Lebenslauf der mecklenburgischen Autorin Sophie Kloerss
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Deutschhausstr. 27
35037 Marburg
22.02.1999
Landeshauptarchiv Schwerin
Graf - Schack-Allee 2
19055 Schwerin
Mit der Bitte um Weiterleitung, an die Stelle, die dafür
zuständig ist!!
Lebenslauf der mecklenburgischen Autorin Sophie KLOERSS
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich erfuhr vor einiger Zeit, dass man nähere Angaben über
das Leben meiner Mutter, der Autorin Sophie Kloerss, gerne
erfahren würde. Ich füge daher diesem Schreiben eine Reihe
von Blättern bei, die Ihnen vielleicht darüber einiges erzählen können. Ich weiß nicht, was Ihnen vorliegt, aber vielleicht entnehmen Sie dem beiliegenden Schreiben etwas mehr als Ihnen schon bekannt ist.
Ich bin die einzige noch lebende Tochter von ihren sechs Kindern und wohl die einzige, die Ihnen darüber noch weitere Auskunft geben kann. Ich selbst bin in meinem 100. Lebensjahr und mit mir stirbt unser Familienzweig ohne Nachkommen aus. Sollten Sie noch irgendwelche Fragen haben, müssten Sie sich also damit beeilen.
Mit besten Grüßen
H. Kloerss
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Sie fragen nach einem Lebenslauf der Autorin Sophie Kloerss, meiner Mutter, und ich schreibe Ihnen in Briefform einen Lebenslauf, der auch ihr Umfeld berücksichtigt, das sehr wichtig ist. Sie können dann aus meinen Informationen das entnehmen, was Ihnen wichtig ist.
Sophie Julie Wilhelmine Kessler, Geburtsdatum 5. Januar 1866, gestorben am 31. Januar 1927, war die Tochter des Großkaufmanns Heinrich Wilhelm Kessler, Mitinhaber der Hamburger Importfirma „Zipperling, Kessler & Co.“ (geb. 17. Juli 1819, gest. 24. April 1871) und von Sophie Elisabeth Johanna Kessler, geborene Dittmer (Tochter des Pastoren in Rahlstedt, geb. am 28.02.1827, gest. am 1. Juli 1872). Meine Mutter war mit 6 Jahren Vollweisen, ebenso wie ihre fünf Geschwister, Ludwig, Agnes, Auguste, Ernst und Hans.
Damals wurde man mit 21 Jahren mündig, so dass die Geschwister also einen Vormund erhielten. Vormund wurde der Vater des Universitätsprofessors Nonne in Hamburg. Ludwig, der älteste Bruder, wurde Kaufmann wie sein Vater und ging nach Hamburger Sitte für einige Jahre ins Ausland und zwar überraschenderweise nach Amerika, was damals noch selten war, wegen eines Duelle, das damals — soviel ich weiß — vom Kaiser Verboten war. Agnes, elf Jahre älter als Sophie Kessler, und Augusts, sieben Jahre älter als ihre Schwester Sophie, heirateten sehr früh die beiden Brüder Martini aus Mecklenburg. Eine sehr geachtete Familie in Mecklenburg. Der Bruder Ernst lebte in einem Sanatorium in Schwerin/Mecklenburg. Ich habe ihn einmal als Kind mit meiner Mutter besucht: Er war ein sehr freundlicher alter Herr; hatte ein sehr schönes großes Zimmer, war sehr sorgfältig angezogen und machte auf mich als Kind einen freundlichen Eindruck. Hans, der jüngste Bruder wurde Ingenieur, und der Vormund Nonne gab ihn in eine Pension in Mecklenburg ins Gymnasium, damit er nicht nur unter Frauen aufwuchs.
Der Vormund bestimmte als Familienvorstand die Großmutter Dittmer, für die in Wandsbek ein Haus gebaut wurde, da sie nicht in einer Mietwohnung wohnen wollte. Mit ihr kamen auch ihre älteste, unverheiratete Tochter mit in die Familie. Diese Tochter war in der ganzen Familie als eine sehr sittenstrenge Dame gefürchtet. Da die beiden Schwestern, Agnes und Auguste, sehr früh heirateten, der älteste Sohn in Amerika war, Sohn Ernst in einem Sanatorium und der jüngste Sohn Hans in Schwerin ins Gymnasium ging, blieb meine Mutter in der Obhut ihrer Großmutter, die Dänin aus Kopenhagen war, und ihrer Tochter Clara allein zurück. Schwester Augusts überlebte ihre Jüngere Schwester Sophie um viele Jahre und erzählte uns bei ihren häufigen Besuchen im elterlichen Hause Kloerss, dass ihre jüngste Schwester Sophie ein fast gefürchtetes lebhaftes Temperament besaß.
Als meine Mutter heranwuchs, hatte sie den lebhaften Wunsch Schauspielerin zu werden. Das entsetzte nicht nur die Familie, sondern auch die ganze weitere Verwandtschaft und führte anscheinend zu vielen lebhaften Auseinandersetzungen. Schließlich setzte meine Mutter durch, dass sie wenigstens schreiben durfte, was ihr in den Sinn kam.
Als sie einmal von Verwandten zu einem längeren Besuch in Elbing/ Ostpreußen eingeladen wurde, verwunderten sich die Verwandten, was in dem meiner Mutter überlassenen Zimmer vor sich ging, denn dort ging es sehr lebhaft zu. Man stellte dann fest, dass sie aus lauter Freude einmal aus Hamburg herauszukommen und der strengen Zucht von Tante Clara nicht ausgesetzt war, immerzu über ihren Koffer hüpfte, um ihrer Freude Ausdruck zu geben.
Außer dem Haus in Hamburg in einer guten Gegend besaß mein Großvater auch noch ein großes Grundstück in Wandsbek bei Hamburg, dass damals meines Wissens noch zu Preußen gehörte.
Auf diesem Grundstück befand sich eine Wassermühle, in der der Reis, der aus dem Ausland kam, geschält wurde. Damals gab es noch nicht die heutige Reisewut und im Sommer wohnte die Familie daher oft da draußen. In dem Wasser ist ein kleiner Bruder meiner Mutter ertrunken. Der Weg an diesem Grundstück vorbei heißt noch heute „Kesslers Weg“.
Über die nächsten Jahre meiner Mutter weiß ich nicht viel; nur dass Sie nachdem sie erwachsen war eine Zeitlang in Berlin lebte und dort dem sehr bekannten Frauen-Verein; dessen Name mir im Augenblick nicht einfällt, angehörte. Als diese Vereinigung im Winter ein großes Maskenfest gab, von dem Jeder Mann grundsätzlich ausgeschlossen war, lernte meine Mutter auch die deutschen Ärztinnen, Dr. Debelius und Dr. Petersen, näher kennen, die manche lustige Geschichten aus ihrer Praxis erzählten. Zu ihren Patienten gehörten auch die Angehörigen der Familie Rothschild. Beide Damen hatten noch in der Schweiz studiert und dort ihren Doktor gemacht. Sie waren die ersten Frauen, die in Deutschland eine Praxis eröffnen durften.
Meine Mutter war im Gegensatz zu ihren Schwestern und der damaligen Mode sehr groß und sehr schlank mit langen Beinen. Ein Vetter Räuber aus Elbing, der zur gleichen Zeit in Berlin als Sänger lebte, klebte ihr sehr sachgemäß einen feschen kleinen Schnurrbart. Sie wirkte so echt als Mann, dass sie von den empörten Frauen rausgeschmissen werden sollte. Es war so eines ihrer Scherze. Ich weiß nicht wie lange sie in Berlin lebte, es kann eventuell nur ein Jahr gewesen sein. Dann lebte sie Jahrelang mit ihrer älteren Schwester Auguste zusammen, die zwei Söhne hatte. Einer dieser Söhne teilte mir vor ein paar Jahren mit, war meine Mutter sehr schlagfertig, wenn die Jungens manchmal ein bisschen kess wurden.
Mit ca. 21 Jahren veröffentlichte meine Mutter ein Epos in fünf Kapiteln mit dem Titel „Der Dom zu Köln". Was mich daran so in Erstaunen versetzte, war die Schilderung des jungen ehrgeizigen Baumeisters, der von dem Bischof von Köln beauftragt worden war, einen Entwurf für den neu zu erbauenden Dom zu entwerfen. Die geradezu wilde Energie, mit der der Junge Mann sich an die Arbeit machte und immer wieder feststellte, das seine Entwürfe ihn nicht zufrieden stellten, war erstaunlich für ein junges Mädchen. Die innere geistige Stimme des Architekten verhöhnte ihn immer wieder beim Entwerfen. Er ließ die Pläne liegen und verschwand selber für immer im Dunkel der Geschichte. Soviel ich weiß ist man sich bis heute nicht im Klaren über den Baumeister des Kölner Domes. In dieser Zeit etwa muss auch ihr Roman „Margarethe von Bützow" entstanden sein, den ich bis heute nicht kenne.
Während die beiden älteren Schwestern meiner Mutter sehr jung heirateten, schob meine Mutter das Heiraten immer vor sich her. Auf alle Fragen antwortete sie immer: „Wenn ich eine alte Jungfer werde, heirate ich‚ dann bin ich wieder eine junge Frau. Wenn ich dann mein erstes Kind bekomme, werde ich eine junge Mutter. . ."
Als ihre Schwester Auguste Witwe wurde, zog meine Mutter mit Auguste und deren Söhnen nach Rostock, wo ihr Schwager, der ältere Bruder Martini, als Oberlandgerichtspräsident lebte. Er hatte seine Frau, die älteste Schwester meiner Mutter, bei der Geburt ihres zweiten Sohnes verloren. Das müssen alles in allem sehr schöne, ruhige Jahre gewesen sein.
Anfang der Neunziger Jahre (des vorigen Jahrhunderts) war meine Mutter mit ihrer Schwester Augusts und deren beiden Söhnen in Gral /Mecklenburg in Urlaub und lernte dort ihren späteren Mann Heinrich Joachim Simon Kloerss kennen, meinen Vater. Er stammte aus einer kinderreichen Landwirtsfamilie in Elmenhorst bei Warnemünde. Er hatte noch drei Brüder und zwei Schwestern. Er besuchte die im nächsten Dorf gelegene Dorfschule. Nach einigen Jahren besuchte der Lehrer die Eltern Kloerss und sagte, dass der Sohn Heinrich unbedingt aufs Gymnasium müsste und studieren. Worauf meine Großmutter, eine kleine, dunkle und energische Frau, die Hof, Mann und Kinder energisch beherrschte, kurzweg erwiderte: „So etwas kommt überhaupt nicht in Frage!“ Wir sind seit dem 30jährigen Krieg Bauern, und meine Söhne werden auch wieder Bauern und meine Töchter heiraten Bauern. Daran gibt es nichts zu deuteln." Der Lehrer sagte: „Ihr Sohn Heinrich ist so begabt, dass er schon jetzt mich vollständig ersetzen könnte. Sie haben ja genug Söhne, die wieder Bauern werden. Der Junge muss studieren." Damit setzte meine Großmutter den Lehrer vor die Tür. Der Lehrer machte den Pastor mobil, der auf meine Großmutter großen Einfluss hatte und erlebte dasselbe wie der Lehrer vor ihm. Aber er sagte: „Das verstehen Sie nicht Frau Kloerss. Der Junge ist so begabt, dass es eine Schande wäre, würde er nicht studieren, eine solche Begabung ist selten. Der Junge kommt aufs Gymnasium und damit punktum.“ Ihm gelang es denn auch, dies durchzusetzen.
Mein Vater kam also aufs Gymnasium nach Rostock und machte in zwei Jahren 4 Gymnasialklassen durch und fand damit den Anschluss an seine Altersgenossen. Nach dem Gymnasium besuchte er die Universität Rostock, als Hauptfach wählte er Alte Sprachen, Latein und Griechisch und besuchte außerdem die Universitäten in Bonn und Berlin. "Dein Vater hat unseren Eltern viel Geld gekostet", sagte eine Cousine zu mir.
In seinen Semesterferien lernt er in Gral meine Mutter kennen.
Sie heirateten nach Abschluss seiner Studienzeit und gingen als jungverheiratetes Paar nach Berlin, wo mein Vater noch ein Jahr lang die akademische Turn-Anstalt besuchte. Er sagte, als Altphilologe müsse man auch wie die alten Griechen und Römer halt fit sein.
Danach war er in einigen kleineren Städten als Oberlehrer am Gymnasium tätig und kam dann nach Schwerin/Mecklenburg an das neu erbaute Realgymnasium als Altphilologe‚ wo er bis zu seiner Pensionierung tätig war.
Meine Eltern kauften dann in der neu erbauten Mozartstraße ein Zweifamilienhaus. Von den sechs Kindern die dort aufwuchsen besuchten die fünf Mädchen das von Liwinsky—Oldenburgische Privatlyzeum, das nach zehn Jahren mit dem sogenannten “Einjährigen" abgeschlossen wurde. Das sechste Kind, ein Junge, besuchte das Realgymnasium. Diese ganze Zeit mit den Kindern und den Umzügen hat meine Mutter sehr in Anspruch genommen, und ich erinnere mich, dass sie eines Tages ganz plötzlich bei einem Spaziergang ganz laut sagte: „Ach, kommt ihr wieder?" Ich sagte, was ist denn? und sie sagte etwas abwesend! „Lauf nur zu den anderen, ich muss jetzt einmal nachdenken. Da werden wieder Gestalten lebendig."
Ich war vielleicht acht Jahre alt und mir ist erst später klar geworden, dass meine Mutter damit gemeint hatte, dass ihre schöpferische Kraft wieder in ihr lebendig wurde. (1907)
Wie meine Mutter dann allmählich wieder ihre schriftstellerische Tätigkeit aufnahm und in nie erlahmender Arbeit neben all ihren Pflichten als Hausfrau und Mutter, ihre Bücher schrieb, kann ich nur heute noch bewundern. Daneben hatte sie immer einen Blick‚ für Menschen, die ihrer Hilfe bedurften. So musste ich zeitweise einer in sehr beengenden Verhältnissen alten lebenden alten Lehrerin alle Sinfonien Beethovens vierhändig spielen und meine Schwester musste mit ihr französische Bücher lesen. Zwei alte Damen, die ebenfalls von einer ganz geringen Pension leben mussten, stickten Taschentücher oder machten andere notwendige Näharbeiten.
Unseren Hausgehilfinnen mussten wir Kinder auch immer aushelfen, denn in einem so großen Haushalt gab es immer viel Arbeit. Eines Tages fragte meine Mutter eine bei uns sehr beliebte Hausgehilfin: „Jetzt würde ich doch gerne wissen, warum ich immer so gute Hausgehilfinnen bekomme? In unserem Haushalt gibt es doch sehr viel Arbeit. Aber ich habe noch nie Schwierigkeiten gehabt, gute Hilfen zu bekommen.“
„Ja“, sagte Lisa, die gefragte Hilfe, zögernd, „Frau Kloerss, die Hilfen die bei Ihnen arbeiten machen immer so gute Heiratspartien, darum drängen sich alle, bei Ihnen zu arbeiten." Meine Mutter war über diese Auskunft doch sehr überrascht. Tatsächlich gingen alle Hausgehilfinnen nur durch Heirat von uns fort.
Cover der Neuauflage
Auf der Warnemünder Mole
Hein und Rüpel
Steilküste bei Nienhagen
Rettung in Sicht!
Schwerin - Am Pfaffenteich
Schwerin - Stadtansicht - Schloss - Hoftheater
Schwerin - Totalansicht
Schweriner Schloss
Schweriner See im Winter, Sonnenuntergang
Warnemünde, Strom, Hafen und Leuchtturm
Warnemünde, Strom, Leuchtturm
Bad Doberan um 1800
Bad Doberan - das Palais
Bad Doberan von Althof
Burg Stargard um 1900
Herzog Johann Albrecht 1. mit Gemahlin Anna Sophia
Die Rostocker Altstadt vom Beguinenberge
Bauer und Bäuerin aus Biestow bei Rostock
Die Marienkirche um 1800
Rostock vom Steintor - 1841
Das alte Schloss
Schwerin - die Stadtansicht
Der Schweriner Dom vor 1845
Die Neustadt
Die Paulsstadt
Das Schloss um 1842
Das Schweriner Schloß
Schwerin
Stargard um 1900
Der Fürstenhof
Die Georgienkirche
Die Marienkirche
Der Markt
Die Nicolai-Kirche
Wismar