Capitain Dudley, St.

Kapitain Dudley war zu Swepston in Leicestershire geboren. Sein Vater besaß vormals ein ansehnliches Vermögen, aber durch Ausschweifung verlor er alles bis auf jährlich 26 Pf. St. (156 Thaler). In diesen elenden Umständen begab er sich nach London und wollte daselbst in der Dunkelheit leben, welche dem Zustande seiner Finanzen entsprach.

Sein Sohn Richard hatte sehr treffliche Anlagen und erhielt in der St. Paulsschule eine gute Erziehung, aber von Natur zum Laster geneigt, haßte er allen Zwang. Schon in seinem neunten Jahre stahl er seiner Schwester dreißig Shillinge und entfloh damit. In wenig Tagen fand man ihn jedoch wieder, brachte ihn zurück und schickte ihn von neuem in die Schule; allein seine lasterhafte Denkart wurde durch Nachsicht noch mehr verstärkt. Das sitzende Leben in der Schule gefiel ihn nicht, er stahl seinem Vater eine ansehnliche Summe und verbarg sich, aber sein Vater entdeckte seinen Aufenthalt, und fand ihn nicht weit von London in Gesellschaft zweier lüderlicher Frauenzimmer.


Da er die Hoffnung aufgab, zu Hause einen nützlichen Menschen aus ihm zu machen, so schickte er ihn an Bord eines Kriegsschiffes, wo er sich in mehrern Gefechten tapfer hielt. Bei seiner Rückkehr nach England verließ er das Schiff, indem er vorgab, ein jüngerer Offizier sey ihm bei dem Tode eines der Lieutenants vorgezogen worden. In kurzem vereinigte er sich mit einer Bande von Dieben, half ihnen das Landhaus des Admiral Carter ausplündern, und entkam unentdeckt.

Jetzt fing er an zu rauben; der erste merkwürd ige Raub, bei dem er zugegen war, bestand darin, daß sie in das Haus einer Dame zu Blackheath einbrachen und eine große Menge Silbergeräthe fortschafften.

Er und seine Genossen verkauften auch das Silbergeräthe glücklich an einen Goldscheider; in kurzem aber wurde Dudley wegen dieses Raubes ergriffen und nach Newgate ins Gefängniß gebracht. Während seiner Gefangenschaft ließ er den Goldscheider zu sich kommen, machte ihm heftige Vorwürfe und sagte zu ihm: ,,es ist schwer, einen ehrlichen Mann und einen redlichen Käufer zu finden, ihr verdammter Schuft! unter dem Silbergeräthe, das ihr gekauft habt, war ein Becher mit einem Deckel; ihr sagtet, es wäre bloß vergoldetes Silber und bezahltet nicht theurer als das andere, allein aus der Nachricht in der Zeitung ergab sich deutlich, daß es ein goldener Becher und Deckel war; ich sehe wohl, daß Ihr ein Schuft seyd und daß man niemand trauen darf.“ Dudley's Prozeß begann, er wurde dieses Raubes überführt und zum Tode verurtheilt; allein seine Jugend und die Theilnahme seiner Freunde verschafften ihm vom Könige Begnadigung.

Zwei Jahre lang führte er sich zur Zufriedenheit seines Vaters auf, so daß er ihm eine Stelle bei der Armee kaufte. Auch auf diesem Posten benahm er sich wie ein Mann von Ehre und heiratete ein junges Frauenzimmer von einer achtungswerthen Familie, mit welchem er ein Vermögen von 140 Pfund jährlichen Einkommens erhielt. Dieses nebst seiner Stelle setzte ihn in Stand, auf eine angenehme Art zu leben. Jedoch war er gern in Gesellschaft; einst hatte er sich für Einen seiner Kameraden wegen einer Schuld verbürgt und als dieser deshalb verhaftet werden sollte, wurde Einer der Sheriffs (Landrichter) im Handgemenge getödtet und Dudley gerieth in den Verdacht dieses Mordes.

Dieser Verdacht wurde dadurch verstärkt, daß Dudley ein geschworner Seind aller dieser Arten von Leuten war. Er sah einen Gerichtsdiener in England oder was in Schottland unter dem Namen des Boten bekannt ist, für eine Person an, die dazu bestimmt sey, jedem, der in ihre Hand fällt, alles mögliche abzunehmen. So waren seine Vorstellungen von allen, die mit der Untersuchung und Verhaftung von Verbrechern zu thun hatten, und da er überhaupt mehr Lust zum Fechten als zum Arbeiten hatte, so verließ er sein Haus und schlug sich zu einer Räuberbande. Dudley wurde bald ein erfahrner Räuber, so daß es kaum einen Raub gab, wobei er nicht eine Hauptrolle spielte. Da ihm diese leichte Art Geld zu erwerben und eine ausschweifende Lebensart fortzusetzen gefiel, so beredete er auch seinen Bruder Will, gemeinschaftliche Sache mit ihm zu machen. Will war jedoch noch nicht lange bei seinem neuen Geschäfte, so wurde der Capitain ergriffen, da er einem Herrn eine Uhr, einen Degen, eine Reitgerte und neun Shillinge gestohlen hatte; aber zum Glück für ihn war der Beweiß mangelhaft und er entging dem Tode zum zweiten Mal.

Im Laster abgehärtet begann er jetzt seine alte Lebensart von neuem. Er raubte auf Heerstraßen, brach in die Häuser ein, trieb Taschendiebstahl und ließ sich mehrere gewaltsame Handlungen und listige Streiche zu Schulden kommen, wodurch er sich Geld verschaffen konnte. Lange war ihm das Glück günstig und er blieb unbestraft, aber endlich erwischte man ihn bei einem Diebstahl in Sir John Friends Hause. Bei der Untersuchung wurde alles deutlich erwiesen und er wurde zum Tode verurtheilt. Seine Freunde nahmen sich jedoch seiner wieder an und durch ihren Einfluß wurde die Todesstrafe in Verweisung verwandelt. Er und mehrere andere überwiesene Verbrecher wurden daher an Bord eines Schiffes gebracht, das nach Barbados bestimmt war. Kaum aber hatte man die Insel Wight erreicht, so forderte er seine Gefährten zu einer Verschwörung auf und da sie ihre Maßregeln verabredet hatten, während das Schiffsvolk an den Thüren stand, so fuhren sie mit dem großen Boote davon.

Kaum hatte Dudley das Ufer wieder erreicht, so verließ er seine Gefährten und schlich sich durch Wälder und auf Nebenwegen fort. Da er einen höchst elenden Anzug hatte, so bettelte er, wenn er keine Gelegenheit zum Stehlen fand. Als er jedoch auf die Hountslower Heide kam, begegnete er einem Pächter, beraubte ihn, nahm ihm das Pferd ab, setzte sich darauf und sprengte davon, um neue Beute aufzusuchen. Dies war für Dudley ein glücklicher Tag; denn er war noch nicht weit auf der Heide gekommen, so erschien ein sehr wohl geneideter Herr, der noch besser beritten war als der Pächter. Dudley befahl ihm, halt zu machen und sich zu ergeben; hierauf führte er ihn bei Seite in ein Gebüsch, tauschte Kleider und Pferd mit ihm, leerte ihm die Taschen aus und redete ihn sodann folgendermaßen an: ,,er solle ihm nie den Vorwurf machen, daß er ihn beraubt habe; denn nach einem alten Sprichworte sey Tausch kein Raub.“ Hierauf nahm er von ihm Abschied und ritt nach London. Bei seiner Ankunft suchte er seine alten Gefährten auf, die sich höchlich freueten, als sie ihren Freund wieder sahen. Wegen seiner glücklichen Unternehmungen und wegen des hohen Rufs, in dem er bei ihnen stand, erhielt er den Titel Capitain und alle willigten ein, seinen Befehlen zu gehorchen. Auf diese Art an die Spitze einer so geübten und verwegenen Bande gestellt, war kein Theil des Landen vor ihren Räubereien gesichert und kein Haus war stark genug, sie abzuhalten. Die natürliche Folge davon war, daß er bald allenthalben bekannt und gefürchtet war.

Um nicht erhascht zu werden und allen Nachforschungen zuvor zu kommen, machte er dem nördlichen England einen Besuch und als er eines Tags auf Raub ausging, nahm er einem holländischen Obersten sein Pferd, seine Waffen und einen schön verbrämten Rock ab. In diesem Anzuge beging er mehrere Räubereien. Endlich legte er den Rock des Obersten ab und bediente sich bloß noch seines Pferdes, das bald in der neuen Beschädigung sehr geschickt wurde. Eines Tags stieß er bei Epsom auf einen Herrn, der sich widersetzte und sein Pistol auf Dudley abfeuerte, aber er trug den Sieg davon, verwundete den Herrn in den Schenkel, nahm ihm sein Geld ab, schaffte ihn nach dem nächsten Dorfe, damit er den Beistand eines Arztes erhielte und ritt dann auf neue Unternehmungen aus. Der Capitain und seine Leute w aren in dieser Gegend sehr glücklich. Kein Wagen, keine Kutsche, kein Reisender, von dem sie Nachricht erhalten hatten, konnte ihren Räubereien entgegen und es verfloß kaum ein Tag, ohne daß nicht ein auffallender Raub begangen wurde.

Capitain Dudley und seine Leute suchten unaufhörlich Beute auf, bekamen viel Geld, behielten aber wenig, weil sie alles wieder durchbrachten, was sie erbeutet hatten. An einem unglücklichen Tage griffen sie den Southamptoner Postwagen an, wo man ihnen heftig nachsetzte. Mehrere wurden erhascht, aber Dudley entkam. Seiner Hauptstärke beraubt, vereinigte er sich mit einigen Hauserbrechern und beging mit ihnen fortwährend mehrere Räubereien; besonders drang er mit drei Andern in das Haus einer alten Frau in Spitalfields, knebelte sie, band sie an einen Stuhl und raubte ihr eine beträchtliche Summe Geld, welche die gute Fran lange zusammen gescharrt hatte. Als sie das Geld, das man ihr stehlen wollte, klimpern hörte, machte sie an ihrem Stuhle eine heftige Bewegung, fiel auf das Gesicht und erstickte, während der Capitain und seine Gehülfen ungestraft davon gingen. Als aber die alte Frau beerdigt werden sollte, veränderte Einer ihrer Enkel, der sie mit bestohlen hatte, indem er ein paar Handschuhe anziehen sollte, sein Gesicht, gerieth in große Unruhe und fing an zu zittern. Man warf Verdacht auf ihn, beschuldigte ihn des Mordes, er gestand das Verbrechen ein und gab die Andern an, wovon zwei ergriffen, gerichtet und verurtheilt wurden: alle drei wurden in Ketten aufgehangen.

Allein obschon Dudley öffentlich als Teilnehmer des Mordes genannt wurde, so entging er doch lange der Entdeckung. Endlich wurde er jedoch erhascht, aber ob man ihm schon mehrere Räubereien Schuld gab, so entging er doch durch sein geschicktes Benehmen der verdienten Strafe. Auch beschuldigte man ihn der Ermordung der alten Frau, allein da der Hauptzeuge, auf dessen Aussage die zwei Andern vorzüglich verurtheilt worden waren, abwesend war, so wurde er auch von diesem Verbrechen frei gesprochen. Die geschickte Art, wie er sich bei diesem Prozesse benahm, die Zeugen, die er bestochen hatte und die Gewandtheit, mit der er seine Unschuld vor den Geschwornen vertheidigte, machten oft den Gegenstand seiner Unterhaltung und seines Selbstlobes aus.

Kaum war der verruchte Dudley aus dem Gefängnisse los, so eilte er zu den alten Gefährten seiner Verbrechen. Sie freueten sich, daß sie ihren Capitain wieder an ihrer Spitze sahen, verdoppelten ihre Thätigkeit und begingen alle Arten von Räubereien. Unter andern beraubten sie auf der Hounslower Heide einen Herrn 1.500 Pf. St. (9.000 Thaler) nach einem blutigen Kampfe mit seinen Bedienten, wovon drei verwundet wurden; zweien schoß man die Pferde unter dem Leibe tod. Hierauf schlugen sie ihren Weg längs der westlichen Landstraße ein und nachdem sie einen Landpfarrer beraubt hatten, drangen sie unter den fürchterlichsten Drohungen in ihn, eine Predigt zum Lobe der Diebe zu halten. Er mußte ihnen nachgeben und als er seine Predigt geendigt hatte, gaben sie ihm s ein Geld wieder und schenkten ihm noch vier Shillinge, um auf ihre Gesundheit und ihr Glück zu trinken.

Nach diesem lustigen Auftritte gaben sie die Beunruhigung der Heerstraßen auf und ritten nach London. Bei ihrer Ankunft in der Hauptstadt zeigte des Capitains Bruder seine Geschicklichkeit um die Stadt her bei verschiedenen Vorfällen, welche dem Inhalt dieses Buchs angemessen sind. Man wird sehen, wie trefflich der Bruder das Beispiel und die Lehren des Capitains benutzte. Er kleidete sich wie ein Landmann, zog ein Paar schmutzige Stiefeln an, nahm eine Reitpeitsche in die Hand und ging auf den Bartholomäusmarkt. Hier durchstreifte er den Markt den ganzen Tag, ohne eine Beute zu machen. Als er nach Hause gehen wollte, redete er einen schlichten Landmann an, und sagte zu ihm: „seht Euch vor, ehrlicher Freund! seyd vorsichtig mit eurem Gelde; denn wir kommen auf einen verdammten Platz, der voll Huren, Diebe, Schelme und Beutelschneider ist. Mir haben sie beinahe alles abgenommen und ich freue mich, daß sie mir nicht auch die Zähne aus dem Munde gestohlen haben. Man sey auch noch so aufmerksam, sie sind ihres Raubes sicher; der Teufel steht ihnen sicher bei.“

Das Gesicht des Landmanns wurde durch seinen feurigen Muth hoch belebt und er gab zur Antwort: „ich fordere alle Teufel heraus, mir etwas von Werth zu rauben. Ich habe, ein rundes Stück bei mir, das will ich schon sichern.“ Darauf that er es in den Mund und lief getrost auf den Jahrmarkt. Will wollte bloß wissen, ob er Geld bei sich habe; daher erteilte er einem hoffnungsvollen Knaben seine Befehle nebst einigen Groschen und Sechsern. Derselbe lief sogleich dem Landmanne nach, während Will in der Ferne folgte. Der Knabe traf den Bauer, fiel vor ihm nieder, warf das Geld umher, schrie, es wäre um ihn geschehen, dann stand er auf, machte einen schrecklichen Lerm, schrie, er müsse aus der Lehre laufen, da sein Meister ein wütender Mann sey, der ihn sicher tod schlagen werde. Der Bauer und andere Personen sammelten sich um den Knaben her, und halfen ihm sein verlornes Geld wieder zusammen lesen: ,,Habt ihr alles wieder?“ fragte der Eine. „Ja! alles Silbergeld, aber das ist von keinem Werth; es fehlt mir noch ein großes Goldstück, das ich meinem Meister bringen soll und deshalb erwartet er mich. Ach! ich Unglücklicher! Was soll aus mir werden?“ Will trat nun unter den Haufen und war gleichfalls für den unglücklichen Knaben besorgt und als er den Bauer stehen sah, versicherte er recht ernsthaft, er habe den Bauer ein Stück Gold in den Mund stecken sehen. Der Pöbel machte sich sogleich über ihn her; Einer brach ihm den Mund mit Gewalt auf, zog das große Goldstück nicht ohne Blut heraus und als er sich vertheidigen wollte, stieß man ihn nieder, schlug ihn und er war endlich froh, daß er mit dem Leben davon kam. Unterdessen entwischte der Knabe unter dem Haufen und traf Will an einem bestimmten Platze, um ihm seine Beute zu überliefern.

Will wechselte die Kleider mit dem Knaben, ging auf den Jahrmarkt, mischte sich unter den dichten Haufen und erfuhr, daß der Landmann nach einem Wirthshause gegangen sey, wohin er seinem Herrn, einen Mann von großem Vermögen und einige andere achtungswerthe Leute, gebeten hatte, um ihm ein Zeugniß über seinen Charakter auszustellen. Will kannte den Herrn sehr gut und eilte nach der Börse, weil er ihn da anzutreffen hoffte. Sobald er ihn ausgekundschaftet hatte, folgte er ihm, bis er eine Gelegenheit sah, wo er ihm alles bis auf eine Guinee abnahm. Diese ließ er ihm, um ein Mittagessen zu bezahlen. Der Herr fand sich im Wirthshause ein und lachte herzlich, als ihm der arme Landmann erzälte, er sey be-raubt worden: ,,So eben“ erwiderte er, ,,habe ich das nämliche Schicksal auf der Börse gehabt.“ Der Bauer lachte nun auch und sagte: ,,Bester Herr! lassen Sie uns diesen verdammten Ort verlassen; man stiehlt uns noch die Gedärme, um Violinsaiten daraus zu machen.“

Der Herr hatte seinen Beutel wieder gefüllt und besuchte den andern Tag nochmals die Börse. Will machte ihm die nämliche Aufwartung, wie den Tag zuvor. Der Ritter Johnson, (so hieß er), erstaunte, wie es möglich sey, ihn wieder zu berauben, da er vorher so gewarnt und auf seiner Hut war: als er sich aber schnell umsah, fiel ihm Will in die Augen, den er in Verdacht hatte , daß er der Räuber sey. Er ging auf ihn zu, faßte ihn beim Rocke und sagte, er habe starken Verdacht, daß er derjenige sey, der ihn beraubt habe; allein da er ein großes Vermögen besitze, so mache er sich nichts aus dem Gelde, wolle ihm gern ver zeihen und alles Geld geben, wenn er ihm nur sage, wie er dies bewirkt habe. „Dies“, setzte er hinzu, „verspreche ich bei meiner Ehre.“ „Ihr Ehren wort“ versetzte Will, ,,ist hinlänglich, ich kenne die Größe ihres Vermögens und ich bin der Mann. Ich will Ihnen ins Wirthshaus folgen und Ihnen dann einige von meinen Künsten ungescheueter zeigen, als ich es gegen m eine Kameraden tun würde.“ Auf dem Wege nach dem Wirthshause erzählte der Ritter Johnson Will, daß da er einen Spaß machen wolle, er noch einige Herrn holen lassen werde und gab ihm die Versicherung, er solle keinen Schaden von der Entdeckung haben, die er ihnen mache: ,,Ich weiß, Sie sind ein Mann von Ehre,“ erwiderte Will und Männer von Ehre gehen nicht mit schlechten Leuten um. Lassen Sie so viel kommen als Sie wollen, ich habe Ihr Wort und weiß, daß ich sicher bin.

Als die Herrn beisammen waren, erzählte ihnen Will vieles, was sie höchlich in Erstaunen setzte und v iel Vergnügen machte und als er das Goldstück heraus nahm und ihnen Nachricht gab, wie er es mit Roger, dem Pächter des Ritter Johnsons gemacht hätte, ließ man diesen sogleich kommen, um den Spaß noch mehr zu vergrößern. Als dieser ins Zimmer trat, war es lustig anzusehen, was er für Verbeugungen und Kratzfüße machte. Sein Herr lächelte und fragte ihn, wo er so schöne Complimente machen gelernt hätte: ,,Was würdet Ihr wohl sagen,“ fragte der Ritter weiter, ,,wenn Ihr Euer Goldstück wieder sähet?“ ,,O!“ versetzte er, ,,ich wollte, ich könnte es, aber wenn ich es nicht einmal im Munde verstecken kann, wo soll ich es denn hin thun? Ich wünschte lieber den Schuft zu sehen; ich wollte ihm alle Knochen zerschlagen!“ „Da ist er“, entgegnete der Ritter, ,,und da ist Euer Goldstück.“ Da Roger zu schreien und zu zanken anfing, so befahl ihm sein Herr, sein Goldstück einzustecken und sich neben ihn zu setzen. Roger, der doch sehen sollte, wie das Ding ablaufe, trank Will zu.

Einer der Herren zog eine schöne Uhr heraus und sagte, er wundere sich, wie es möglich sey, eine Uhr aus der Ficke zu stehlen; man müßte sicher sehr unachtsam seyn. ,,Nein!“ erwiderte Will,“ wenn Sie eine Wanderung nach Moorfields machen wollen, so wette ich eine Guinee, daß ich die Uhr haben will, ehe Sie wieder zurück sind, so sorgfältig sie dieselbe auch bewahren mögen und ich will keinen Tritt aus dem Zimmer thun: ,,Ich nehme es an,“ versetzte der Herr. Jeder Herr im Zimmer legte seine Guinee hin und auch Roger zog sein Goldstück heraus. Der Herr ging fort und sah sich sorgfaltig vor, daß ihm ja niemand zu nahe komme. Als sich die Zeit näherte, daß er wieder zurück wollte, kam schnell ein Knabe in seinem Nähe; um aber jeden Verdacht zu vermeiden, lief er vor ihm vorbei, sah sich zugleich um und sagte zu dem Herrn, daß Läuse auf seinem Rocke herum liefen. Der Herr bemerkte sie und da ihn ihr Anblick anekelte, so sagte er: ,,liebes Kind! nimm sie doch weg; ich will dir einen Shilling geben!“ Der Knabe that es und stahl ihm die Uhr; als er den Shilling erhalten hatte, lief er fort. Der Herr kehrte nach dem Wirthshause zurück, wunderte sich den ganzen Weg über, wie er zu solchem Ungeziefer gekommen seyn könne und nahm sich außerordentlich in Acht, daß ihm niemand zu nahe komme.

Bei seiner Rückkunft im Wirthshause fragte ihn Will, welche Zeit es sey? Er wollte seine Uhr heraus nehmen, aber zu seinem größten Erstaunen und zu seiner Beschämung war sie fort. Will zieht sie heraus und fragt den Herrn, ob diese es sey? Der Herr war wie vom Donner gerührt und drehete das Weiße der Augen heraus. Roger lachte so laut und so lange, daß ihn sein Herr ersuchen mußte, aufzuhören. Der Herr wandte sich voll Er-staunen an Will und sagte zu ihm ,,der Teufel müsse ihm beigestanden haben.“ „Nein, das nicht! sondern ein Knabe“ versetzte Will. „Las nicht ein Knabe etwas von Ihrem Kleide ab?“ „Das ist der Teufel“, fuhr der Herr fort „und er hat mir auch die Läuse auf den Rock geworfen.“ "Ja!“ erwiderte der Andere, „durch einen Federkiel.“

Alle Anwesende geriethen über diesen sinnreichen Streich in Erstaunen, besonders der schlichte Roger, der garnicht zu lachen aufhören konnte.

Dieser Streich, versetzte Will, ist nicht werth, daß man davon spricht. Es ist bloß Einer von denen, welchen wir unsern Knaben auftragen. So eben geht ein vornehmer Herr mit einem sehr reichen Kleide auf dem Leibe vor dem Fenster vorbei; ich will wie vorhero, wetten, es ihm vor den Augen aller seiner Begleiter zu stehlen und mit demselben hierher zu kommen.“ Die Herren langten insgesammt ihre Guineen heraus und wurden auch von Roger unterstützt: ,,Sehen Sie,“ fuhr Will fort, ,,diese Sache darf keinem Knaben aufgetragen werden. Sie werden mir erlauben, mich zu entfernen und Sie dürfen nur die Zeit bestimmen, wo ich wieder da seyn soll.“ So lief er fort und folgte dem vornehmen Herrn von Straße zu Straße, bis er ihn in einen Gasthof gehen sah.

Man führte ihn die Treppe hinauf. Will eilte gleich hinter ihm her, läuft zu dem Obermarkeur und bittet ihn, ihm seine Schürze zu leihen, indem sein Herr bloß von seinem eigenen Bedienten aufgewartet haben wolle: ,,Er ist ein sehr guter Gast und erwartet den besten Wein. Ich muß in den Heller gehn und denselben für ihn kosten.“ Als er die Schürze erhalten hatte, ging er in den Heller und kam mit Einigen der besten Flaschen von jeder Art für seinen angeblichen Herrn zurück. Er lief die Treppe so schnell auf und ab und war bei seiner Arbeit so thätig, daß ihm keiner der andern Bedienten hierin gleich kam. Unterdessen hielt ihn die Gesellschaft oben für einen Bedienten des Hauses und war mit seiner Aufwartung höchlich zufrieden. Will trank dem Bedienten tüchtig zu, der an seiner Stelle hatte aufwarten sollen und schenkte ihm etwas Geld, das dieser mit großer Freude für sein Nichtsthun annahm. Selten trat er ins Zimmer ohne einen lustigen Einfall, um der Gesellschaft etwas zu lachen zu geben. Diese war so mit ihm zufrieden, daß Einer zum Andern sagte: ,,dies ist ein lustiger, witziger Bursche; so einen braucht man, wenn man ein Haus machen will; er verdient doppelten Lohn.“ Als Will sah, daß sein Plan zur Ausführung reif sey, trat er mit Wein ins Zimmer und machte mit seinem Messer einen Schlitz in das Kleid des vornehmen Herrn. Als er wieder mit einer Bouteille in der einen Hand und mit Gläsern in der Andern zurückkam, stutzte und staunte er, ehe er sich dem vornehmen Herrn näherte, rief: „was sind das für Schufte, die dies Kleid gemacht haben!“ und stieß zugleich noch andere Schimpfreden gegen den Schneider aus. Einige von der Gesellschaft standen jetzt auf, besahen den Ritz im Kleide und sagten: ,,Mylord! der Schneider hat Sie betrogen.“ Will trat näher und sagte: ,,so etwas ist wohl möglich, aber geben sie mir das Kleid; ich will unter dem Mantel meines Herrn zu Einem meiner Bekannten tragen, der es so gut ausbessern soll, als ob kein Schlitz darin gewesen wäre. Der vornehme Herr borgte einen großen Rock von einem Andern der gegenwärtigen Herren, gab Will sein Kleid, um es zum Schneider zu tragen; Will lief die Treppe hinab, erzählte dem Wirth den Unfall. erhielt seinen Mantel, that das Kleid mit dem Schlitze darunter, nahm einen guten Hut von Biberhaar von einem Nagel, setzte ihn auf und eilte aus dem Gasthofe fort. Als er im Wirthshause wieder anlangte, wo die Herren ängstlich auf seine Rückkehr warteten, ging er in ein anderes Zimmer, zog sich an und trat mit dem Mantel und dem Castorhute hinein. ,,Was! rief einer aus, statt eines Rocks kommen Sie mit einem Mantel zurück; den hatten Sie wohl sehr nöthig; darunter steckt viel Schelmerei.“ Will schlug hierauf seinen Mantel auseinander, zeigte ihnen das Kleid und sagte, er habe den Mantel und den Hut drein erhalten. Alsdann erzählte er ihnen die ganze Geschichte.

Unterdessen hatten der Lord und seine Gesellschaft lange auf den Bedienten gewartet, den sie für Einen von den Aufwärtern des Hauses hielten. Der Wirth wunderte sich ebenfalls, daß es so lange dauere, ehe sie mehr Wein verlangten; er schickte daher einen Bedienten die Treppe hinauf, um nachzusehen. Derselbe trat ins Zimmer und fragte, ob die Herrn etwas verlangten? „Ja!“ erwiderte Einer, ,,wo ist euer Kamerad! der uns aufgewartet hat?“ ? ,,Mein Kamerad! er sagte, er wäre der Bediente des gnädigen Herrn und sein Herr wolle von niemand andern bedient seyn, als von ihm; demohngeachtet sollte ich ein gutes Trinkgeld erhalten.“ Der Lord erwiderte: ,,wie ist das möglich? Ich habe bloß Einen von meinen Bedienten bei mir, die Uebrigen sind bei meiner Gemahlin; derjenige, der uns bediente, kam ja mit einer Schürze herein und trat als Einer von den Bedienten des Hauses auf: ruft doch den Wirth!“ Dieser fand sich so gleich ein, wo ihn Einer von den Herren fragte, ob er Gauner in seinem Hause halte, um Herren zu beschimpfen und sie zu bestehlen?“ „Wie!“ erwiderte der Wirth, der ein sehr leidenschaftlicher Mann war, „bringen Sie nicht Gauner mit, um mich zu beschimpfen und mein Haus zu bestehlen? Ich bin sicher, daß ich einen neuen Mantel und einen Castorhut eingebüßt habe: denn nachdem was ich weiß, ob Sie schon wie vornehme Herren aussehen, so mögt ihr doch selbst Gauner seyn; und ich erwarte von Ihnen sowohl meinen Verlust als auch meine Rechnung bezahlt zu erhalten.“ Sogleich stürzte einer der Herrn wegen seiner frechen Reden auf ihn los, aber der Wirth lief unter vielem Lerm die Treppe hinab, bewaffnete das ganze Haus und bat die Leute, solche Schurken nicht entwischen zu lassen. Unterdessen ergriff er einen Degen, die Aufwärter und Bedienten bewaffneten sich mit Bratspießen, Ofengabeln und andern solchen Waffen, die man im Hause fand. Es entstand bald ein gewaltiger Lerm und der Lord, der zuerst heraus kam, um durch den Haufen hindurch zu dringen, machte einen Angriff auf den Wirth, allein er wurde mit einer Kohlenschaufel von einem der Aufwärter zurück geschlagen und es fehlte nicht viel, so hätte ihm ein Küchenmädchen einen langen Bratspieß durch den Leib gerannt. Als der Lord die Thür so gut bewacht sah, schloß er sich in das Zimmer ein und beratschlagte mit der übrigen Gesellschaft, was zu thun sey.

Zum Glück ahndete der Herr, der mit Will im andern Gasthofe war, daß ein Streit zwischen dem Lord und dem Wirthe entstehen könnte, der seinen Mantel und seinen Castorhut eingebüßt hatte und schickte seinen eigenen Wirth ab, um ihm zu melden, daß der Spitzbube erhascht und in ihrer Verwahrung sey.

Man ließ den Wirth die Treppe hinauf; er machte dem Lord seine Aufwartung und erzählte ihm die ganze Sache. Die Feindseligkeiten hatten ein Ende. Man trank auf die Gesundheit des Wirths und versicherte ihn, daß man in Zukunft in seinem Hause friedlich seyn werde. Jetzt begleitete man den Friedensstifter in das Wirthshaus, wo Will seine Geschicklichkeit zeigte. Der Wirth folgte ihnen und nach den gewöhnlichen Komplimenten gab ihm Will den Rock, den Mantel und den Castorhut wieder. Will vertrieb ihnen den übrigen Abend hindurch mit Erzählung seiner Abenteuer die Zeit.

Nun wollen wir wieder zu seinem Bruder, dem Capitain, zurück kehren. Dieser hatte nebst seinen Gefährten so viele Räubereien auf Heerstraßen begangen, daß ein Aufruf gegen ihn von Seiten der Regierung erlassen wurde, in der sie denjenigen eine Belohnung versprach, die ihn tod oder lebendig einliefern würden. Diese Aufforderung verursachte ihre Entdeckung auf folgende Art: als sie einen Raub begangen hatten und man ihnen au dem Fuße bis an die Westminsterfähre nachgefolgt war, wollten die Fährleute niemand diese Nacht mehr überfahren. Zwei von ihnen ritten dann fort, die vier Andern aber gaben ihre Pferde einem Fährmann, um sie ins nächste Wirthshaus zu führen. Da die Pferde vor Schweiß trieften, so geriet er auf den Gedanken, sie m öchten wohl Räuber seyn, denen man stark nachgesetzt habe. Er theilte seinen Verdacht dem Constable (Polizeidiener) mit, der die Pferde in Sicherheit brachte und die Leute aufsuchte.

Es dauerte nicht lange, so bemächtigte er sich des Einen. Dieser gestand; der Constable eilte ins Wirthshaus, bemächtigte sich der Uebrigen und nachdem er eine starke Wache zu ihnen gestellt hatte, ritt er nach Lambeth, ergriff die zwei Andern und führte sie vor einen Friedensrichter, der sie nach Newgate brachte.

Bei den nächsten Sitzungen wurden der Capitain Dudley, sein Bruder und drei andere Genossen gerichtet und zum Tode verurteilt.

Nach dem Ausspruche des Urtheils wurde der Capitain Dudley nach Newgate gebracht, wo er sich seiner schlechten Lage gemäß benahm. Von Newgate wurde er nebst sechs anderen Gefangenen nach dem Hinrichtungsplatze geführt. Er schien sehr heiter, allein sein Bruder lag die ganze Zeit über trank auf dem Karren und nachdem die religiöse Feierlichkeit vorbei war, wurden sie in die andere Welt befördert, um für die zahlreichen Verbrechen ihres Lebens Rede und Antwort zu geben.

Der Leichnam des Capitains und seines Bruders wurden in besondere Särge gelegt, um sie zudem trostlosen Vater zu bringen; ihr Anblick machte einen solchen Eindruck auf ihn, daß er auf die Leichname hinsank und seinen Geist aufgab. So wurden also der Vater und die beiden Söhne in einem Grabe begraben.