Robin Hood, St.

Dieser Mann hat einen so berühmten Namen und seine Streiche sind so anziehend und lustig, daß der Leser uns entschuldigen wird, wenn wir eine ziemlich ausführliche Nachricht von ihm mittheilen. Die Erzählungen von seiner Herkunft sind sehr mannigfach. Nach einigen soll er der Graf von Huntingdon gewesen und zu Heinrichs II. Zeiten geboren worden seyn, nach Andern soll eir das Kind eines Schäfers, der in Nottinghamshire wohnte und unter derselben Regierung geboren worden seyn. In den frühern Jahren seines Lebens trieb er das Fleischerhandwerk, allein vermöge seiner Herumwanderungssucht wurde er bald dieser thätigen Beschäftigung überdrüßig. In kurzem verband er sich mit einer kleinen Räuberbande und wegen seiner Verwegenheit und Unerschrockenheit erhielt er bald den Oberbefehl.

Bei einem Besuche bei seinem Onkel zu Weihnachten zeigte sich seine Thätigkeit und seine vielversprechenden Talente in einem so vortheilhaften Lichte, daß ihn der alte Mann sehr lieb gewann und da er bald darauf starb, ihn zu sein em einzigen Erben machte. Im Besitz einigen Vermögens fing Robin an, sowohl freigebig gegen die Armen, als gastfrei gegen seine Freunde zu werden, so daß er in kurzem in der Nachbarschaft sehr beliebt war. Die Kisten und Kasten unseres Abentheuerers waren jedoch bald leer; er gerieth daher auf den Einfall, die Reichen zu bestehlen, um die Bedürfnisse des Armen zu befriedigen. Bei allen seinen Räubereien that er nie einem Armen etwas zu Leide; er versorgte ihn vielmehr mit Geld zu seinen nöthigen Bedürfnissen.


Ein gewisser kleiner John, ein Bedienter seines Enkels, wurde jetzt sein Vertrauter und Gefährte bei seinen Räubereien. Die erste bekannte That dieser beiden Helden geschah mit Unterstützung von fünfzehn andern Gehülfen und bestand in einem Angriffe auf den Bischof von Carlisle und sein Gefolge. Robin erhielt Nachricht, der Prälat reise nach der Hauptstadt und begegnete ihm auf der Südseite von Ferry-Bridge, Yorkshire und obschon sein Gefolge aus fünfzig Personen bestand, so griff er doch den Bischof an, nahm ihm 300 Mark ab, band ihn an einen Baum, zwang ihn Messe zu lesen, machte ihn wieder los, setzte ihn aufs Pferd mit dem Gesichte nach dem Schweife zu und nötigte ihn, in dieser Stellung nach London zu reisen.

Ob sich schon der Bischof bei dem Könige bitterlich über die unwürdige Behandlung beschwerte, die er erlitten hatte, so entschlossen sich doch Robin und seine Leute, eine Jagdpartie mit anzusehen, bei welcher der König und die Meisten seiner Hofleute zugegen seyn sollten. Das königliche Gefolge wetteiferte mit einander im Bogenschießen, aber Robin trat vor und wettete hundert Mark, drei von seinen Gefährten alle andere hierin übertreffen sollten, die man ihnen gegenüber stelle. Der König nahm die Wette an und die Königin, welche die Kühnheit des Fremden bewunderte, legte nebst dem Könige tausend Pf. St. auf seine Seite. Ihrem Beispiele folgten mehrere Hofleute.

Nachdem man mit der Sache aufs Reine war, spannte Robin seinen Bogen und schoß beinahe in den Mittelpunkt des weißen Tuchs. Der kleine John besiege seinen Gegner und traf das schwarze Zeichen. Der Müller Midge spaltete die Schraube im Mittelpunkte des schwarzen Zeichens und die Königin und ihr gesammtes Gefolge jauchzte laut vor Freuden auf. Einige Zeit daraus erfuhr jedoch der König, daß es Robin und seine Leute gewesen seyn, die sein Gefolge im Bogenschießen übertroffen hätten und schickte zu ihrer Aufsuchung Abtheilungen durchs ganze Land aus. Robin wanderte jedoch von einem Orte zum andern, um ihren Nachforschungen auszuweichen und reisete endlich nach London, bis der Lerm und das Geschrei vorbei war. Alsdann kehrte er wieder zur großen Freude seiner Gesährten nach seinem alten Aufenthalte zurück.

Er beschloß nunmehro eine Ausflucht ohne irgend Einen von seinen Leuten zu unternehmen. Auf einem Nebenwege gelangte er zu einer kleinen Hütte wo er eine alte Wiiwe fand, die über ihr hartes Geschick wehlklagte und weinte. Von Mitleid gerührt erkundigte er sich nach der Ursache ihrer Noth und erfuhrt daß sie ihren Pachtzins noch schuldig sey und daß ihr der Gutsherr alles nehmen und sie aus dem Hause werfen wolle. Er bat sie, ruhig zu seyn, zog seinen mit Tressen besetzten Rock aus, legte einen alten an, den ihm die Wittwe gab und nahm seinen Sitz an der Feuerseite. Bald erschien der hartherzige Gutsbesitzer und verlangte seine Bezahlung. Robin fing an für sie zu bitten und führte mancherlei Gründe an, um einen Aufschub zu erhalten, aber alles war umsonst; der Gutsherr erwiederte, er müsse seinen Zins haben, sonst würde er ihr ihre Sachen nehmen und sie aus dem Hause werfen.

Robin zog seinen Beutel heraus, verlangte eine Quittung und bezahlte den Gutsherrn zur unaussprechlichen Freude der armen Wittwe. Als der Gutsher fortgehen wollte, rieth ihm Robin, die Nacht über da zubleiben, da die umliegende Gegend von Räubern unsicher gemacht werde. Der andere wollte doch davon nichts hören und erklärte, daß er sich nicht fürchte, von jemand beraubt zu werden. Er machte sich daher auf den Weg. Robin zog seinen mit Tressen besetzten Rock wieder an, setzte sich aufs Pferd und ritt nach. Als er den Gutsbesitzer an einer Stelle einholte, die er seinen Absichten für angemessen hielt, verlangte er sein Geld von ihm. Augenblicklich mußte er seinen Pachtzins und noch weit mehr hergeben und unser Abenteurer kehrte zur Wittwe zurück.

Kaum war er da, so pochte der Gutsherr an die Thür; die gute Frau kannte seine gebieterische Stimme und nahm ihn sogleich unter ihrem gastwirthlichen Dache auf. Er erzählte ihnen, er wäre noch nicht weit weg gewesen, so sey er von einem Manne in einem mit Tressen besetzten Rocke beraubt worden. Robin machte ihm Vorwürfe, daß er sei nem freundschaftlichen Rathe nicht gefolgt wäre und wiederholte seine Bitte, da zu bleiben. Der eigensinnige Mann schlug es doch wieder aus und trat seine Reise nochmals, aber mit leerem Beutel an.

Robins folgendes Unternehmen war von einer glänzendern Art. Der König hatte beschlossen, eine Reise nachdem Norden von England zu machen, und als Robin dies Vorhaben erfuhr, wünschte er zu dem Gefolge Sr. Majestät zu stoßen. Er putzte sich und ungefähr sechzig von seinen lustigen Gesellen stattlich heraus; alle ritten auf weißen Pferden, mit reichem Zeuche und alle waren bewaffnet. Damals wurden die Könige von England nicht von ihrer Reitergarde begleitet; ihr Gefolge bestand bloß aus ungefähr dreißig Mann. Robin Hood, der voran ritt, redete den König folgendermaßen an: „mein Lehnsherr! nach unserm Anzuge scheinen wir vielleicht Ihnen Leute von Stande und Vermögen zu seyn, aber ich nehme mir die Freiheit, Ihnen zu sagen, daß wir ganz andere Personen sind. Ich bin von ehrlichen Eltern geboren, die mir ein kleines Vermögen hinterließen, das ich seitdem durchgebracht habe und noch mehr. Ich zähle mich zu Einem ihrer Landsleute, die sich glücklich schätzen, alles das Ihrige durch ein gutes Leben durchgebracht zu haben“, und der König gab ihn. zur Antwort: „Was wollen Sie, mein Herr! mit dieser geheimnißvollen Sprache? Erklären Sie sich deutlich, denn ich bin nicht im Stande, Ihre Meinung zu begreifen.“ „Hören Sie!“ versetzte Robin, „meine Thaten sind im ganzen Reiche bekannt. Ich kann Ew. Majestät bloß sagen, daß, nachdem wir alles unser Vermögen durchgebracht, mich diese Leute zu ihrem Anführer gemacht haben; wir erheben auf den Heerstraßen Abgaben, nicht um freche Minister zu mäßten, wie Sie, sondern wir nehmen den Reichen ihr Geld ab, um es den Armen zu geben, welche täglich an unserer Freigebigkeit Antheil haben. Ihre Großmuth wird mich, wie ich hoffe, einer geringen Gabe für würdig halten; Ihr Geld verlange ich, Sire! und dann können Sie Ihre Reise fortsetzen.“ Da der König sah, daß ihm Robin an Leuten überlegen und jeder Widerstand vergebens sey, gab er ihm seine Börse, welche Robin wegen ihres Gewichts für seine gegenwärtigen Bedürfnisse für hinreichend hielt.

Robin übernahm bisweilen etwas allein, ein ander Mal in Gesellschaft. Als er eines Tags allein reisete, traf er einen hübsch aussehenden iungen Mann, der, in Gedanken vertieft, unter einem Baume saß. Er ging auf ihn zu und fragte ihn nach der Ursache seiner Niedergeschlagenheit. Der iunge Mann antwortete, er hätte mit der Tochter eines Herrn in der Nachbarschaft verheirathet werden sollen, aber der Vater habe sie aus Eigennutz einem reichern Liebhaber gegeben, der sich heute mit ihr trauen lassen wolle. Robin bat ihn guten Muths zu sein, denn er solle sowohl seine Geliebte als ihr Geld bekommen. Er nahm sogleich den iungen Mann mit sich zu seinen Cameraden; dann eilte er nach der Kirche, wo er sich mit dem Bischofe über einige religiöse Gegenstände zu unterhalten begann.

Unterdessen kam der reiche Ritter und seine schöne junge Braut und wollte sich mit ihr trauen lassen. Robin äußerte gegen den Bischof, es sey doch Schade, daß ein so junges Mädchen an einen alten Mann verheirathet werden solle, allein sie müsse mit ihrem rechtmäßigen Bräutigam getrauet werden. Jetzt gab er ein Zeichen vorauf der abgedankte Liebhaber in Begleitung von zwanzig Bewaffneten erschien. Nach einigem Streite wurde der alte Liebhaber fortgeschickt und das junge Paar kehrte voller Freude mit der Gesellschaft nach Sherwood zurück, um daselbst den Honigmonat zuzubringen.

Robin kleidete sich einst in eine Mönchskutte, reisete allein, begegnete zwei Priestern und bat sie, einem nothleidenden Bruder beizustehen. Sie erwiderten, dies würden sie gern thun, aber sie wären von einer Räuberbande angegriffen worden, die ihnen keinen Heller gelassen habe. Robin setzte Mißtrauen in ihre Aufrichtigkeit und beschloß durch eine List dahinter zu kommen, ob sie wirklich nicht im Stande wären, seine Bitte zu befriedigen. Er that ihnen den Vorschlag, insgesammt auf die Knie zufallen und die Jungfrau Maria zu bitten, ihnen etwas Geld zu senden. Nachdem sie alle zusammen andächtig gebetet hatten, fragte er sie, was ihnen die gütige Mutter für Geld gesandt habe. Sie erwiderten, sie hätten nichts bekommen. Hierauf gerieth unser Held in eine fürchterliche Wuth und schrie, sie wären Lügner und Betrüger, denn es sey nicht möglich, daß sich die Jungfrau Maria ganz umsonst bitten lasse. Er durchsuchte daher ihre Taschen und fand vierhundert Goldstücke darin. Die beraubten Mönche wollten nunmehro fortgehen, aber Robin nöthigte sie, noch zu warten und einen Eid zu schwören, daß sie nie wieder einen Bruder Mönch belügen, noch Eingriffe in die geheiligten Rechte der Jungfrauen oder verheirateten Männer thun wollten.

Als Robin ein ander Mal nach London ritt, traf er unterwegs einen Herrn an, den Robin ob in seinem Ansehen nach für Einen seines Gleichen hielt. Er drang daher in ihn, mit ihm umzukehren, da die Straße von Räubern unsicher gemacht werde. Er willigte ein und während des Gesprächs sagte ihm Robin, er habe bloß zehn Guineen bei sich, die er in den Mund stecken wolle, wenn sie angefallen würden. Der Herr erwiderte, er habe sein Geld mitten in die Strümpfe versteckt; außerdem habe er auch noch eine beträchtliche Summe bei sich, die er heute von seinen Pächtern bekommen habe. Sie waren noch keine Meile weit gereiset, als Robin eine gelegene Stelle fand, die Maske abzulegen und das Geld von dem Herrn zu verlangen. Der Herr gerieth über diese unerwartete Foderung zwar in großes Erstaunen; allein da er keinen Widerstand leisten konnte, so gab er ihm seine Börse und Robin ließ ihii gehen, um seine Unbesonnenheit zu bereuen, daß er einem Fremden seine Geheimnisse entdeckt hatte.

Robins nächstes Abentheuer war ein Fleischer, dem er all sein Vieh abkaufte, es zu Markte trieb und für einen geringen Preis wieder verkaufte und seine Käufer noch dazu gut bewirthete. Als der Sherif der Grafschaft dies hörte, dachte er, es wäre ein dummer Bauerntölpel, mit dem sich ein guter Kauf machen lasse; er drängte sich daher in die Gesellschaft ein, unterhielt sich mit Robin und fragte ihn, ob er noch mehr Vieh zu verkaufen habe: „Ich habe,“ erwiderte er, „noch zwei bis dreihundert Stück zu Hause, auch hundert Acker gutes Weideland; wenn Sie sie kaufen wollen, so sollen Sie gewiß einen guten Kauf machen.“ Der Ritter war dies zufrieden, nahm vierhundert Pfund in Gold mit und machte sich mit Robin auf um die Sache vollends ins Reine zu bringen.

Robin führte ihn auf einen abgelegenen Weg, wo die Furcht auf Räuber zu stoßen dem Sherif in Schrecken setzte. Und kaum hatte er seine Besorgnisse geäußert, so kam der kleine John und fünfzig seiner Spießgesellen zum Vorscheine. Robin bat sie, den Sherif mit zu Tische zu nehmen und versicherte sie, er habe Geld genug, um eine Mahlzeit zu bezahlen. Es wurde daher eine Mahlzeit für den Ritter zurechte gemacht und nach Tische führte man ihn in den Dickicht des Waldes und nahm ihm alles sein Geld ab.

Robin reisete einst im Anzuge eines alten Schuldflickers mit seinem Schurzfelle. Auf dem Wege nach Newcastle trat er in ein Wirthshaus und da er ziemlich viel aufgehen ließ, so wieß ihm der Wirth eine gute Stube an. Das Haus war so voll Gäste, daß es bald an Betten fehlte. Noch spät kam ein Mönch ins Wirthshaus und da kein Platz für ihn vorhanden war, als bei dem Schuhflicker, so mußte er bei ihm schlafen. Robin hatte keine Einwendung gegen einen solchen Stubengenossen. Der Mönch sank, von der Reise ermüdet, bald in tiefen Schlaf. Robin war entschlossen, diese Nacht nicht weiter zu schlafen und überlegte, wie er es anzufangen habe, daß der Mönch dies Nachtquartier bezahle. So bald es zu tagen begann, zog er die Kleider des Mönche an, befahl dem Stallknechte, des heiligen Mannes Pferd zu bringen, gab ihm eine Krone und ritt mit aller möglichen Eile davon.

Der Mönch, der von seiner Reise sehr ermüdet war, schlief den andern Morgen bis um sieben Uhr. Als er die Augen aufschlug, fand er seinen Bettgenossen nicht mehr und als er seine Kleider suchte, fand er weiter nichts als die alten schmutzigen Lumpen des Schuhflickers. Der Mönch wurde höchlich aufgebracht, und verlangte den Wirth zu sprechen, allein die Aufwärter, die glaubten, es sey der arme Schuhflicker, eilten eben nicht, seinen Befehl auszurichten, sondern droheten ihm, weil er so viel Lerm im Hause machte. Es dauerte jedoch nicht lange, so entdeckten sie ihren Irthum; sie sahen, daß dieser wirklich der Mönch, und daß der Schuhflicker fort war. Der Wirth lieh seinem Gaste Geld und Kleider, damit derselbe nach Hause kommen könne.

Der Bischof von Ely (William Longcamp) gehörte unter diejenigen Günstlinge, welche die Aufmerksamkeit unsers Helden auf sich zogen. Als Robin eines Tags über die Dunsmorer Heide reisete, begegnete er dem Bischofe mit einem kleinen Gefolge und da er vorgab, er sey mit Einem von den Bedienten bekannt, so redete er ihn ohne Scheu an und äußerte seine Freude, eine so fromme Gesellschaft zu treffen, da jetzt Räubereien so häufig seyn, und er werde nunmehro wegen der großen Summe Geld, die er bei sich habe, nicht mehr besorgt zu seyn brauchen. Seine Hochwürden hielten ihn nach seinen Reden für einen ehelichen Mann und Robin vertrieb dem Bischofe und seinem Gefolge durch seine kurzweilige Unterhaltung die Zeit. Nachdem er sie eine ansehnliche Strecke Wegs begleitet hatte, sagte er, er fühle sich für ihre Begleitung so von Dankbarkeit durchdrungen, daß er voraus reiten und an dem nächstem Orte, wo sie halt machten, eine vortreffliche Erfrischung bestellen wolle. Er gab seinem Pferde die Sporen und verschwand bald. Als er weit genug von ihnen weg war, ritt er in das Dickigt des Waldes, band sein Pferd an einen Baum und eilte so schnell als möglich zur Gesellschaft zurück. Er schien sehr bestürm und erklärte, man habe ihm alles geraubt und er habe große Mühe gehabt, mit dem Leben davon zu kommen. Diese Nachricht erregte Besturzung und der Bischof bat Robin, er möchte ihm den Weg zeigen, den die Räuber genommen hätten und befahl seinen Leuten, ihnen nachzusetzen. Robin wieß ihnen dann einen Weg, welcher ihre Reise nach der nächsten Stadt nicht unterbrach, und machte sich nunmehro an den Bischof, dem er befahl, ihm seine Börse zu geben, oder die Folgen zu wagen. Es war jetzt keine Zeit zu Einwendungen; Gehorsam war augenblicklich nothwendig. Robin machte sich mit seiner Beute in den Wald, in welchem er sein Pferd gelassen hatte; stieg wieder auf, ritt davon und suchte einen Zufluchtsort. Das Gefolge meldete dem Bischofe bei der Zurückkunft mit Betrübniß, sie hatten die Diebe nicht ausfindig machen können; er hingegen erzählte ihnen mit gleichem Verdrusse, daß der einzige Dieb bei ihm zurückgeblieben sey und daß er hinführo nie einem Manne trauen werde, der auf zu viel Ehrlichkeit Anspruch mache.

Robins Schlauheit und Scharfsinn halfen ihm bei aillen Gelegenheiten durch. Als er sich in einer Schenke bei Buckingham befand, wo einige Leute eine Kirchweihe hielten, sah er einen Pächter mit einem Beutel voll Geld unter dem Arme ins Haus treten; der Pächter, der voller Freude über den Jahrmarkt war, wünschte an dem Vergnügen Theil zu nehmen; er ersuchte daher um die Erlaubniß, Robin trat zu ihm und beide nahmen an dem Vergnügen Antheil. Robin verließ das Zimmer und da er ein großes Auge auf das Geld des Pächters beworfen hatte, so theilte er seinen Plan dem Stallknechte mit, an dem er einen eben so großen Schelm fand, als er selbst war. Beide boten ihre Erfindungskraft auf und steckten einen großen Bullenbeißer, der ins Haus gehörte, in eine Kuhhaut, mit den Hörnern vorn an der Stirne. Robin kehrte zur Gesellschaft zurück, wo man tanzte und sich lustig machte, während sein Gehülfe auf einer Leiter in die Esse hinauf stieg und in einem günstigen Augenblicke den Hund durch die rußige Feuermauer herabstürzte. Sogleich gerieth alles in Verwirrung und Bestürzung; bei dem Bellen des Hunden und seinem schrecklichen Aussehen glaubte man, es sey der Teufel und jeder suchte so schnell als möglich davon zu kommen. Die Lichte wurden ausgelöschte die Tische umgeworfen, die Bouteillen zerbrochen und alles war in Verwirrung und Angst, unser Held asgenommen, der sich im Gedränge mit dem Gelde des Pächters und der Perücke eines reichen Bürgers, der auf dem Bodden lag, davon machte. Als die Ordnung wieder hergestellt war, wurden die hundert Mark vermißt und alle schlossen, daß sie der Teufel mitgenommen habe, um den geizigen und harten Pächter zu züchtigen.

In dem Anzuge eines Mannes von Stande langt Robin einst an einer schönen Villa bei Taunton Bridge in Yorkshire an, wo er einen alten Herrn in einem Lustgarten spazieren gehen sah. Er erkundigt sich in der Wohnung des Aufsehers, ob angesehene Fremde den Garten besehen dürften; da er eine erwünschte Antwort erhielt, so stieg er ab, gab sein Pferd dem Gärtner zu halten, und folgte dem Gange, wo er den Eigentümer gehen gesehen hatte. Er traf ihn bald und entschuldigte sich bei ihm sehr artig wegen seiner Dreistigkeit. Der Edelmann versicherte, er sey ihm herzlich willkommen und er wolle ihn selbst begleiten, um ihm alles zu zeigen. Als sie in einen stillen und abgelegenen Gang kamen, redete ihn Robin folgendermaßen an: „ich höre mein Herr, daß Sie außerordentlich mildthätig sind; ich nehme mir daher die Freiheit, Ihnen das Geld abzuborgen, das Sie bei sich haben, da das Reisen in diesem Lande so kostspielig ist.“ Der Herr sah ihn sehr verlegen an, aber aller Widerstand war vergebens und er entschloß sich, sein Geld herzugeben. „Nunmehro“ fuhr Robin fort, „müssen Sie mir eine bindende Verpflichtung für die Sicherheit ihres Geldes ausstellen.“ Dies begriff der Andere nicht, bis er entdeckte, Robin habe die Absicht, ihn an einen Baum zu binden. Dies that er auch; worauf er dem Edelmann, eine gute Nacht wünschte und versicherte, er werde ihn für einen Mann von Ehre halten, wenn er seine Bande nicht eher zerreiße, als bis er fort sey. Dem Gärtner gab er eine Krone und setzte sich auf sein Pferd, ritt davon und überließ den Fremden der Betrachtung über das Unbeständige seiner Sicherheit.

Auf seiner Reise nach Sherwood begegnete er Lord Longshamp, den drei Bediente begleiteten; allein Robin, der viei persönlichen Muth besaß, ritt auf den Lord zu und redete ihn folgendermaßen an: „ich habe jetzt eine große Gelegenheit zu ein wenig Gelde: geben Sie mir also, was Sie haben, oder erwarten Sie einen Schlag auf den Kopf.“ „Wie können Sie, mein Herr!“ versetzte der Lord, „so unverschämt seyn und einen Edelmann anhalten? Laßt mein Pferd gehen, ich will mit Euch fechten!“ „Das ist in der That eine schöne Herausfoderung, die ich recht gern annehmen würde, aber ich zweifle, daß Sie Wort halten; wenn Sie ihr Pferd haben, so reiten sie, statt zu fechten, davon, wie Sie es machten, als Sie den armen Herzog von *** verriethen. So kann ich es Ihnen nicht überlassen, davon zu reiten, Sie müssen bleiben und herausgeben, was Sie haben.“ - „Was der Teufel machen denn meine Bediente? Ihr feigen Memmen stehet alle drei da und sehet zu, wie mich ein einziger Räuber bestiehlt.“ - „Räuber!“ rief Robin aus: „Ich bin ein geborner Edelmann; Sie sehen, daß ich von meinem Schwerdte und Spieße lebe. Verlassen Sie sich ja nicht auf den Beistand ihrer Bedienten; denn der Erste, der die Hand an seinen Degen legt, ist ein Kind des Todes, wie Sie es sind, sobald Sie mehr sprechen. Robin that als ob er ihn hauen wolle, der Lord rief um Pardon und g ab ihm zweihundert Pf. St. (200 Thaler) – Robin ritt hierauf nach Sherwood, um mit seinen Genossen zu zechen.

Bei allen seinen Fehlern war Robin stets ein Freund der Notleidenden und ein Bestrafer der Bedrücker. Gegen die Armen war er freigebig und haßte die reichen Geizhälse. Wir könnten viele Beispiele von seiner Mildthätigkeit und seinem Edelmuthe anführen; allein da wir schon so viele von seinen Unternehmungen erzählt haben, so wollen wir noch eine dieser Art anführen. Als er sich an einem Getraidemarkte zu Mantage befand, kam er zufällig in die Gesellschaft eines reichen Getraidehändlers, der an diesem Tage eine sehr große Menge Getraide gekauft hatte, die er so lange aufheben wollte, bis die Preise stiegen. Robin machte ihm jedoch für das Ganze ein sehr vorteilhaftes Anerbieten und zahlte ihm das Geld hin. Unser Held gab sogleich Befehl, alles Getraide unter die Armen auszuteilen. Der alte Geizhals machte sich auf den Weg, Robin folgte ihm und holte ihn ein. Der Landmann zitterte an allen Gliedern und fragte ihn, ob es recht sey, ihm sein Geld und sein Getraide abzunehmen?“ „Was?“ rief Robin, „Ich habe Euch euer Getraide ehrlich und redlich bezahlt und ihr könnt so unverschämt seyn und von Gerechtigkeit sprechen, da es nichts ungerechteres in der Welt giebt, als einen Getraideaufkäufer. Es ist kein so schädliches Gezüchte im ganzen Lande als ihr, die ihr den Himmel und die Erde mit vorgeblicher Theuerung lästert, obschon nirgends Mangel ist. Sprecht kein Wort mehr von Eurer Gerechtigkeit und Ehrlichkeit, sondern gebt sogleich Euer Geld her, oder ich jage Euch eine Kugel durch den Kopf.“ Der erschrockene Kornhändler gab nunmehro seinen Beutel her, der nicht bloß Robins Geld, sondern auch noch vieles Andere enthielt. Robin entließ den zitternden Wicht mit der Warnung, nie wieder erdichteten Mangel vorzugeben, oder den Armen das Getraide wegzukaufen.

Robins Heldentaten waren jetzt so allgemein bekannt, daß eine große Menge Verhaftsbefehle gegen ihn ausgefertigt wurden. Unter Andern, die solche Verhaftsbefehle hatten, war auch ein Kesselflicker, den er unterwegs nach Nottingham traf. Er redete ihn an und fragte ihn, wo er wohne, da er gehört hätte, es gäbe auswärts nichts als schlimme Neuigkeiten: „Was für schlimme Neuigkeiten?“ fragte der Kesselflicker. „Ich höre von nichts anderm, als von allgemeinem Nachforschen nach Robin Hood; ich selbst habe einen Verhaftsbefehl in der Tasche, um ihn zu verhaften, wo ich ihn finde. Wenn Sie mir sagen können, wo er ist, so will ich für Ihre Mühe einen Mann aus Ihnen machen!“ „Zeigt mir doch einmal den Verhaftsbefehl“, versetzte Robin, „ob er gültig und gut ist und ich will mit Euch gehen und ihn noch diese Nacht gefangen nehmen; denn ich krenne zu Nottingham ein Haus, daß er öfters besucht.“ „Nein!“ erwiderte der Kesselflicker, „meinen Verhaftsbefehl kann ich niemand sehen lassen und wenn Sie mir ihn nicht verhaften helfen wollen, so will ich hingehen und ihn selbst gefangen nehmen.

Als Robin sah, wie das Spiel stehe, bat er ihn, mit ihm nach Nottingham zu kommen; „denn“, sagte er, „ich bin überzeugt, Robin Hood daselbst zu treffen.“ Sie langten bald zu Nottingham an, wo sie in einem Wirthshause einkehrten und so tüchtig tranken, daß sich der Kesselflicker berauschte und einschlief. Robin nahm ihm dann sein Geld und den königlichen Verhaftsbefehl ab und ließ ihm zehn Shilinge, um die Zehrung zu bezahlen. Als der Kesselflicker aufwachte und sein Geld und seinen Verhaftsbefehl vermißte, machte er einen gewaltigen Lärm; er rufte den Wirth und erzählte ihm, was für ein Unglück er gehabt habe; der Fremde, der mit ihm getrunken, sey fort gegangen und habe ihm alles sein Geld und auch noch einen Verhaftsbefehl gegen Robin Hood gestohlen. Der Wirth erwiederte, es sey Robin Hood selbst gewesen, der mit ihm getrunken habe. Jetzt wurde der Kesselflicker wie rasend und prahlte gewaltig, was er gethan haben würde, wenn er ihn gekannt hätte.

Robin Hood hatte jetzt diese Lebensart beinahe zwanzig Jahre getrieben, als er in eine Krankheit verfiel, und wegen seiner schlechten und nichtswürdigen Handlungen von Gewissensbissen gefoltert wurde. Er begab sich insgeheim nach einem Kloster in Yorkshire; hier ließ ihm ein Mönch zur Ader und er ließ sich selbst verbluten. Er starb drei und vierzig Jahre alt und wurde auf dem Kingleyer Todtenacker begraben. Folgende Grabschrift steht auf seinem Leichensteine:

  Unter diesem galten Marmorsteine
  Liegt vom Tode angefallen Einer,
  Unter dem Namen Robin Hood bekannt,
  Der ein Dieb und guter Bogenschütze war;
  Zwanzig Jahre und drüber
  Beraubte er den Reichen, um den Armen zu nähren;
  Daher benetze sein Grab mit Thränen
  Und bete für seine Seele ein andächtiges Vaterunser.