Thomas Dun, St.

Ein Mann, der nicht aus Noth oder aus Genußsucht ein schlechter Mensch wird, sondern seinen natürlichen Neigungen bei der Beraubung und Mißhandlung Anderer folgt, ist sicherlich aller menschlichen und großherzigen Grundsätze beraubt. Dies ist der Fall mit Thomas Dun, der von niedriger Herkunft in Bedfordshire geboren wurde und sich schon in seiner Kindheit durch seinen zum Stehlen und seine Anlage zur Grausamkeit auszeichnete. Er lebte zur Zeit Heinrichs I. und seine Grausamkeiten sind so zahlreich, daß wir nur Raum zur Erzähllung weniger haben.

Seine erste That geschah auf der Straße nach Bedford, wo er einem mit Getraide beladenen Wagen begegnete, der zu Markte fuhr und vor dem ein Zug schöner Pferde gespannt war. Er redete den Knecht an und mitten im Gespräche stach er ihn mit einem Dolche ins Herz, den er stets bei sich führte. Er begrub den Leichnam, setzte sich auf den Wagen und fuhr nach der Stadt, wo er alles verkaufte und sich mit dem Gelde davon machte. Er beging fortwährend mehrere kleine Diebereien und Angriffe; da er es aber für sicherer hielt, sich mit Andern zu verbünden, so schlug er sich zu einer Diebsbande, welche die Gegend von St. Alb aus nach Totester unsicher machte, wo sie einen solchen Schrecken verbreitete, daß der König eine Stadt bauen mußte, um Duns Macht in der Gegend Einhalt zu thun, die noch bis auf den heutigen Tag seinen Namen hat und Dunstable heißt.


Diese Vorsichtsmaßregel half jedoch wenig; denn er setzte seine Streifereien weit und breit fort. Unter seiner Bande befanden sich mehrere Künstler, durch die er Dietriche, Brecheisen und andere Diebswerkzeuge erhielt. Als er eines Tags erfuhr, einige Advokaten wollten zu Bedford in einem Wirthshause zu Mittage zu einer bestimmten Zeit speisen, eilte er ungefähr eine Stunde zuvor nach dem Wirthshause und ersuchte den Wirth, mit seinen Anstalten zu eilen und auf zehn bis zwölf Personen zurechnen.

Die Gesellschaft stellte sich bald ein und die Advokaten hiel ten Dun für einen Bedienten des Hauses; während die vom Hause glaubten, er sey ein Bedienter der Advokaten. Er war sehr geschäftig und als man die Rechnung verlangte, sammelte er das Geld ein und da die Gesellschaft etwas wieder heraus bekam, so wartete sie auf seine Rückkunft; endlich aber wurde sie es überdrüßig, klingelte und verlangte ihr Geld, wo man entdeckte, daß er ein Betrüger war. Mit Hülfe seiner Spießgesellen machte er sich mit einer ansehnlichen Beute von Mänteln, Hüten, silbernen Löffeln und mehreren Sachen von Werth aus dem Staube, deren er hatte habhaft werden können.

Nach diesem Abentheuer gingen Dun und seine Spießgesellen nach einem andern Wirthshause und blieben da. Sie standen in der Nacht auf, beleidigten den Wirth, thaten der Wirthin Gewalt an, dann ermordeten sie beide und stahlen im Hause alles, was von Werthe darin war. Dun hatte eine Feindschaft auf die Advokaten geworfen und war entschlossen, einem reichen Advokaten einen Streich zu spielen. Er ging zu ihm und verlangte ohne Umstände die Bezahlung einer Verschreibung, die er vorzeigte. Der Advokat fand seine Hand so geschickt nachgemacht, daß er nicht schwören konnte, es sey nicht seine Handschrift. Er versicherte jedoch Dun, er habe nie Geld geborgt und könne die Verschreibung nicht bezahlen. Hierauf verließ er ihn und sagte ihm, er wolle ihm schon zu schaffen machen. Es entstand ein Prozeß, und es traten verschiedene von seinen Kameraden auf, welche schwuren, die Schuld sey richtig und er stand im Begriff einen Ausspruch zu seinen Gunsten zu erhalten, als der Advokat eine falsche Bescheinigung vorzeigte, daß er die Schuld bezahlt habe, welches Einige von seinen Schreibern ebenfalls beschworen; hierauf wurde Dun abgewiesen. Er war gewaltig aufgebracht, daß er überlistet worden war und schwur, daß er nie etwas von solchen Schelmen gehört bätte, die schwüren, sie hätten ihm eine Summe bezahlt, die doch nie geborgt worden sey.

Dies war Einer von den wenigen Fällen, wo er nichts von der Grausamkeit zeigte, die er bei allen seinen übrigen Unternehmungen bewieß, und die uns abhält, viele von seinen Abentheuern zu erwähnen. Er machte sich jedoch so sehr zu jedermanns Schrecken, daß der Sherif von Bedford eine ansehnliche Macht ausschickte, um ihn in seinem Aufenthaltsorte anzugreifen; als Dun bei der Untersuchung fand, daß seine Macht jener des Sherifs gleich, wo nicht überlegen war, begann er den Angriff, schlug seine Gegner völlig, und machte elf Gefangene, die er an den Bäumen um den Wald herum aufhing, um andere durch das Beispiel ihres Schicksals abzuschrecken. Die Kleider derer, die sie gehenkt hatten, dienten ihnen zur Ausführung ihrer nächsten Unternehmung, welche die Beraubung des Schlosses eines Edelmanns in der Nachbarschaft zum Zwecke hatte. Sie fanden sich in dem Anzuge von des Sherifs Leuten ein und verlangten im Namen des Königs eingelassen zu werden, um Dun zu suchen. Nachdem sie alle Winkel ausgesucht hatten, foderten, sie die Schlüssel zu den Kisten und Kasten; als sie dieselben erhalten hatten, nahmen sie alles und machten sich mit der Beute davon. Der Edelmann verklagte den Sherif bei m Parlamente, wo man bei der Untersuchung den Streik entdeckte.

Nichts hielt Dun ab, etwas auszuführen, was er sich vorgenommen hatte, so verwegen und grausam war er. In der Verkleidung eines Edelmanns ging er zu reichen Leuten und wenn man ihn ins Zimmer ließ, ermordete er sie und nahm ihr Geld mit sich.

In der Nachbarschaft lebte ein reicher Ritter, von dem Dun etwas Geld zu haben wünschte. Er machte sich daher zu ihm auf den Weg und pochte an die Thür. Die Magd machte sie ihm auf und er erkundigte sich, ob ihr Herr zu Hause sey. Auf die Antwort: ja! Lief er sogleich die Treppe hinauf und trat wie ein alter Bekannter ins Zimmer. Nachdem die gewöhnlichen Komplimente vorbei waren, setzte er sich in einen Stuhl und begann ein lustiges Gespräch, das die Ausmerksamkeit des Ritters auf sich z og. Dun näherte sich ihm dann und verlangte ihn zwei oder drei Worte ins Ohr zu sagen: „Mein Herr!“ fing er an, „ich stecke ietzt tief in der Noth und bin genöthigt, mit meinen Gläubigern zu unterhandeln, aus Furcht meinen Ruf und mein Vermögen gänzlich zu verlieren. Nun haben mich Einige der Vornehmsten dieses Kirchspiels zu Ihnen gewiesen, als zu einem sehr angesehenen und freigebigen Manne; ich komme daher, um Sie auf eine bescheidene Art zu bitten, mir tausend Mark zu leihen, womit ich alle Foderungen befriedigen kann, die man jetzt an mich hat.“ - „Tausend Mark!“ rief der Ritter aus. „Wie, Mann! das ist eine große Summe, und warum sollte ich Ihnen so viel Geld borgen, da Sie mir völllig unbekannt sind; denn so viel ich mich erinnere, habe ich Sie noch niemals in meinem Leben gesehen.“ – „Sie irren sich, mein Herr! ich bin der ehrlichste Würzkrämer zu Bedford, den Sie sooft Gefälligkeiten erwiesen haben.“ - „ Wahrhaftig, Freund! ich kenne Sie nicht und ich kann auch mein Geld nicht ohne ein gutes Unterpfand weggeben. Was haben Sie für ein Pfand?“ - „Dieser Dolch“ erwiderte Dun, indem er ihn aus seinem Busen zog, „ist mein beständiges Pfand und wenn Sie mir nicht augenblicklich tausend Mark leihen, so durchbohre ich Sie.“ Diese schreckliche Drohung hatte den gewünschten Erfolg und der Reiche gab das Geld her.

Er hatte den Weg in der Gegend verloren und kam zu einem Hause, wo er sich erkundigte, ob man einen von der Nacht überfallenen Reisenden mit einem Bette versorgen wolle. Der Herr des Hauses erwiderte auf eine gefällige Weise, daß sein Haus von Freunden und Verwandten besetzt sey, welche deshalb angelangten, um der Hocheitsfeier seiner Tochter beizuwohnen, die Morgen statt finden sollte; wäre dies nicht, so würde er höchlich willkommen seyn. Als er nicht gern weiter gehen wollte, erklärte ihm der Herr, daß, wenn er nicht abergläubisch wäre, oder Herz genug hätte, es noch ein leeres Zimmer gebe, aber es wäre nicht geheuer darin. Dun war über alle einfältigen Besorgnisse dieser Art weg, und nachdem er eine gute Abendmahlzeit gehalten hatte, begab er sich nach seinem Zimmer und die ganze Gesellschaft wünschte ihm eine ruhige Nacht. Im Zimmer brannte ein starkes Licht und als im Hause alles zur Ruhe war, wartete er ängstlich auf die Erscheinung, als sich die Thür des Zimmers öffnet die Braut herein tritt, die er bei Tische besonders betrachtet hatte. Er wußte erst nicht, ob sie es sey, allein er überzeugte sich bald von der Wahrheit seines Glaubens; ob sie schlafsüchtig sey oder nicht, das konnte er nicht erraten, indessen entschloß er sich, auf ihre Bewegungen acht zu geben. Sie schien ihm starr ins Gesicht zu sehen, ging dann ums Bette herum, hob leise die Kleider in die Höhe, legte sich an seine Seite, allein sie blieb nicht lange liegen, zog einen reichen Diamantring vom Finger, legte ihn auf das Kopfkissen und verließ das Zimmer wieder eben so still, als sie herein gekommen war. Er wünschte ihre Entfernung nicht zu stören, da sie ein so kostbares Pfand zurück gelassen. Er schlief bald ein und träumte, daß das Frauenzimmer wieder erscheine und zu ihm sage, sie verabscheue denjenigen, mit dem sie verheirathet werden solle und bitte ihn bei dieser Gelegenheit um seinen Beistand. Dun nahm, was ihm anstand und reisete den nächsten Morgen ab, ohne weder die Neugierde der Gesellschaft zu befriedigen, noch dem Herrn für seine Gefälligkeit zu danken.

Jetzt war Dun für die Reichen und Armen ein Schrecken geworden, aber die Räubereien dieses Menschen waren fast insgesamt mit Blut befleckt, die angeführten ausgenommen. Er setzte sein schändliches Gewerbe über zwanzig Jahre fort und die Nachbarschaft des Flusses Ouße in Yorkshire war der gewöhnliche Schauplatz seiner Heldenthaten und da er mit fünfzig bewaffneten Leuten zu Pferde begleitet war, so wagten ihn die Landbewohner nicht zu verhaften.

Sein letztes Abentheuer war eben so merkwürdig als jen e seines frühern Lebens. Da seine Schandthaten täglich zunahmen, so beschlossen die Einwohner dieses Bezirks, seine Räubereien nicht länger zu dulden. Obschon Dun von ihrer Absicht unterrichtet war, so setzte er doch sein verruchtes Gewerbe fort. Die Einwohner zogen gegen ihn aus und er und seine Bande wurden so heftig verfolgt, daß sie sich theilen mußten; jeder rettete sich, so gut er konnte und Dun verbarg sich in einem Dörfchen; man setzte die Verfolgung und das Nachforschen fort; er wurde entdeckt und das Haus, in dem er sich befand, umringt. Zwei von den Stärksten stellten sich an die Thür; Dun zog mit der größten Unerschrockenheit seinen Dolch, streckte sie todt nieder, sprang auf sein Pferd und bahnte sich mitten durch den Haufen einen Weg. Hundert und fünfzig Leute mit Keulen, Heugabeln, Harken und andern ländlichen Werkzeugen bewaffnet, die sie finden konnten, setzten ihm nach, jagten ihn vom Pferde, allein zum Erstaunen schwang er sich wieder hinauf und bahnte sich mit seiem Degen einen Weg durch den Haufen.

Von allen Seiten strömte das Volk herbei und die Verfolgung wurde erneuert. Zum zweiten Male mußte er absteigen und jetzt lief er zu Fuße zwei Meilen weit, allein als er still stand, um Athem zu schöpfen, waren dreihundert Mann bereit, sich ihm zu widersetzen. Sein Muth und seine Stärke blieben jedoch unerschüttert, er brach durch sie hindurch, floh durch ein Thal, warf seine Kleider weg, nahm einen Degen in den Mund und stürzte sich in einen Fluß, um aufs andere Ufer zu schwimmen.

Zu seinem großen Erstaunen bemerkte er, daß Alles mit neuen Gegnern bedeckt war. Er sprang wieder in den Fluß, wurde von mehrern Booten verfolgt und flüchtete sich auf eine kleine Insel. Man war entschlossen, ihm keine Zeit zu seiner Erholung zu lassen und griff ihn daselbst an. Auf diese Art in die Enge getrieben, stürzte er sich nochmals mit dem Degen im Munde in den Fluß; er wurde von den Booten verfolgt; man schlug mit den Rudern nach ihm und nachdem er mehrere Schläge auf den Kopf erhalten hatte, wurde er endlich besiegt.

Man führte ihn zu einem Wundarzte, um seine Wunden zu verbinden; dann brachte man ihn vor die Obrigkeit, die ihn unter einer starken Bedeckung nach Bedford schickte. Hier blieb er zwei Wochen, bis er fast gänzlich wieder geheilt war; dann errichtete man auf dem Markte ein Schaffot und er wurde ohne förmliche Untersuchung zum Richtplatze geführt. Als sich ihm die beiden Henker näherten, warnte er sie vor Gefahren, wenn sie Hand an ihn legten; er faßte sie daher beide und warf sie auf dem Gerüste neun Mal nieder, ehe seine Kräfte erschöpft waren, so daß sie ihr Amt nicht verrichten konnten. Es wurden ihm erst die Hände am Gelenke abgehauen; dann die Arme am Ellenbogen; hierauf einen Zoll von den Schultern; die Füße unterhalb der Knöchel; die Beine am Knie und die Schenkel fünf Zoll von dem Rumpfe. Dieser schreckliche Auftritt endigte sich damit, daß man den Kopf vom Rumpfe trennte und ihn zu Asche verbrannte. Die übrigen Theile seines Körpers wurden zur Warnung für seine Spießgesellen an den Hauptstraßen von Bedfordshire aufgehangen. Die Menge von Blut, die er während seiner verruchten Laufbahn vergossen hatte, unterdrückt selbst eine Thräne des Mitleids über sein schreckliches Ende.