Sawney Beane und seine Familie, Räuber und Cannibalen.

Folgende Erzählung stellt ein solches Gemälde von menschlicher Barbarei vor, die man nicht glauben würde, wenn sie nicht von den glaubwürdigsten Zeugen bestätigt würde.

Saivney Beane wurde in der Grafschaft Ost-Lothian, ungefähr acht englische Meilen von Edinburgh unter Jacobs VI. Regierung geboren. Sein Vater war ein Zaunmacher und Teichgräber und erzog seinen Sohn zu derselben arbeitsamen Beschäftigung; allein da er von Natur zum Müßiggange und zu Lastern geneigt war, so verließ er diesen Ort mit einem eben so faulen als lasterhaften Frauenzimmer, begab sich nach den Einöden von Galloway und nahm seine Wohnung an der Seeseite. Die Stelle, welche Sawney und seine Frau zu ihrem Aufenthalte wählten, war eine Höhle, die ungefähr eine englische Meile lang und von beträchtlicher Breite war; sie lag so nahe am Meere, daß die Fluth oft über 200 Yards in sie hinein drang. Der Eingang hatte mehrere Krümmungen und Irrgänge, die zu dem Ende der unterirdischen Wohnung führten, welche buchstäblich „der Aufenthalt der schrecklichsten Grausamkeiten war.“


Sawney und seine Frau nahmen ihren Aufenthalt in dieser Höhle und begannen ihre Räubereien. Sie ermordeten jeden, den sie beraubten, um die Möglichkeit jeder Entdeckung zu verhindern, und da es ihnen auch an Gelegenheit fehlte, irgend eine Nahrung zu erhalten, so entschlossen sie sich, von Menschenfleische zu leben. Wenn sie daher einen Mann, eine Frau oder ein Kind ermordet hatten, so schafften sie dieselben nach ihrer Höhle, zerstückelten sie, salzten und pökelten die Gliedmaßen ein und trockneten sie zu ihrer Nahrung. Auf diese Art lebten sie von Raub und Mord, bis sie acht Söhne und sechs Töchter, achtzehn Enkel und vierzehn Enkelinnen, alle in Blutschande erzeugt, hatten.

Ob sich gleich ihre Anzahl schnell vermehrte, so war doch die Menge der Unglücklichen, die ihnen in die Hände fiel, so groß, daß sie oft Ueberfluß an Lebensmitteln hatten. Sie warfen daher in einiger Entfernung von ihrer Wohnung Schenkel und Arme von getrockneten Menschenkörpern bei Nachtzeit ins Meer. Diese wurden oft von der Fluth ausgeworfen und von den Landleuten mit großem Entsetzen und zur Betrübniß aller benachbarten Einwohner aufgehoben. Niemand konnte errathen, was für ein Loos die vielen Freunde, Verwandten und Nachbarn befallen hatten welche unglücklicher Weise diesen grausamen Kannibalen in die Hände gerathen waren.

So wie Sawneys Familie wuchs, nahm jeder, der dazu im Stand, war, seinen Antheil an diesen schrecklichen Ermordungen. Bisweilen fielen sie vier bis sechs Mann zu Fuße, nie aber mehr als zwei zu Pferde an. Um jede Möglichkeit zum Entkommen zu verhindern, legten sie sich in jeder Richtung in Hinterhalt, damit, wenn sie denen entwischten, die zuerst angriffen, mit erneuerter Wuth von einer andern Partei angegriffen und nothwendig ein Raub des Todes würden. Auf diese Art sicherten sie sich stets ihre Beute und verhinderten jede Entdeckung.

Endlich brachte jedoch die große Menge, die ermordet wurden, die Einwohner der Gegend in Bewegung und alle Wälder und Schlupfwinkel wurden sorgfältig durchsucht und ob man schon oft vor der Mündung der schrecklichen Höhle vorbei ging, so fiel es doch nie jemand ein, daß darin ein menschliches Wesen hause. In diesem Zustande von Ungewißheit und Zweifel über die Urheber so häufiger Mordthaten wurden mehrere unschuldige Reisende und Wirthe aus bloßem Verdacht eingezogen, weil man die Personen, die vermißt wurden, zuletzt in ihrer Gesellschaft gesehen, oder weil sie zuletzt in ihren Häusern übernachtet hatten. Die Folge von dieser wohlgemeinten, aber strengen Gerechtigkeit war, daß der größte Theil der Wirthe in diesen Gegenden ihr Geschäft zum großen Nachtheile der Reisenden in diesem Bezirke aufgab.

Unterdessen wurde das Land entvölkert und die ganze Nation war in Erstaunen, wie so viele und unerhörte Grausamkeiten und Bübereien ohne die geringste Entdeckung der abscheulichen Thäter begangen werden könnten. Endlich mischte sich die Vorsehung selbst darein und machte den schändlichen Auftritten auf folgende Art ein Ende: eines Abends ritt ein Mann und seine Frau auf einem Pferde von einem Jahrmarkte nach Hause, der in der Nachbarschaft gewesen war. Bei dem Angriffe leistete der Mann den kräftigsten Widerstand; zum Unglück wurde jedoch seine Frau hinter ihm herunter gezogen, eine kleine Strecke fortgeschleppt und ihr Eingeweide augenblicklich herausgenommen. Von Entsetzen und Betrübniß ergriffen, verdoppelte er seine Anstrengung zum Entkommen und ritt sogar Einige davon nieder. Zum Glücke für ihn und für die Bewohner dieses Theils des Landen kamen unterdessen zwanzig bis dreißig Personen heran geritten, welche ebenfalls von dem Jahrmarkte zurückkehrten. Bei ihrer Annäherung flohen Sawney und seine blutgierige Gesellschaft in einen dicken Wald und eilten nach ihrer höllischen Höhle.

Dieser Mann, welcher der Erste war, der ihren Händen entkommen war, erzählte seinen Nachbarn sein Schicksal und zeigte ihnen den verstümmelten Leichnam seiner Fran, der in einiger Entfernung davon lag und den die blutdürstigen Ungeheuer aus Mangel an Zeit nicht hatten mitnehmen können. Alle waren vor Entsetzen und Erstaunen außer sich, nahmen ihn mit nach Glasgow und erzählten den ganzen Vorfall der vornehmsten Obrigkeit der Stadt. Hierauf schrieb diese an den König und meldete ihm die ganze Sache.

In wenig Tagen suchte der König in Begleitung von 400 Mann die Urheber dieser Grausamkeiten selbst auf. Der Mann, der seine ermordete Frau vor Augen hatte, diente ihnen nebst einer großen Anzahl Schweißhunden zum Führer, um ja kein Mittel unversucht zu lassen, den Aufenthaltsort dieser grausamen Verbrecher zu entdecken.

Man durchstrich die Wälder und untersuchte das Seeufer und ob man schon vor dem Eingange der Höhle vorbeiging, so fiel es doch niemand ein, daß in diesem finstern und traurigen Aufenthalte ein Geschöpf leben könne. Glücklicherweise lief ein Schweißhund in die Höhle, machte einen ungewöhnlichen Lerm und gab dadurch zu erkennen, daß jemand darin sey. Der König und seine Leute kehrten um, konnten aber nicht begreifen, wie in einem so finstern Loche sich irgend ein menschliches Wesen aufhalten könne, wo der Eingang beschwerlich und eng sey; allein da die Schweißhunde ihr Bellen vermehren und nicht zurück wollten, so war jedermann der Meinung, die Höhle müsse bis an ihr äußerstes Ende durchsucht werden. Man holten eine hinlängliche Anzahl Fackeln herbei, und ließ die Hunde ihre Wanderungen fortsetzen; eine große Menge Leute drang durch alle Irrgänge hindurch und langte endlich in der eigentlichen Wohnung dieser schrecklichen Kannibalen an.

Ihnen folgen die Uebrigen nach und alle fuhren erschrocken bei der Gewahrwerdung eines Anblicks zurück, der in Schottland, ja vielleicht auf der ganzen Erde, nicht seines Gleichen hatte. Schenkel, Arme, Hände und Beine von Männern, Weibern und Kindern waren in R eihen, wie getrocknetes Rindfleisch aufgehangen. Einige Gliedmaßen waren eingepökelt; eine große Menge Geld, sowohl Silber als Gold, Uhren, Ringe, Pistolen, Kleidungsstücke, sowohl von Leinwand, als von Wolle, mit einer sehr großen Anzahl anderer Artikel lagen entweder in Haufen beisammen oder waren an den Seiten der Höhle aufgehangen.

Die ganze verwilderte Familie wurde in der oben erwähnten Anzahl ergriffen; das Menschenfleisch wurde im Sande am Seeufer verscharrt; den unermeßlichen Raub schaffte man fort und der König zog mit den Gefangnen nach Edinburg. Dies neue schreckliche Schauspiel erregte die Aufmerksamkeit der Einwohner, die von allen Seiten herbei strömten, um diese blutgierige, unnatürliche Familie zu sehen, so wie sie vorbei zog und die sich in 25 Jahren auf 27 Mannspersonen und 21 Frauenzimmer vermehrt hatte. Bei ihrer Ankunft in der Hauptstadt wurden sie insgesammt unter starker Bewachung in Gefängnisse eingesperrt; den nächsten Tag wurden sie auf den gewöhnlichen Richtplatz geführt und ohne weitere Umstände hingerichtet, da man es für unnötig hielt, mit denen eine Untersuchung anzustellen, die geschworne Seinde der ganzen Menschheit und der gesellschaftlichen Ordnung waren.

Ihre ungeheuern Verbrechen waren Ursache ihrer grausamen Strafen. Den Mannspersonen schnitt man die geheimen Glieder ab und warf sie ins Feuer, trennte die Hände und Beine von den Körpern und ließ sie zu Tode bluten. Die unselige Mutter, die Töchter und die Enkel, die Zuschauer des Todes der Mannspersonen waren, wurden in drei besondere Feuer geworfen und zu Asche verbrannt. Sie gaben kein Zeichen von Reue oder Traurigkeit von sich, sondern stießen bis auf den letzten Athemzug die fürchterlichsten Flüche und Verwünschungen gegen alles um sie her und gegen alle diejenigen aus, die sie zu der wohl verdienten Strafe brachten.