Finnländischer Feldzug von 1714. Seesieg bei Tweremünde

Am Ende Mai gingen die Flotten, welche durch gemeinschaftliche Operationen die weitere Eroberung von Finnland gegen die Schwedische Flotte decken und eine Landung auf der Insel Aland bewirken sollten, von Kronslot unter Segel. Die eine war eine Schiffs- die andre eine Galeeren-Flotte. Jene, worauf sich der Kontre-Admiral Peter befand, dreißig Kriegsschiffe stark, steuerte nach Neval, indes Apraxin mit 180 Galeeren und vielen flachen Booten rechts an der Finnländischen Küste nach Abo hinauf fuhr. Aber der Schwedische Admiral Watrang lag mit seiner Flotte von 20 Kriegsschiffen und einigen Galeeren bei der Finnländischen Erdzunge Hango-Udd, die sich bei der Stadt Ekenäs zwischen Heisingfors und Abo ins Meer erstreckt. Apraxin meldete nun der Schiffsflotte, ohne ihre Hilfe sei es nicht möglich, mit den Galeeren durchzukommen. Peter fand es nicht ratsam, die Kriegsschiffe zu wagen. Um sich mit eignen Augen von den Umständen zu unterrichten, und ihnen gemäß die dienlichsten Maßregeln zu treffen, ging er ohne Verzug auf einer Fregatte, von einigen wenigen Schiffen bedeckt, unter Segel, und fand die Galeerenflotte bei Tweremünde, ungefähr zwei Meilen von Hango-Udd, an einem sehr gefährlichen Ort, der nur einen Ausgang hatte, und es also dem Feinde leicht machte, die Russen einzuschließen. Unverzüglich begab er sich zu Lande nach dieser Erdenge, um die Stärke und Lage der feindlichen Flotte zu erforschen. Er fand sie dreizehn Schiffe von der Linie, sechs Galeeren und zwei Bombardier-Galioten stark, die Landenge selbst aber an einer Stelle so schmal, dass es tunlich gefunden ward, einige leichte Galeeren hinüber zu ziehen, und so den Feind in dem, auf der Westseite von Hango-Udd gelegenen, Meerbusen anzugreifen, und ihn auf diese Weise zu zwingen, den Russen die See zu räumen.

Indes dies ins Werk gerichtet ward, bemerkte man, dass der Schwedische Vize-Admiral Lilien mit vierzehn Segeln in See ging und sich in der Absicht, die Russischen Galeeren einzuschließen, nach Tweremünde wandte. Es erging sogleich an die Galeeren-Flotte Befehl, ihre gefährliche Lage zu verlassen. Das stille Wetter begünstigte die Ausführung. Zwanzig Galeeren unter dem Kapitän Imaewitsch wagten es zuerst, im Angesicht der Flotte, die unter Admiral Watrang zu Hango-Udd geblieben war, diese Erdenge zu umrudern. Obgleich von der Flotte, beschossen, kamen sie doch ohne großen Schaden vorüber. Fünfzehn andern Galeeren gelang das gleiche Wagstück. Admiral Watrang sah sich genötigt, den mit 13 Schiffen weggesandten Vize-Admiral Lilien zurück zu rufen. Obgleich nun die ganze Schwedische Flotte wieder bei Hango-Udd versammelt war, so wurde dennoch der kühne Entschluss gefasst, die ganze übrige Galeerenflotte, den ersten Galeeren gleich, im Angesicht der Schwedischen Schiffsflotte um die Erdzunge zu führen. Man hatte schon erfahren, wie wenig die Kanonen der Kriegsschiffe den Galeeren und platten Fahrzeugen gefährlich waren. Der General-Admiral Apraxin gab Befehl, ohne weitere Umwege sich gerade durch den Feind zu schlagen. Dies geschah ( 27 Jul/9 Aug ) unter dem heftigsten Feuer von der ganzen feindlichen Flotte mit solchem Glück, dass nur eine Galeere strandete und in feindliche Hände geriet.


Der Schwedische Kontre-Admiral Ehrenschild war indes mit einer Fregatte, sechs Galeeren und zwei Scheerenbooten auf der Westseite der schmalen Erdzunge erschienen, um das Unternehmen der Russen, die einige Galeeren über Land dahin zu ziehen beschäftigt waren, zu verwehren, oder die schon übergebrachten Galeeren in Empfang zu nehmen. Er war nicht wenig verwundert, als er sich auf einmal von dem Russischen Kapitän Imaewitsch, der mit zwanzig Galeeren die Schwedische Flotte zuerst umrudert hatte, eingeschlossen sah. Die ganze Galeerenflotte, die indes um die Erdzunge gerudert war, schloss sich jetzt jenen zwanzig an, und Ehrenschild ward zur Übergabe aufgefordert. Er weigerte sich, und so ward das Zeichen zum Angriff gegeben. Das Vordertreffen führte Peter selbst. Die Gegenwehr war dem Angriffe gleich, und es erhob sich ein Kampf der Verzweiflung. Keine der Schwedischen Galeeren ergab sich, ehe sie nach der Reihe von den Russen geentert wurde. Selbst die Fregatte entging nicht diesem Schicksal. Der tapfere Ehrenschild ließ endlich seine Flagge senken. Obgleich mit sieben Wunden bedeckt, warf er sich noch mit seinen Grenadieren in ein Boot, um sich, wo möglich, mit der Flucht zu retten. Er wurde aber angehalten, und mit etwa sechs hundert Mann, die noch am Leben waren, zu Gefangenen gemacht *).

*) Tagebuch I. S. 485 f. Peters Brief an Scheremetew, worin er ihm diesen Sieg meldet, (Petersb. Journ. IV. 200) steht in der Anmerkung 34.

Nach diesem Siege entfernte sich die Schwedische Hauptflotte, und legte sich, damit die Russen nicht in das Herz von Schweden drängen, zu Deckung Stockholms in den Alands-Haff, der diese Insel von Upland trennt. Die Russischen Galeeren aber konnten nun ungehindert ihre Fahrt nach Abo verfolgen. Von hier aus landeten sie einige Male auf Aland, und verbreiteten Schrecken bis nach Stockholm.

Doch ihrer Hauptbestimmung, die Unternehmungen der Landarmee zu decken, getreu, nahten sie sich bald wieder den Ufern Finnlands, wo das Russen-Heer immittelst große Fortschritte gemacht, Gholizün in einem Treffen bei Wasa über den General Armfeld gesiegt, der Oberste Schuwalow aber durch die Einnahme der wichtigen, durch Natur und Kunst gleich starken Festung Nyslot die Eroberung von Finnland vollendet hatte *)

*) S. Anmerkung 35.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 2