Sir Gosselin Denville, St.

Sir Gosselin stammte von sehr angesehenen Eltern zu Northallerton in dem North Riding von Yorkshire ab. Seine Famile kam mit Wilhelm dem Eroberer nach England, der ihr wegen ihrer Verdienste Ländereien schenkte, wo sie bis auf die Tage Sir Gosselins in großem Rufe lebte. Sein Vater war von einer gottesfürchtigen Denkart und bestimmte seinen Sohn zum geistlichen Stande; er schickte ihn daher auf die Schule, wo er seine Studien mit großem Fleiße und scheinbarem Eifer betrieb. Da er jedoch der Erbe eines sehr ansehnlichen Vermögens war und von Natur eine lasterhafte Denkart hatte, so verstellte er sich blos um seinem Vater nicht zu mißfallen, bis er ein Vermögen in Besitz nehmen konnte.

Seine natürlichen Neigungen konnte er nicht lange unterdrücken und er zeigte bald seinen Hang zu einem schwelgerischen und liederlichen Leben. Seine Aufführung war so schlecht, daß sie seinem Vater das Herz brach. Von einem solchen Anfange läßt sich wenig Gutes erwarten und wäre sein Herz nicht von Natur verdorben gewesen, so hätte dieser Umstand einigen Eindruck auf ihn machen und ihn wieder auf den Weg der Tugend bringen können. Allein bei seinem neu erworbenen Vermögen ließ er allen seinen Leidenschaften die Zügel schießen, die er vorher mit sorgloser Hand geführt hatte und brachte mit seinem Bruder Robert durch Ausschweifungen und Schwelgerei alles durch, was ihm sein Vater hinterlassen hatte. Sie nahmen nunmehro um ihres Unterhalts willen ihre Zuflucht zum Straßenraube und zeichneten sich auf diesem Felde eben so sehr aus. Durch ihre Verwegenheit und Grausamkeit wurden sie der Schrecken des Landes und die Anzahl ihrer Genossen war so groß, daß selbst der Staat darüber in Unruhe gerieth. Sir Gosselins Berühmtheit ging soweit, daß Shadwell in dem Anschlage des Wüstlings seinen Charakter vor Augen gehabt zu haben scheint, dessen Ganzes eine merkwürdige Aehnlichkeit mit dem Leben dieses Ritters hat.


Die erste merkwürdige Unternehmung, die von Sir Gosselin bekannt ist, ist Eine, wobei ihm Middleton und Selby, zwei Räuber der damaligen Zeit, mit ein er ansehnlichen Macht beistanden. Ihre Absicht ging dahin, zwei Cardinäle zu berauben, die vom Pabst nach England zur Zeit Eduards II. geschicht worden waren und dieser Plan gelang ihnen vollkommen. Nicht bloß Reisende, sondern auch Klöster, Kirchen und Häuser waren der Gegenstand ihres Angriffs und sie begnügten sich nicht mit der Beute, sondern ermordeten auch jeden auf eine babarische Art, der sich ihnen widersetzte. Einst begegneten unserm Ritter und seinen Genossen ein Dominikanermönch, Andreas Simpson, den sie nöthigten, seine Börse herzugeben. Da sie jedoch ihren Spaß mit ihm zutreiben wünschten, so zwangen sie ihn, auf einen Baum zu steigen und eine Predigt aus dem Stegreife zu halten.

Der Monch wählte zu seinem Texte die Worte: „ ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho und fiel unter die Räuber, die ihm seine Kleider auszogen und ihn verwundeten, dann fort gingen und halbtod liegen ließen. Er begann mit der Erklärung des Zusammenhangs, nämlich daß ein gewisser Sachwalter zu Christo gekommen sey und ihn gefragt habe, was er thun müsse, um das ewige Leben zu ererben. Er gebot ihm, seinen Nächsten zu lieben und stellte zur Erläuterung die Gleichnißrede oder die Thatsache auf, auf welche sich der Text gründet; auch daß ein Priester und Levite vor diesem armen Manne ohne Mitleid vorbei gegangen seyn, aber ein Samariter hätte Mitleid gehabt und alles mögliche gethan, um seine Wunden zu heilen und seinen Bedürfnissen abzuhelfen.

Der Mönch ging dann zur Einteilung seiner Textesworte auf folgende Art über und schilderte die Gefahr des Reisens, die Personen, von denen die Gefahr herrühre und die Gefahr selbst, ja den wahrscheinlichen Verlust wohl des Vermögens als des Lebens.

Bei der Erläuterung des ersten Theils führte er an, daß die Menge der Einwohnerin einer Stadt dem fremden Schutz gewähre; ganz anders aber sey es auf dem platten Lande, wo jemand kaum einige Meilen weit von seiner Wohnung gehen könne, ohne Räubern in die Hände zu gerathen. Der im Texte erwähnte Mann wollte blos von Jerusalem nach Jericho reisen, welche Entfernnung sechs englische Meilen beträgt, allein da er durch eine von Räubern unsicher gemachte Wüste zu gehen hatte, so begegnete ihm der angeführte Zufall.

Im zweiten Theile wandte er sich zu denen, die ehrliche Reisende unterwegs anfallen; so wie zu denen, welche sich der Faulheit überlassen und unerlaubten Vergnügungen nachgehen, z. B. der Trunkenheit, dem Spiele und andern Lastern und Diebe werden, um ihre Ausschweifungen fortsetzen zu können. Und wenn es schon nicht recht ist jemand an Erwerbung von Vortheilen zu hindern, so ist es noch strafbarer, jemanden das Seine zu nehmen; daher haben göttliche und menschliche Gesetze Diebstahl zu einem Hauptverbrechen gemacht. Es giebt drei Arten von Diebstahl: jemand zu nehmen, was sein Eigenthum ist; etwas durch Raub oder mit Gewalt an sich zu reißen; und Kirchenraub, d. h. das Wegnehmen dessen, was zu einem heiligen Gebrauche bestimmt ist. Dieser letztern Art des Diebstahls habt ihr Euch schuldig gemacht.

„Aber Sie, meine Herrn!“ fuhr der Mönch fort, „sind nicht die einzigen Diebe in der Welt: dies sind auch Fürsten, welche unnöthige Abgaben auflegen; Unterthanen, die nicht die rechtmäßigen Steuer bezahlen wollen; Kaufleute, die falsches Maaß und Gewicht führen und die ihre Rechnungen zu bezahlen vernachlässigen; Herrn, welche ihren Dienstboten den Lohn zu bezahlen aufschieben, oder Dienstboten, welche die Arbeiten oder den Vortheil ihrer Herrn vernachlässigen. Aerzte, Apotheker, Schneider, Fleischer, Advokaten und ein ekelhaftes Verzeichnis dieser Art von Leuten, alle diese gehören zu ihrer Brüderschaft. Sie verfahren in vielen ihrer Handlungen nicht besser als Diebe und können das Reich Gottes nicht ererben.

„Hieraus folgt das Gebot: „du sollst nicht stehlen.“ Dies ist ein ausdrückliches Verbot der Gottheit selbst an alle Arten von Dieben, in welchem Gewandte und in welcher Farbe sie auch erscheinen. Diejenigen, welche den Pfad der Tugend verlassen und Diebe werden, fallen, wenn sie nicht noch vor derzeit an den Galgen kommen, durch Gottes Hand oder erhalten eine andere ausgezeichnete Strafe und verwickeln sich und ihre Familien in fortdauernde Schande, während sie selbst zu endlosen Qualen in der andern Welt fortgerissen werden. Es kann seyn, daß sie lange leben und oft entwischen, ehe sie ergriffen werden, aber ihrem Gewissen können sie nicht entfliehen; dieses verfolgt Sie beständig, martert Sie und erfüllt Sie mit Schrecken. Widerrechtlich erworbener Reichthum schmerzt mehr als der Verlust des Vermögens; das Letztere verursacht dein Geiste nur einmal Unruhe; das Erste quält ihn beständig. Meine Herrn! Haben Sie Ihre Augen sowohl auf das Ende als auf den Anfang gerichtet.

„Nun, meine Herrn! der Anfang des Diebstahls ist der Eingang ins Gefängniß, wo Ihre Gefährten Hunger, Durst, Fesseln, Eisen und Ungeziefer sind und das Ende das Hängen ist, wenn Sie nicht einen Gegner finden, der so gütig ist, wie Eduard der Bekenner. Ich will Ihnen die Geschichte zu Ihrer Belehrung erzählen. Als Eduard eines Morgens im Bette lag, trat ein armer Hofmann ins Zimmer, ging zu seinem Koffer, und nahm so viel Geld heraus, als er fortbringen konnte, jedoch war er damit nicht zufrieden und kam zum zweiten Male zurück. Als er es aber zum dritten Male versuchte, unterbrach ihn der König bei seinem Geschäfte und sagte, daß, wenn ihn sein Schatzmeister dabei antreffe, er in Lebensgefahr kommen werde. Der Schatzmeister trat in diesem Augenblicke ins Zimmer, aber der König verlangte, daß er den Mann gehen lassen solle, da er das Geld nöthiger brauche als er.

„Aus diesem Umstande ergebt sich, daß Leute Ihres Gewerbes der Strafe zwar bisweilen entgehen, aber wenn Sie dasselbe fortsetzen, so können Sie erwarten, auch die verdiente Strafe zu erhalten. Die Strafen Gottes erfolgen nicht immer gleich, aber sie sind jederzeit gewiß, wenn nicht Reue erfolgt.“

Hierauf ging er zu dem Umstande über, daß die Sünde des Stehlens verpflichtend und daß es also ihre Pflicht sey, das, was sie ungerechter Weise genommen hatten, zurück zu geben. Er führte das Beispiel eines jungen Räubers an, der durch die Klagen des Evangelisten Johannes gebessert worden sey und schloß mit ihrer ernstlichen Ermahnung zur Buße.

Man hätte denken sollen, diese Rede würde unsere Abentheurer auf ein besseres Betragen bringen, allein sie waren zu tief im Bösen versunken, als daß sie sich zu bessern Lust hatten. Sie selten ihren Lebenswandel fort und wurden alle Tage furchtbarer, und raubten mit solcher Verwegenheit, daß Landsitze verlassen und Sicherheit in befestigten Städten gesucht wurde. Sie schlugen die Truppen, welche zu ihrer Aufhebung ausgeschickt waren und ließen sich von keinem Entwurfe weder durch die Größe der Gefahr, noch durch die Größe der dabei vorkommenden Personen abschrecken. Der König wurde auf einer Reise durch den worden von England von einer Bande in Priesterkleidung angefallen und er und seine Edlen mußten sich berauben lassen. Dieser Raub wurde höchlich übel genommen und es erschienen mehrere Aufrufe, die denen große Belohnungen versprachen, die Einen der Räuber gefangen nähmen. Das Versprechen von Belohnungen erzeugte selbst Verräther unter ihnen und noch keinen Monat darauf wurden sechzig der Obrigkeit überliefert.

Die letzte Heldenthat des Sir Gosselin und seiner noch übrigen Helfershelfer war ein Angriff auf den Bischof von Durham. Sie raubten alles von Werth in seinem Pallaste und mißhandelten nicht bloß ihn selbst, sondern auch sein Gesinde und seine Familie; aber das Glück unsers Ritters schien nunmehr auf der Neige zu seyn.

Seine Liebschaften waren zahlreich. Unter ihnen befand sich auch die Frau eines Wirths, dessen Haus er oft besuchte, nicht sowohl des guten Bieres wegen, als um der Schönheit der Wirthin willen. Der Mann suchte sich jedoch bei Gelegenheit zu rächen und verrieth den Ritter und seine Leute eines Abends, wo sie in seinem Hause zechten. Der Sheriff und fünfhundert Mann umringten den Trupp, der sich äußerst tapfer wehrte; er ergab sich nicht eher, als bis 200 von den Angreifern gefallen und er völlig eingeschlossen war. Man schaffte die Gefangenen unter einer starken Bedeckung nach York, wo sie sogleich ohne weitere Untersuchung zur Freude von Tausenden hingerichtet wurden.