Dick Morris, St.

Wir haben keine Nachricht von der Geburt oder Erziehung dieses Missethäters, wahrscheinlich waren beide schlecht. Seine Unternehmungen zeichneten sich durch Erfindung aus, wir wollwn aber von seinen Heldenthaten bloß die Merkwürdigkeiten erzählen.

Einstmals trank Dich in einem Wirthshause zu Winchester und belauschte die Unterhaltung zweier Edelleute, die einander ihr Unglück klagten; sie liebten beide zwei Frauenzimmer, welche sie durchaus nicht leiden konnte. Er machte sich keck in ihre Gesellschaft und machte sich beliebt, indem er vorgab, er habe von seinem letzten Herrn, einem berühmten Sterndeuter und Magiker, die untrügliche Gewalt erhalten, die Liebe der Frauenzimmer dem zuzuwenden, welchen er wolle. Die Edelleute erzählten ihm ihr Schicksal und er versprach, er wolle, wenn voller Mond sey, seine Zauberkraft auf die Schönen wirken lassen, sobald sie ihm nur einige von ihren Haaren verschaffen könnten: dies versprachen die Liebhaber. Es dauerte noch einige Zeit, ehe der Mond voll ward, unterdessen lebte Dick prächtig auf Kosten dieser schwachköpfigen Liebhaber.


Darauf befahl ihnen Dick, einen neuen Sack, einen kleinen starken Strick, einen größeren, ein neues Messer, eine Kette und eine Bürste zu kaufen, welche Sachen man ihm in Verwahrung gab. Endlich kam der lange ersehnte Zeitpunkt, die Herrn zogen auf Dicks Geheiß ihre reichsten Kleider an, setzten sich auf ihre besten Pferde und steckten die Taschen voll Geld. Sie ritten alle drei ungefähr zwei Meilen von der Stadt weg, auf einen einsamen Weg, wo dieser Zauberversuch zur Ausführung gebracht werden sollte. Sie stiegen ab und Dick fing sogleich an, sonderbare Gesichter zu schneiden, zog einen Kreis auf dem Boden, sprach unaufhörlich unverständliche Worte, drehete sich in auffallenden Stellungen bald nach Osten, bald nach Westen, verrichtete mit den Händen und Füßen die wunderbarsten Zeremonien und setzte die Herrn in eben so großes Erstaunen als in Furcht.

Nachdem Dick mit seinen Gaukeleien zu Ende war, machte er mit dem ersten Herrn den Anfang; er befahl ihm, sich auszuziehen, und lehrte ihm zugleich, gewisse sinnlose Worte zu wiederholen, indem er bei jedem ein Kleidungsstück wegwarf; der Andere that getreulich, was ihm geheißen ward. Ob es schon mitten im Winter war, so zog er sich doch nackt aus, und Dick gab ihm ein Messer in die Hand, mit dem er einige Stiche nach den verschiedenen Weltgegenden machen, dann in einen Sack kriechen und zwar mit dem Kopfe zuerst und sich eine halbe Stunde lang darin ganz ruhig verhalten sollte; denn wenn er nur einen Fuß rege, so werde er in einer Minute in der Barbarei seyn. Dies setzte ihn in Schrecken und er befolgte pünktlich, was ihm Dick vorschrieb.

Den andern Herrn führte er an einen Baum, um den er einen Kreis zog, in welchen der Herr völlig nackt treten mußte. Seine Hände wurden mit einem aus den Haaren seiner Geliebten gesponnenen Faden gebunden; um den Leib wurde ihm ein Strick geschlungen und er wurde am Baume angebunden. Dick befahl ihm, wie dem Ersten, sich ganz ruhig zu verhalten und nachdem er auf diese Art seinen Raub gesichert hatte, hob er ihre Kleider auf, die er auf das beste Pferd packte, setzte sich darauf, ritt davon und langte den andern Morgen zeitig in London an.

Das Liebesfeuer, das diese beiden Herrn verzehrte, war etwas abgekühlt, ehe sie ihre Freiheit wieder erhielten; denn sie waren beinahe vor Kälte erstarrt. Der eine bemerkte, die Dichter hätten guten Grund, die Liebe als blind darzustellen, denn wenn dies nicht der Fall gewesen, so würden sie leicht bemerkt haben, daß die vorgebliche Macht des Räubers lächerlich sey und daß seine Versprechungen keinen andern Zweck hätten, als ihnen ihr Geld und ihre Kleidungsstücke abzunehmen.

Zu Northampton machte Morris wiederholte Versuche, einen reichen presbyterianischen Geistlichen zu bestehlen, der in der Nachbarschaft lebte, allein sein Versuch war noch immer mißlungen; indessen wollte er die Gegend doch nicht verlassen, ohne seinen Streich ausgeführt zu haben; er strengte daher seinen Scharfsinn noch einmal an. Da er wußte, daß der Pfarrer unwissend und abergläubisch war, so verschaffte er sich einen leinenen Fuhrmannskittel, den er dick mit Teig beschmierte und mit S chwefelsfäden bestückte. Er schlich sich in die Kirche, ohne daß ihm die Frau bemerkte, die sie wegen des Sonntags rein machte, stieg auf die Kanzel, schlug Feuer an und setzte seinen Rock in Flammen. Dann richtete er sich in die Höhe und rief: „Weib! Weib! hör auf meine Stimme.“ Die alte Frau lief beim Anblicke dieses flammenden Schauspiels voller Schrecken aus der Kirche, aber Dick schrie ihr nach und sagte: „Weib! wenn du nicht zurück kommst und hörst auf meine Stimme, so sollst du augenblicklich des Todes seyn.“ zitternd kam sie zurück; er sprach ihr Muth zu und sagte, „sie solle sich nicht fürchten, denn er wäre ein Engel; er komme, um ihr zu befehlen, zu dem Prediger dieser Kirche zu gehen und ihm zu sagen, was sie gesehen und daß seine Seele noch heute von ihm gefodert werden würde; daß er all sein Geld und Silber-Geschirr herbringen und keine Unwahrheit sagen solle; denn wenn er lüge, so werde er ihn an den Ort bringen, den seine Thaten verdienten. Die Frau machte einen Knix und lief in aller Eil nach dem Hause des Pfarrers, um ihre tröstliche Botschaft auszurichten. Morris stieg von der Kanzel herab, legte sein Engelgewand ab und folgte der Frau. Der abergläubische Pfarrer gerieth so in Angst, daß er sein Silbergeschirr und sein Geld einzupacken began; hierauf rufte er seine Magd und sagte zu ihr, seine Zeit sey gekommen, und er müsse sie verlassen, da ein Engel auf ihn warte. Sie äußerte ihre Betrübniß über den Verlust ihres gefälligen Herrn, erinnerte ihn an die vorigen Gunstbezeugungen und hoffte, er werde sie doch nicht ganz hülflos verlassen. „Das ist wahr;“ versetzte der Pfarrer, „ich bemitleide Euch von ganzer Seele. Hier sind zehn Pfund in dieser silbernen Trinkkanne, nimm sie; denn da dies eine Handlung der christlichen Liebe ist, so kann ich vielleicht Vergebung erhalten.“

Diese Worte hörte Morris, der außen vor der Thür lauschte. jetzt eilte er so schnell als möglich nach der Kirche zurück, wo er seine vorige Stellung wieder einnahm und seinen Anzug von neuem anzog. Bald erschien der Pfarrer und als er den schauerlichen Glanz des Engels erblickte, näherte er sich ihm mit Zittern. Morris erwähnte nochmals die Absicht, in der er gesandt worden sey und fragte ihn, ob er alles sein Silbergeschirr und sein Geld mitgebracht habe. Der Pfarrer erwiderte: „ja!“ - „Wie?“ rief Dick aus, „wo sind die zehn Pfund in der silbernen Trinkkanne?“ - „Ach!“ versetzte der Pfarrer zitternd, „ich sehe wohl, daß du ein Engel bist, denn du weißt die Geheimnisse der Herzen der Menschen.“ Dick befahl ihm es zu holen und der Pfarrer lief sogleich nach Hause und sagte zu seiner Magd: „Oh! Hannah! Hannah! Ihr müßt mir die zehn Pfund wieder geben, denn der Engel wuß te, daß ich nicht all mein Geld mitgebracht hatte.“ Die Magd gab es ihm, aus Furcht, ein Hindernis seiner Rettung zu seyn und als er wieder zu Dick kam, hielt ihm dieser einen großen Sack hin und sagte zu ihm: „kriecht hinein und wenn ihr auf Eurer geistlichen Reise auf Schwierigkeiten stoßt, so beklagt Euch nicht, weil der Weg schmal ist, der zum Leben führt und nur Wenige ihn ausfindig machen.“

Hierauf band er den Sack zu und nahm ihn aus die Schultern; ungefähr eine Viertelmeile von der Kirche warf er ihn in eine Schweinekobe und ließ ihn da liegen. Bald darauf fand sich ein Knecht ein und da er sich etwas im Sack bewegen sah, so lief er voller Schrecken zu seinem Herrn und erzählte ihm, was er gesehen hatte. Dieser kam und sagte zum Knechte: „nimm die Heugabel und stich durch den Sack.“ Als das der arme Pfarrer hörte und glaubte, er sey in den höllischen Regionen angelangt, und diesen Befehl ertheile Satanas seinen Engeln, schrie er um Schonung. Hierauf öffnete man den Sack und gerieth in kein geringes Erstaunen, als man den Pfarrer des Dorfs darin sah. Er erzählte, was ihm widerfahren war; alles hörte mit Erstannen zu und er kehrte hundert und zwanzig Pfund ärmer zu seiner Magd Hannah zurück, als er sie verlassen hatte.

Unser Abentheurer reisete einst in der Kleidung eines Pächters zwischen Sittingborn und Rochester, wo er einen Heuwagen einholte. Er ließ sich mit dem Knechte in ein Gespräch ein und stand ihm unterwegs bei, damit der Wagen an tiefen Stellen nicht das Gleichgewicht verlor. Als er durch Chatam fuhr, fragte ihn ein Wirth nach dem Preise des Heus, indem er ihn für den Eigenthümer hielt. Der Knecht hörte nichts davon, fuhr fort, während Morris eine Hand voll herabriß, sie dem Wirth hinhielt und ihn ersuchte, es zu beriechen und zu sagen, ob er je besseres Heu gesehen habe. Der Wirth fand es sehr gut; man wurde über den Preis einig, er bezahlte Dick acht Shilinge für das Pfund. „Ich denke“, sagte Dick, „Sie werden meinen Wagen auf dem Markte unter den andern leicht heraus finden; sagen Sie meinem Knecht, er solle es in ihr Haus fahren und mit dem Vieh wieder nach Hause zu eilen suchen. Der Wirth ging und Dick machte sich eilig aus dem Staube. Der Wirth zankte sich mit dem Tölpel herum, wandte sich darauf an den Friedensrichter, der den Ausspruch that, er solle wegen seiner Leichtgläubigkeit sein Geld verlieren.

Bald darauf wurde Morris entdeckt, verhört, verurtheilt und im Jahre 1705 mit Arthur Chambers und Jack Goodwin zu Tyburn hingerichtet.