Der goldene Pächter, St.

Dieser Mann hieß eigentlich William Davis; war in Nordwales geboren und erhielt den Namen des goldenen Pächters von der Gewohnheit, jede beträchtliche Summe in Golde zu bezahlen. In frühern Jahren begab er sich nach Südbury in Gloncestershire, wo er ein Gut pachtete, die Tochter eines reichen Wirths heiratete, mit der er acht Kinder zeugte und dies thätige Gewerbe bloß in der Absicht betrieb, um den wirklichen Charakter eines Räubers zu verbergen, was er ohne Verdacht 42 Jahre lang war. Gewöhnlich raubte er allein. Eines Tags traf er einige Landkutschen, und hielt Eine davon an, welche voll Damen saß, die alle in seine Foderungen willigten, eine Quäkerin ausgenommen, die versicherte, sie habe kein Geld noch irgend etwas von Werth bei sich; da er sich nicht gern länger mit ihr streiten wollte, um nicht seine Beute bei den andern Kutschen zu verlieren, nahm er Abschied und sagte zugleich zu ihr, er werde bald wieder kommen und den Streit beendigen. Wirklich kam er nicht lange nachher so wild zurück und sprach so heftige daß die arme Quäkerin in Schrecken gerieth und trotz ihren vorigen Versicherung eine Börse mit Guineen, eine goldene Uhr und einen Diamantring überreichte. Nun schieden beide als so gute Freunde voneinander, als ob sie sich nie mit einander gezankt hätten.

Ein ander Mal begegnete der goldene Pächter der Herzogin von Albemarle und hatte mit zwei Bedienten, einem Kutscher und einem Postillion, einen tüchtigen Kampf zu bestehen, die er insgesammt verwundete, ehe er seine Beute bekam. Auch war die Herzogin noch widerspenstiger als die Quäkerin und alle sein Schreien und seine Drohungen konnten sie nicht dahin bringen, ihm ihr Geld oder ihre Kostbarkeiten zu geben. Er entfernte sich daher höchst ungern von ihr, zog ihr bloß drei Diamantringe mit Gewalt von den Fingern und riß ihr eine goldene Uhr von der Seite, weil er in einiger Entfernung einen vornehmen Herrn bemerkte, der sich mit einem zahlreichen Gefolge näherte.


Das nächste Abentheuer, das der goldene Pächter bestand, war mit Sir Thomas, einem Friedensrichter, den er kannte, ob ihm schon der Pächter unbekannt war. Unterwegs ließ er sich mit ihm in ein Gespräch ein und erzählte ihm, er wäre nur mit schwerer Mühe zwei Straßenräubern entgangen, welche er glücklicher Weise um 40 Pfund Sterling geprellt hätte, die er bei sich habe, da sein Pferd schneller sey als die ihrigen. Sir Thomas erwiderte, „dies würde zwar höchst unangenehm gewesen seyn, allein da Sie zwischen der aufgehenden und untergehenden Sonne d. h. bei Tage bestohlen worden wären, so hätte Ihnen die Grafschaft ihren Verlust ersetzen müssen.“ Auf diese Art unterhielt er sich mit Sir Thomas, bis er an eine Stelle kam, die er zur Ausführung seines Vorsatzes für passend hielt. Der Pächter schoß das Pferd des Bedienten nieder, nöthigte ihn, sich eine Strecke zu entfernen, hielt Sir Thomas das Pistol auf die Brust und verlangte sein Geld. Sir Thomas gab zur Antwort: „ich dachte, mein Herr! ich hätte es mit einem ehrlichen Manne zu thun.“ Der Pächter versetzte: „Sie sehen, daß sich Ew. Wohlgeboren irren, und wenn Sie Scharfsicht genug besessen hätten, so würden Sie bemerkt haben, daß mein Gesicht das wahre Ebenbild des Elendes sey; daher geben Sie nur sogleich her; denn ich kann nicht warten.“ Sir Thomas überreichte alsdann dem Pächter ohngefähr 60 Pf. St. (360 Thaler) in Gold. Hierauf nahm dieser von dem Friedensrichter Abschied mit der Erinnerung , daß das, was er ihm gegeben, nicht verloren sey, weil er zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang beraubt worden und es ihm also, wie er selbst gesagt, die Grafschaft wieder ersetzen müsse.

Einst wurde ein junger Herr von Engfield, der ein beträchtliches Vermögen besaß, von dem goldenen Pächter eingeholt, der diesen Morgen lange auf Beute gewartet hatte. Sobald der Pächter den jungen Herrn ansichtig wurde, ritt er sogleich auf ihn zu, versetzte ihm mit seinem gezogenen Hirschfänger einen Schlag auf die Schulter und rief: „zum Henker! wie langsam seyd ihr, daß ihr einen Mann einen ganzen Morgen auf euch warten laßt. Gebt sogleich her, was ihr habt und schert Euch zum T. . .“ Der junge Stutzer, der von seiner Geliebten und von seinen Bedienten an eine höflichere Sprache gewöhnt war, runzelte die Stirn und fing an, sich zu entschuldigen. Der Pächter, der über diese Zögerung ungeduldig und überzeugt war, daß ein solcher Fant auf Reisen nicht von Almosen oder dem Zufalle lebe, durchsuchte ihm sehr höflich die Taschen und fand 100 Guineen (600 Thaler) nebst einer goldenen Uhr darin. Dann versetzte er ihm noch drei Hiebe mit seinem Hirschfänger auf die Schultern und ermahnte ihn, nicht zu lügen, wenn ein ehrlicher Mann an seiner Güte Antheil zu haben wünsche.

Der Pächter, der nunmehro im Straßenraube immer geschickter als in der Bearbeitung seiner Pachtung wurde, bezahlte einst dem Besitzer seines Pachtgutes sein Pachtgeld, das über 40 Pf. St. (240 Thaler) betrug und wünschte diese Snmme gern wieder zu haben. Er verkleidete sich daher, ging dem guten Herrn nach, redete ihn auf eine grobe Art an und sagte zu ihm: „kommen Sie, Herr Ernsthaft vom Kopfe bis zu dem Fuße, aber weder vom Kopfe noch vom Fuße bis zum Herzen und geben Sie mir augenblicklich, was Sie haben.“ Der alte Mann that einen Seufzer und sagte, er glaube, er habe es eher mit einem vornehmen Herrn zu thun, als mit einem Räuber, der einem alten Manne die wenigen Groschen nehmen wolle, die sein Alles seyn. Der Pächter gab zur Atwort, sein Aeußeres verrathe, daß er mehr bei sich habe; er möchte daher seinen Beutel nur ohne weitere Umstände aufmachen oder sonst falle es für ihn nicht gut aus. „Bester Herr!“ erwiderte der Gutsbesitzer, „Sie können gegen einen alten Mann nicht barbarisch seyn. Wie? haben Sie keine Religion, kein Mitleid, kein Gewissen, keine Ehrfurcht gegen ihren eigenen Leib und Seele, daß Sie so schändlich verfahren wollen1“ - „Was!“ versetzte der Pächter, „Ihr sprecht von Mitleid, Menschlichkeit, Gewissen und Frömmigkeit? Ich habe von dieser närrischen Ware nicht mehr als Ihr; daher gebt her, was Ihr habt, ehe Euch dies Pistol zur Reue über Eure Hartnäckigkeit bringt.“ Aus Furcht holte der Gutsbesitzer alle sein Geld heraus und gab es ihm, ohne eine Bescheinigung darüber zu erhalten, dergleichen er dem goldenen Pächter gegeben hatte.

Ein alter Viehmäster von Putney-heath war das nächste Opfer des geitzigen Pächters. Dieser redete ihn unterwegs an und erzählte ihm, es wären einige verdächtige Leute hinter ihnen, die er für Straßenräuber halte; in dieser Absicht bäte er ihn, zehn Guineen für ihn zu verbergen, die bei ihm wegen seines schlechten Anzugs sicherer seyn würden. Der Viehmäster nahm den Antrag an und sagte, daß, da er selbst 50 Guineen in seinem Hemdezipfel versteckt habe, er sie zu denselben thun wolle. „Es scheint nicht, fing der Pächter in kurzem an. daß jemand seinen Kopf aufs Spiel setzen will, Euch heute zu berauben; es wird daher gut seyn, wenn ich es selbst thue.“ Ohne weitere Umstände verlangte er, seinen Hemdezipfel abzuschneiden, statt ihm seine Börse zu geben und da der Viehmäster dies nicht wollte, so machte sich der Pächter selbst daran und leerte ihm sein Hemde aus.



Herr Brougthon war die nächste Beute des goldnen Pächters. Sie trafen unterwegs in einem Wirthshause zusammen; der Pächter erzählte ihm, er wolle nach London reisen, um einen benachbarten Pächter zu verklagen, der sein Vieh auf sein Feld habe laufen lassen. Er ersuchte Herrn Brougthor, ihn doch einen geschickten und redlichen Advokaten zu empfehlen, der seine Sache betreibe. Brougthon machte es, wie alle Advokaten, er wollte ihn selbst zu seinem Klienten haben und der Pächter fuhr fort, ihn ausführlich von seiner Sache zu unterrichten. Sie blieben des Nachts in einem Wirthshause und machten sich den andern Morgen zusammen auf die Reise nach London, wo der Pächter den Advokaten fragte: „Sagen Sie mir doch, mein Herr! was versteht man in den englischen Gesetzen unter trover und conversion?“ „Das bedeutet nach unserm gemeinen Rechte, war die Antwort, eine Klage, die jemand gegen den Andern anstellt, der etwas, was ihm gehört, gefunden hat, es ihm nicht wieder heraus geben will und es vielleicht zu seinem Nutzen verwendet.“ Da der goldene Pächter jedoch an einer Stelle war, die er zur Ausführung seiner Absicht für angemessen hielt, so sagte er: „Nun wohl, mein Herr. wenn ich Geld bei Ihnen finde und es zu meinem Vortheile verwende, so können Sie bloß einen Prozeß anstellen, wenn ich es nehme“ ? „Das ist Raub, der keine geringere Genugtuung verlangt als Menschenleben.“ - „Raub!“ rief der goldene Pächter aus, „ich muß doch einmal Einen in meinem Leben begehen.“ Hierauf zeigte er ihm sein Pistol und foderte augenblicklich sein Geld oder sein Leben. Der Advokat, der über das schändliche Benehmen seines Klienten in kein geringes Erstaunen gerieth, fing an in starken Ausdrücken Einwendungen dagegen zu machen, hielt ihm seine sträfliche Handlung vor und sagte, sie sey eben so sehr gegen das Gesetz, als wider das Gewissen. Diese beredte Vertheidigung machte jedoch keinen Eindruck auf das Herz des Pächters; dieser setzte ihm die Pistole auf die Brust, und der Advokat gab ihm sein Geld, das sich auf 4o Pf. St. (240 Thaler) belief, einige große Goldstücke und eine goldene Uhr.

Eines Tags redete der Pächter unterwegs einen Kesselflicker an, von dem er wußte, daß er sieben bis acht Pf. St. bei sich habe und sagte zu ihm: „Na, Bruder Kesselflicker! ihr scheint ein sehr bescheidener Mann zu seyn; denn Euer Leben ist eine beständige Wallfahrt; in Eurer Demuth geht ihr beinahe barfuß und macht aus der Noth eine Tugend.“ - „Ja! mein Herr!“ versetzte der Kesselflicker, „die Noth zwingt, wenn der Teufel treibt und hättet Ihr nicht mehr als ich, so würdet Ihr es eben so machen.“ „Das könnte seyn,“ erwiderte der Pächter, „ich glaube, Ihr zieht in ganz England herum.“ „Ja!“ entgegnete der Kesselflicker, „ich durchwandere einen großen Theil, aber doch nicht so viel, als ihr durchreitet.“ ? „Mag dies seyn, wie es will, ich glaub, es ist an Euerm Betragen nichts auszusetzen, weil Ihr beständig ausbessert.“ - „Ich wünschte,“ antwortete der Kesselflicker, „man könnte dies von Euch sagen.“ Der Pächter erwiderte, er sey kein Mann wie er, der trotz den Schlägen oder dem Kerker lieber stehle als bettle.“ Entschlossen, das letzte Wort zu haben, erwiderte der Kesselflicker, „Ihr müßt wissen, daß ich mir wegen meines Lebensunterhaltes viele Mühe gebe.“ Der Pächter eben so redselig, gab zur Antwort: „ich weiß, daß Ihr ein solcher Seind des Müßigganges seyd, daß Ihr um der Arbeit willen lieber drei Löcher in einen Kessel macht, indem Ihr Eines ausbessert.“ „Das mag seyn,“ erwiderte der ehrliche Kesselflicker, „aber ich fange an zu wünschen, daß wir weit von einander entfernt wären, da ich weder Eure Unterhaltung liebe, noch mir Euer ansehen gefällt.“ „Ich bin bereit, auch dasselbe von Euch zu sagen; denn ob Ihr Euch schon an allen Orten nährt, so erlaubt man Euch doch selten, in die Thür eines Hauses zu treten.“ Der Kesselflicker wiederholte seinen starken Verdacht gegen den Pächter: „Und so soll dieser auch nicht ohne Ursache seyn!“ rief der Pächter aus; „öffnet Euren Quersack und gebt das Geld her, das darin ist.“ Der Kesselflicker bat den Pächter um Gottes willen, er mochte ihn doch nicht berauben, da er über 100 englische Meilen von seiner Heimath entfernt sey, allein der goldene Pächter blieb taub gegen alle Vorstellungen, nahm ihm sowohl seinen Quersack, als sein Geld ab und ließ den armen Kesselflicker seine Wanderungen und seine Arbeit fortsetzen.

Dieser berüchtigte Räuber war endlich am Ziele seiner verruchten Laufbahn; da seine Thaten und sein Charakter jetzt allgemein bekannt waren, so erhob sich ein großes Geschrei gegen ihn und alles verschwor sich zu seinem Untergange. Er wurde ergriffen, eingekerkert, vor Gericht gestellt und verurtheilt. Im Gefängnisse brachte er seine Zeit auf eine eben so lustige Art zu, als sein voriges Leben und ein gewaltsamer Tod machte seiner verruchten Laufbahn ein Ende.