen Introduktion der neuen Kurfürsten von Württemberg, Baden, Hessen-Cassel und Salzburg sei bereits ausgefertigt und werde demnächst in Regensburg eintreffen. Baden habe sich zur Zahlung von 70 000 Gulden verpflichtet, Hessen-Cassel aber noch keinen Vorschlag zu irgend einer Zahlung gemacht und man vermute, daß es nach der Introduktion mit einem ganz geringfügigen Gebot erscheinen werde. Im nächsten Bericht vom 9. August heißt es dann, Hessen habe 50 000 Gulden geboten, werde wohl noch etwas zulegen müssen, aber allemal weniger zahlen wollen als Württemberg und Baden.


Aber das war nur eine Nebensache. Im übrigen war dieser Bericht vom 9. wichtig genug, denn er enthielt die Mitteilung, daß endlich die Antwort auf die Anfrage in Petersburg eingetroffen sei und daß sie die vom Deutschen Kaiser vorgeschlagene Bedingung einer bei der nächsten Kaiserwahl für Österreich abzugebenden Stimme rundweg ablehne. In dieser von dem Gesandtschaftsrat v. Anstett in Vertretung des beurlaubten Grafen Rasumowski übergebenen und Plessen abschriftlich mitgeteilten russischen Note war gesagt: die Goldene Bulle lasse nur eine unbeschränkte Wahlfreiheit zu; eine im Widerspruch damit eingegangene Verpflichtung könne, wenn sie bekannt würde, dem Erzhause Österreich nur nachteilig werden und bei den anderen Reichsfürsten geradezu eine Vereinigung gegen dasselbe bewirken, während ohne diese Verbindlichkeit die einfache Dankbarkeit viel sicherer zum Ziele führen würde, der Kaiser von Rußland werde in der Erhebung des Hauses Mecklenburg zur Kurwürde einen neuen Beweis der Freundschaft und Gefälligkeit erblicken und erhoffe daher die ungesäumte Ausfertigung des betreffenden Kommissionsdekrets.




16) Die alternierenden Häuser in bezug aus den Abstimmungsturnus im Reichsfürstenrat waren die sechs Fürstentümer Pommern, Mecklenburg, Württemberg, Hessen, Baden und Holstein

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde