Sawney Cunningham, St.

Die Lehren einer einer guten Erziehung oder das Beispiel tugendhafter Eltern konnten Cunningham zu keinem würdigen Mitgliede der bürgerlichen Gesellschaft machen; er hatte einen natürlichen Hang zur Gottlosigkeit und zur Schwelgerei. Er war der Sohn einer Familie von gutem Ruf zu Glasgow in Schottland, die ihn zum Gelehrten bestimmte und ihm folglich eine vortreffliche Erziehung gab; aber Nichtswürdigkeit und Liederlichkeit waren die herrschenden Züge seinem Charakters und seine schlechte Lebensart brachte ihn so weit, daß er sich bald den Willen seines Vaters, die Verachtung der Welt und das Mitleid seiner Freunde zuzog. Der Liebe des Vaters kam jedoch die Hoffnung der Besserung noch immer wahrscheinlich vor; in dieser Absicht verheirathete man ihn mit einem liebenswürdigen Frauenzimmer, der Tochter eines benachbarten Edelmanns, mit welcher er zugleich ein schönes Vermögen erhielt; allein was man als ein Gegengift angesehen hatte, führte auch zugleich das Gift bei sich.

Seine lasterhaften Begierden waren einigermaßen durch den Mangel an Mitteln zu ihrer Befriedigung in Schranken gehalten worden, aber jetzt setzte ihn das Vermögen seiner Frau in Stand, seinen Ausschweifungen nachzugehen. Ohne Rücksicht auf die Tugend und die Schönheit seiner getreuen Gattin brachte er seine Zeit in allen Arten von Liederlichkeit zu. Er gerieth bald in Armuth und die Vorstellungen seiner Frau brachten ihn einen Augenblick den Entschluß, ein tugendhaftes Leben zu fü h ren und ein ehrenvolles Geschäft anzufangen, allein da der Reichthum der Anverwandten seiner Frau sie in Stand setzte, ihn, wenn er in Noth war, zu unterstützen, und da sie nie den Muth besaß, ihm etwas abzuschlagen, so vergaß er bald seine Versprechungen nebst ihren Erinnerungen und überließ sich von neuem allen Arten von Ausschweifungen.


Ungeachtet seiner schändlichen Aufführung hatte seine Frau so strenge Begriffe von den Pflichten gegen ihren Mann, daß, ob sie schon ihre Freunde baten, ihn zu verlassen, sie sich doch entschloß, lieber seine elende Lage mit ihm zu theilen, als in ihre klugen Anträge zu willigen. Sein Benehmen gegen sie war so bekannt, daß viele Liebhaber, die ihre ungewöhnliche Schönheit bewunderten, sie für eine leichte Beute hielten und ihr in dieser Hinsicht den Hof machten. Sie besaß jedoch so viel Klugheit und Tugend, daß sie allen Angriffen, die man auf ihre Ehre machte widerstand und sie beschämte. Einer ihrer Anbeter war zudringlicher als der Andere, verfolgte sie unaufhörlich mit seinen Anträgen und schien auf jede Gefahr entschlossen zu seyn, alles zur Erreichung seines ehrlosen Zwecks auf zu bieten. Er war ein Advokat, Namens Hamilton, der in der nämlichen Stadt wohnte und wegen seiner verliebten Ausschweifungen bekannt war. Seine Zudringlichkeit ging so weit, daß sich Mrs. Cunningham genöthigt sah, es ihrem Manne zu entdecken und ihn um einen guten Rath zu ersuchen, wie sie diesen Feind ihrer Tugend los werden könne.

Die Begierde, seine Ausschweifungen fortzusetzen und seine jetzige Armuth verleiteten Cunningham ihr bei dieser Gelegenheit folgenden Kunstgriff vorzuschlagen: sie sollte thun, als ob sie Hamiltons Anträge annehme, aber sich eine schöne Summe Geld ausbedingen und das übrige ihm überlassen. Die Armuth zwang sie, ihre Einwilligung zu dieser List zu geben, und sie hielt dies nur für eine gerechte Strafe für seine Verwegenheit, ohne sich jedoch einfallen zu lassen, daß ihre Gefälligkeit so schreckliche Folgen haben könne. Sie übernahm daher die aufgetragene Rolle und nach ziemlich langem Bitten versprach sie in das Verlangen des Advokaten zu willigen. Beide hielten ihr V ersprechen pünktlich und der Liebhaber bekam die Nachricht, daß, da ihr Mann nicht zu Hause sey, er zu ihr kommen möchte.

Vor Freude außer sich, überreichte ihr Hamilton eine Börse mit hundert Guineen, und stand im Begriff, die Freude zu genießen, welche er schon im Besitz zu haben glaubte, als der wüthende Ehemann aus seinem Schlupfwinkel hervor sprang und sich mit einer großen Keule Genugthung zu verschaffen suchte. Seine natürliche Wildheit stieg bis zur Raserei und er erschlug ohne Rücksicht auf die Gefühle seiner Frau oder auf die Gefahr seiner That Hamilton in seiner Schlafstube. Der Schrecken, in den Mrs. Cunningham geriet, als sie den traurigen Ausgang sah, den ihr Kunstgriff gehabt hatte, läßt sich nicht beschreiben. Ihr Mann ließ sich jedoch durch solche Empfindungen nicht beunruhigen und da er gern seinen Besuch los seyn wolte, so nahm er den Leichnam auf die Schultern und eilte durch eine Hinterthür nach Hamiltons Hause, wo er ihn in einer aufrechten Stellung an einen Or te setzte, an welchen ein Freund, der in Hamiltons Hause lebte, bald Gelegenheit hinzukommen hatte.

Anfänglich hielt der Herr seinen Freund für aufgewacht, aber da er seiner scheinbaren Zögerung überdrüßig war, so ging er hinein und schlug ihn an den Schlaf, wo der Körper umfiel und der Andere in keine geringe Unruhe gerieth, als er sah, daß er tod war. Er wußte von seiner Verabredung mit Mrs. Cunningham und schloß so g leich, daß dies das Werk des Mannes sey. Aus Furcht, des Mordes beschuldigt zu werden, da niemand weiter im Hause war, trug er den Leichnam wieder nach Cunninghams Hause und stellte ihn an die Thür. Die Frau war auf und da sie ein Geräusch hörte, so blickte stur durchs Fenster und sah den Leichnam ihres Liebhabers, wie ihn sein Freund verlassen hatte. Cunningham stand auf und beschloß, sich von diesem lästigen Gaste zu befreien, ging mit dem Leichname fort und wollte ihn in den Fluß werfen. Als er auf der Straße hinlief, setzte ihn die Nähe einiger Leute in Besorgniß; er versteckte sich, bis sie vorbei waren. An seinem Zufluchtsorte belauschte er ihr Gespräch und bemerkte bald, daß es Diebe waren, die von ihrem Gewerbe mit einigen Speckseiten zurückkehrten, die sie in einem Sacke trugen und daß sie in der nächsten Schenke eine Bouteille Bier trinken wollten.

Er folgte ihnen in der Entfernung nach und sah, daß, ehe sie ins Wirthshaus traten, sie ihren Raub in einem Keller gleich darneben verbargen. Er schlich sich soaleich in ihre Schlupfwinkel und ener der Diebe und eilte mit dem Specke nach Hause. Man ließ sich das Bier vortrefflich schmecken und verlangte die Rechnung; als die Diebe ihr Geld zählten, fanden sie, daß sie nicht genug bei sich hatten. Sie sprachen daher mit dem Wirth, erzählten ihm ihre Verlegenheit und fragten ihn, ob, wenn er ihnen nicht zu borgen Lust hätte, er wenigstens einige Speckseiten zu seiner Bezahlung annehmen wolle, die sie in einem Keller in der Nachbarschaft hätten.

Der Wirth hielt dies für einen guten Handel; Einer von der Bande taumelte fort, ihm den Sack zu holend und glaubte, als er ihn aufhob, es habe sich sein Gewicht verdoppelt. Alle rühmten den Schinken, als zu ihrem großen Erstaunen ein Menschenkopf heraus kam. Sie geriethen in eine solche Bestürzung, daß der Wirth keinen Augenblick daran zweifelte, daß sie die Mörder seyn und sogleich das ganze Haus in Bewegung setzte. Man bemächtigte sich ihrer insgesammt und man erkannte an dem Leichnam den Advokaten Hamilton. Sie wurden verhört, und zum Tode verurtheilt und hingerichtet, ob sie schon ganz unschuldig waren.

Sawney war so glücklich, der Entdeckung wegen dieser Mordthat zu entgehen und dieser Umstand diente bloß dazu, um ihn noch mehr in seiner schlechten Ausführung zu bestärken und das von Hamilton erhaltene Geld setzte ihn in den Stand, sein lasterhaftes Leben wieder eine Zeit lang fortzusetzen. Als er von neuem in Armuth gerieth und alles Ehrgefühl in ihm erloschen war, oder er nicht arbeiten wollte, legte er sich auf den Straßenraub. Wir übergehen viele seiner Thaten, weil sie gewöhnlich wie Blut oder Mord befleckt sind und wollen bloß die vorzüglichsten Vorfälle seines Lebens erzählen. Da er im westlichen Schottland zu bekannt war, als daß er seine Räubereien ohne große Gefahren fortsetzen konnte, so er nach Edinburgh, wo er eine regelmäßige Bande errichtete, über die er zum Anführer erwählt wurde. Seine Spießgesellen beschränkten sich bei ihren Räubereien auf niedere Sphären, er hingegen leerte in dem Charakter eines vornehmen Herrn denjenigen die Taschen aus, die ihn für ihres Gleichen hielten und ihn als einen Bekannten betrachteten.

Da er sich durch die Feinheit und Artigkeit seines Betragens auszeichnete, so schlich er sich in die Freundschaft mehrerer Fremden ein, welche in dem Hause einkehrten, wo er gewöhnlich wohnte. Unter dem Vorwande, ihnen einen Schmauß zu geben, lud er sie auf das Land ein, wo er sie auf seine Kosten auf eine prächtige Art bewirthete, aber nie ohne die Absicht, sich wieder dafür bezahlt zu machen. Bei ihrer nach Hausereise waren seine Spießgesellen jderzeit zu ihrem Angriffe bereit und um allem Verdachte auszuweichen, machten sie Sawney allemal zum ersten Gegenstande ihrer Plünderung; seine Freunde hatten das nämliche Schicksal, theilten aber nicht dieselbe Gewißheit, den Morgen darauf Kapital und Interessen wiederzubekommen. Seine Räubereien betrieb er mit einem solchen glücklichen Erfolge, daß er sich bald im Besitze einer sehr schönen Summe Geldes sah, mit der er nach Hause zu reisen, sein lasterhaftes Leben aufzugeben und mit seiner Frau ein gemächliches Leben zu führen wünschte.

In dieser Absicht kehrte er nach Glasgow zurück und wußte durch Aeußerungen von Reue und Versprechungen künftiger Besserung seine Frau und Freunde so sehr zu täuschen, daß sie ihn wieder aufnahmen. Es giebt jedoch ein altes Sprichwort, das sich mit Recht auf ihn anwenden ließ: „was man in der Jugend lernt, das vergißt man im Alter nie wieder ganz.“ Diese Zeichen einer veränderten Aufführung waren bloß Täuschungen, um die verloren gegangene öffentliche Meinung wieder zu gewinnen, damit er seine verruchte Lebensart desto sicherer und ungescheueter fortsetzen könne. Man erzählt, er habe um diese Zeit einen Wahrsager besucht, der ihm sein Schicksal und sein Ende voraus gesagt habe, allein wir können diese Nachricht nicht verbürgen.

Da er zu Glasgow bei Einer seiner Betrügereien entdeckt wurde, so begab er sich wieder nach Edinburgh, wo damals Jacob I. seinen Hof hatte. Die merkwürdigste Unternehmung, die er jetzt machte, war ein Diebstahl in dem Hause des Grafen von Inchequin. Dieser Edelmann hatte den königlichen Schatz in seiner Verwahrung; es stand deshalb beständig eine Schildwache an seiner Thür. Um diese zu hintergehen, zog Sawney selbst die Montirung eines gemeinen Soldaten an und ließ sich mit ihr in ein Gespräch ein; sie hielt ihn für einen Cameraden und beide beredeten sich, eine Bouteille Bier mit einander zu trinken. Sawney gab ihm Geld und nannte ihm in einiger Entfernung ein Haus, wo er das beste Bier bekomme; unterdessen nahm er den Posten der Schildwache ein. Seine Spießgesellen waren in der Nähe und gingen in das Haus. Als der Soldat zurück kam, wurde er noch einmal nach Tabak geschickt und ehe er zum zweiten Male wieder da war, leerten Satvney und seine Genossen alles aus und nahmen eine sehr große Beute mit fort, welche sie aus des Grafen eigenen Zimmern weg trugen. Die S childwache wurde verhaftet und nach einer langen und schmerzlichen Gefangenschaft für die Verbrechen Anderer bestraft. Auf diese Art wurden mehrere Unschuldige auf augenscheinliche Beweise verurtheilt, die Räubereien Mordthaten begangen zu haben, welche sich, wie nachher fand, Cunningham und seine Genossen hatten zu Schulden kommen lassen.

Seine Laufbahn näherte sich jedoch nunmehro ihrem Ende. Er besuchte einen reichen Onkel, Namens Bain, der ihn gastfreundlich aufnahm und durch einen strengen und ernstlichen Verweis ihn von seiner schändlichen Lebensart abzubringen suchte. Er ließ sich sehr freimüthig über seine Verbrechen aus und stellte ihm die Nichtswürdigkeit derselben in starken Ausdrücken vor: dies brachte Sawney so sehr auf, daß er einen Dolch heraus zog und seinem Onkel ins Herz stieß. Hierbei ließ er es nicht bewenden, sondern da er fürchtete, seine That möchte entdeckt werden, so brachte er auch den Bedienten um, räumte die Koffer seines Onkels aus, steckte das Haus in Brand und entfloh so schnell als möglich.

Die Rache des Himmels verfolgte ihn jedoch und er wurde bald nach dieser unmenschlichen That von einem seiner Spießgesellen verrathen. Es fehlte nicht an Beweisen zu seiner Verurteilung. Er wurde daher zum Tode verdammt und zu Edinburgh hingerichtet. Selbst bei seinem Tode verließ ihn nicht die barbarische Denkart, die seine Handlungen ausgezeichnet hatte; auf dem Hinrichtungsplatze erschien er unerschrocken und verrieth weder Zeichen von Furcht noch von Schaam.