Ich blieb zwei Tage in Sokota und genoss während dieser Zeit täglich zwei Mal den Besuch des Gouverneurs, ...

Ich blieb zwei Tage in Sokota und genoss während dieser Zeit täglich zwei Mal den Besuch des Gouverneurs, den ich durch das Geschenk eines seidenen Ehrenkleides und seidener Hosen im Werthe von circa 20 Thalern entzückt hatte. Es war dies ein Ehrengeschenk Kaiser Theodor's an Dr. Schimper gewesen und Letzterer hatte mir diese Kleider als Merkwürdigkeit gegeben, da sie aber zu schwer zu transportiren, überdiess von europäischem Atlas fabricirt waren, so hatten sie keinen Werth für mich. Borah meinte, sobald die Engländer das Land würden verlassen haben, würde Krieg zwischen Gobesieh und Kassai ausbrechen, das einzige Mittel zur Beendigung des ewigen Bürgerkrieges sei die Einmischung der Engländer, nach seinem Dafürhalten würde das ganze Land gern bereit sein, sich ihnen zu unterwerfen, und selbst Gobesieh und Kassai würden keine Schwierigkeiten machen, den Besiegern Theodor's zu gehorchen.

Von Sokota aus folgte der Weg Anfangs dem Bilbis und fiel rasch ab. Bei dem reizenden Flüsschen Mai-Lomin oder Citronenquell frühstückten wir und gingen denselben Tag bis Elfenal, das etwas östlich vom Wege liegt. Den ganzen Tag hatten wir die entzückendste Aussicht auf das Tselari-Thal, welche ich früher schon so sehr von Attala aus bewundert hatte; steile Königssteine, wunderliche Felsen, im Hintergrunde der Aladje-Stock, der Debar Ademhoni und andere kolossale Gebirgsmassen setzten ein Bild zusammen, wie es kein anderes Land der Welt zu liefern vermag. Der Tselari fliesst nur drei Meilen von Elfenal in nordwestlicher Richtung mit senkrechten, tief eingeschnittenen Ufern vorbei. Dieser Ort, noch zu Wag gehörig, also unter der Botmässigkeit des Gouverneurs von Sokota, gewährte uns natürlich die gastlichste Aufnahme, aber er war ärmlich und aus Furcht vor Wanzen hatte ich eine durchlöcherte Hütte vorgezogen, wurde aber dafür nass bis auf die Haut, denn jede Nacht gab es Gewitter.


Von hier an änderte sich das Gestein ganz und gar, statt der vulkanischen Gebilde traf man jetzt vorwiegend Sandstein und Kalk, auch einige andere Pflanzen kamen vor, eine Art Cactus, ein Kolkal en miniature, im Ganzen aber entbehrte die Gegend jetzt ganz der Blumen und des Grases, nur Buschwerk und Bäume, die Blätter zu treiben anfingen, waren reichlich vorhanden.

Am anderen Tage hatten wir einen recht beschwerlichen Marsch. Wenn Bergtouren schon in allen Ländern mit grossen Hindernissen verknüpft sind, so ist dies besonders in Abessinien der Fall, wo es gar keine Wege giebt, und an jenem Tage hatten wir durch die Schegalo-Schlucht an den Tselari hinabzusteigen. Der eigentliche Weg in die Schlucht hinab, wahrscheinlich ein künstlicher, war zwar recht gut, aber ganz mit scharfen Basaltsteinen überschüttet, die vor Zeiten irgend eine Wasserfluth hierher gebracht haben muss, da Schegalo wie die Ufer des Tselari selbst keine vulkanische Steinformation haben. Der eigentliche Thalweg von Schegalo war entsetzlich, unten oft durch Blöcke versperrt oder so eng, dass wir abladen mussten, mit senkrechten, oft 100 Fuss hohen Felswänden aus Sandstein oder Marmor, und vom oberen Anfang bis zum Tselari mit einem Falle von circa 2500 Fuss. Dazu begegnete uns eine Karawane von circa 3 bis 4000 Menschen aus Zamra, Samre, Abergale etc., die alle nach Sokota zu Markte wollten, nur mit Salz beladen, von dem manches Maulthier 200 Stück, ein Mann aber nie mehr als 10 oder 12 Stück trug.

In Schegalo stiess mir zum ersten Mal in Abessinien der Kuka-, Baobab- oder Adansonien-Baum auf, und zwar stand er gerade in Blüthe. Kolossale Exemplare bemerkte ich übrigens nicht, kein einziger hatte über 5 Meter oder 15 Fuss Umfang, während ich in Bornu deren von 15 Meter und mehr Umfang gesehen habe.

Endlich kamen wir an den Tselari, der hier von Osten nach Westen fliesst und trübe thonige Wellen fortrollte, aber trotz des trüben Aussehens war das Wasser ausgezeichnet. Leider konnten wir hier nicht bleiben, kein Dorf war in der Nähe, und eine von Norden kommende Schlucht hinaufsteigend, gingen wir an demselben Tage noch bis Zaka, einem ebenfalls noch zu Wag gehörenden Dorfe. Auf dem ganzen Tagemarsch von Elfenal an hatten wir, so weit wir sehen konnten, kein einziges Dorf bemerkt. Obgleich mit einem Boten des Gouverneurs von Sokota versehen, erfuhren wir hier eine sehr ungastliche Aufnahme, der Abessinier ist gewohnt, nur in der Nähe zu gehorchen, ein Mal aus dem Bereiche der Stimme seines Herrn kümmert er sich wenig um ihn. Dasselbe ist mit allen halbcivilisirten Völkern der Fall, die Türkei, Marokko, Aegypten, Bornu, welche alle ungefähr auf derselben Stufe der Gesittung stehen, zeigen dieselbe Erscheinung. Zaka ist ein kleines Dorf am Südabhang eines hohen Gebirgszuges nördlich vom Tselari.

Nachdem wir dies Gebirge, dessen Nordabhang mit vielen Baobas bewachsen ist, am anderen Tage umgangen hatten, kamen wir in die grosse Zamra[12]-Ebene, welche den Eindruck eines so eben trocken gelegten See's macht. Mitten hindurch fliesst der Zamra-Fluss, derselbe, der weiter nach Osten Garab Dig Dig genannt wird und von Messino kommt. Die Zamra-Ebene ist gross, gewellt und spärlich mit Gras, reichlich mit Mimosenbuschwerk bewachsen, überall liegen Thonschiefer, Alabaster und Glimmerschiefer offen zu Tage. Wie ganz Abessinien ist sie sehr schwach bevölkert. Ich traf hier am Flusse, der gleichfalls vom Regen angeschwollen war, zum ersten Mal den Hadjilidj-Baum, auch trat von hier an die Kranka-Euphorbie wieder auf und die schlangenartige Pfeilgift-Euphorbie war jetzt auf Schritt und Tritt zu sehen. Wir blieben in Fenaroa über Nacht, einem ziemlich grossen Ort an einem Felsen, dessen Bewohner hauptsächlich von Viehzucht leben.

Ein langweiliger Weg führte uns nach dem bedeutenden Ort Samre, indess war die Gegend etwas bevölkerter, wir liessen vier oder fünf Orte dicht am Wege liegen. In Samre war der Zulauf neugieriger Gaffer so gross, wie ich ihn noch nicht in Abessinien erlebt hatte, und der Dedjetj (fürstliche Statthalter) Heilo war wieder so unverschämt, gleich meine Aufwartung zu verlangen, doch hatte meine Antwort dieselbe Wirkung wie in Sokota. Der Dedjetj besorgte mir eine Hütte, schickte dann einen fetten Hammel, Butter, Honig, Tetsch und Brod und liess sich entschuldigen, nicht selbst kommen zu können, da er bettlägerig sei. Unter diesen Umständen sagte ich ihm meinen Besuch auf den folgenden Morgen zu und bat zugleich um eine Wache, da ich die steigende Zudringlichkeit der Leute gar nicht mehr bewältigen konnte und auch nicht gern durch meine eigenen Diener Gewalt ausüben lassen wollte. Alsbald kam denn auch ein Prügelmeister, der Weiber, Kinder und müssige Männer aus dem Hofe meiner Hütte herausprügelte.

Am folgenden Morgen ging ich zum Detjetj Heilo, der an Rheumatismus darniederlag und als Hauptwärter einen indischen, von der englischen Armee desertirten Soldaten hatte, dem es hier recht gut zu gehen schien. Der arme Teufel, wahrscheinlich durch abessinische Frauen zur Desertion verleitet, wollte sich bei mir entschuldigen und war sehr verdutzt, als er wahrnahm, dass ich kein Hindustani sprach, denn alle englischen Offiziere, welche die abessinische Expedition mitmachten, verstehen diese Sprache, weil die Truppen aus Indien kamen; er beruhigte sich indess, als er sah, dass ich weiter keine Notiz von ihm nahm. Ein prächtiges Pantherfell, welches mir der Dedjetj zum Geschenk machte, erwiederte ich mit meiner eigenen Decke, die ich für 10 Thaler gekauft hatte, da mir alle Geschenke fehlten, auch gab ich ihm noch etwas Pulver und Zündhütchen.

Samre liegt auf einem Hügel und hat ein freundliches Aussehen, weil alle Häuser mit Hecken umgeben sind. Die Agau-Sprache wird zwar hier noch verstanden, hat aber aufgehört, die herrschende zu sein, und wie der Zamra-Fluss die politische Grenze von Tigre bildet, so sind auch in Wirklichkeit die Bewohner hier Tigreaner.

Da die Nachricht eintraf, Sir Ropert Napier sei bereits in Antalo, so beschloss ich, den Marsch von Samre nach Boye in Einem Tage zu machen und meine Diener mit den Maulthieren langsamer nachkommen zu lassen. Als ich Nachmittags in Boye ankam, fand ich im Lager zwar Bekannte, aber von meiner speciellen Gesellschaft, in deren Begleitung ich die Expedition mitgemacht hatte, war noch Niemand angekommen, eben so wenig Sir Robert. Am folgenden Tage langte jedoch Oberst Phayre an, der Chef der recognoscirenden Abtheilung, und in seiner Gesellschaft der preussische Officier Herr Stumm und so waren wir, die wir von Senafe an bis Magdala immer an der Spitze der englischen Armee marschirt waren, wieder vereint und setzten am folgenden Tage auf der Militärstrasse den Weg nach der Heimath fort.

Höhenmessungen mit dem Aneroid.

Abdikum      9250 engl. Fuss.
Takaze, Bett  5800 " "
Salit  6200 " "
Lalibala  7000 " "
Schegalo  6200 " "
Bilbala-Gorgis  6170 " "
Eisemutsch-Thal  6359 " "
Mári-Thal  5200 " "
Taba, Ort  6000 " "
Siba-Pass  6500 " "
Mokogo-Pass  7800 " "
Biala-Pass  9000 " "
Ohlich, Ort  6200 " "
Telela-Pass  7100 " "
Sokota  6500 " "
Emenenagerill-Pass  5600 " "
Uana-Pass  5550 " "
Tselari-Bett  3200 " "
Zaka  4200 " "
Zamra, Bett  3150 " "
Fenaroa  4500 " "
Samre  6000 " "