Die trostlose Gegend änderte sich erst beim Siba-Pass, bis dahin hatten wir ein starkes Stück Arbeit. ...

Die trostlose Gegend änderte sich erst beim Siba-Pass, bis dahin hatten wir ein starkes Stück Arbeit. Die Zeit verstrich mit Auf- und Abladen, weil alle Augenblicke solche Stellen vorkamen, wo meine Maulthiere mit den Kisten nicht fortkommen konnten. Bei einer sehr schwierigen Stelle wäre beinahe einer meiner Diener umgekommen, indem das Maulthier auf ihn sprang und die Flinte sich entlud. Mit Uebersteigung des Siba-Passes wurde die Gegend wieder freundlicher, wenn auch der Weg nicht besser, nur im Siba-Thal hatten wir ein Stück Weges von einigen Meilen, welches gut zu nennen wäre, wenn ihn nicht die Büsche so beschränkt hätten, dass ich alle Augenblicke vom Pferde steigen musste, weil ein Reiter zu Pferde nicht unter den niedrigen Zweigen durchkommen konnte. Oben im Siba-Thale waren Wasserlöcher mit hinlänglichem Wasser zu unserem Frühstück, aber so viel hatte ich jetzt längst gesehen, dass, wenn auch ein einzelner Reisender mit wenigen Dienern recht gut diesen Weg von Magdala über Lalibala und Sokota nach Antalo gehen kann, es unmöglich gewesen wäre, eine Armee wie die Englische auf diesem Wege fortzubringen. Wenigstens in der trockenen Jahreszeit wäre dies auf dem von mir verfolgten Wege rein unausführbar gewesen und in der nassen Jahreszeit würden die Regenbetten Schwierigkeiten gemacht haben.

Von hier an immer steigend kamen wir dann über den hohen Mokogo-Pass und brachten die Nacht einige Meilen weiter nordwärts im Dorfe Belkoak zu. Wir befanden uns hier sehr hoch, so dass wir Nachts beinahe von Kälte zu leiden hatten. Ich wäre gern hier geblieben, da meine Thiere sehr erschöpft waren, allein es gelang uns nicht, Getreide für sie aufzutreiben, selbst gegen Medizin wollte Niemand Etwas hergeben. Seit 5 Jahren waren die Leute hier alljährlich von Heuschrecken heimgesucht worden, dazu hatten in den letzten Jahren Wassermangel, der constante Bürgerkrieg und die Gottesgeissel Theodor das ihrige gethan, Land und Bevölkerung arm zu machen.


Wir hatten nun den hohen Pass von Biala zu übersteigen, einen kolossalen Gebirgsstock, der von NO. nach SW. streicht. Unsere Thiere wollten indess kaum weiter und dazu kam, dass die Dörfer, wo wir hätten unterkommen können, weit vom Wege ablagen. Der südöstliche Abhang des Biala-Stockes ist besser bewaldet und bewohnt als der entgegengesetzte. Der Pass, über den man kommt, wird vom nordöstlichsten Abhänge gebildet, der mit dem westlichen Ausläufer des Gerbako-Berges zusammenhängt. Der Biala-Berg selbst hat drei Hauptspitzen, eine nordöstliche, eine mittlere, welche die höchste ist, und eine südwestliche. Sein südwestlichster Abhang steht mit dem lang gedehnten Su-Amba in Verbindung. Das Gestein des Biala ist vornehmlich vulkanischer Natur. Ich wäre gern im Dorfe Biala, das an der Nordostseite liegt, geblieben, um eine Ersteigung dieses Kolosses zu versuchen, aber theils waren meine Schuhe und Stiefel so zerrissen, dass sie einen solchen Gang nicht mehr ausgehalten hätten, und hinauf reiten konnte man nicht, theils war das Aneroid, welches mir bei der Trennung von der englischen Armee ein Bekannter geliehen hatte, nur bis zu 8000 Fuss brauchbar und die Passhöhe, welche wir bei Biala überschritten, war schon höher. Mein eigenes Aneroid und Hypsometer waren gleich beim Anfange der Expedition zerbrochen. Somit fiel der Hauptzweck einer Ersteigung des Biala, die Bestimmung seiner Höhe, weg.

Wir hatten den Pass von Biala glücklich überwunden und weil wir vor uns in hügeliger Ebene das Dorf Ohlich liegen sahen, nahmen wir uns vor, dort die Nacht zuzubringen. Freilich wäre es besser für uns gewesen, andere, näher liegende Dörfer aufzusuchen, aber dies erkannten wir erst, als es zu spät war. Ein wolkenbruchartiges Gewitter brach plötzlich über uns herein und es war unmöglich, aus ihm herauszukommen, es schien mit uns nach Norden zu ziehen. Alle kleinen Schluchten und Rinnsale, die wir zu passiren hatten, verwandelten sich in einem Augenblick in reissende Giessbäche, welche mit rasender Geschwindigkeit Fuss hoch schmutziges dickes Wasser fortrollten. Wenn ich selbst auch nicht sehr litt, da ich vom Kopfe bis zu Fuss wasserdichte Kleider schnell überziehen konnte, so blieb doch an meinen Dienern kein trockener Faden und alles nicht in den Kisten befindliche Gepäck wurde gleichfalls durchnässt.

Ohlich ist ein grosser Ort und die Hütten, obgleich sehr luftig wie alle in dieser Gegend aus Reisern gebaut, sind dicht zusammengedrängt. Die Gegend um Ohlich ist hügelig, gut bebaut und leidlich bewohnt. Wie überall hier ist die Bevölkerung Agauisch, indess eben so eitel, frech, schmutzig und scheinheilig wie die Amharische oder Tigre-Bevölkerung. In der That zeigte sich hier, wohin das Prestige der englischen Waffen von der Vernichtung der Armee Theodor's, der Einnahme von Magdala erst gerüchtweise gedrungen war, die freche Neugierde der Bewohner in ihrer ganzen Unverschämtheit. Den ganzen Tag standen sie haufenweise vor der Thüre meiner Hütte, machten über jede ihnen fremde Sache alberne Bemerkungen und geberdeten sich so, als ob sie die allwissenden, herrschenden Leute wären, wir anderen Europäer blos arme Schächer. Der Schum war noch der Allervernünftigste von ihnen und am anderen Morgen erbot er sich sogar, mich zum Statthalter von Sokota zu begleiten. Diese Stadt war jetzt nahebei, nur ein Marsch von einigen Meilen trennte uns noch. Natürlich zog unser Ortsvorsteher seine besten Kleider an, indess bildeten eine neue weisse Hose, nach Art der Europäischen gemacht (nicht weit wie die orientalischen), und ein grosses weisses baumwollenes Umschlagetuch mit breitem rothen Streife seinen ganzen Anzug; aber er war doch reinlich. Er trug Nichts als einen kleinen Sonnenschirm von Stroh, ohne den kein Abessinier daher kommt, denn alle gehen barhäuptig, aber hinter ihm lief ein kleiner Knabe, der seinen Spiess und Schild trug. Unser Schum war alt und seine krausen Locken schneeweiss, er unterliess deshalb auch nicht, mich zu bitten, langsam zu reiten, da er sonst nicht folgen könne.

Der Weg von Ohlich nach Sokota bietet nichts Besonderes dar, ausser dass man einen Hügelzug übersteigen muss, dessen höchster Punkt man beim Telela-Pass erreicht. Die Gegend ist gut bevölkert und die grössere Belebtheit der Strasse kündigt eine Stadt an. Auch eine Zollstation ist noch zu passiren, wo der Statthalter von Sokota seine Abgaben in Salzstücken erhebt. Jedes beladene Maulthier giebt 6, jeder Esel 3 Stück. Diese Salzstücke, hier in Abessinien die kleine Münze, haben je nach der Entfernung von den Küstenebenen, von woher sie kommen, einen verschiedenen Werth; in Lalibala wechselte ich gegen einen Maria-Theresia-Thaler 6 Stück ein, früher in Antalo 16, in Adigrath und Senafe 30, und ehe die Europäer in Abessinien waren, erhielt man dort sogar 60 Stück. Jedes Stück Salz, die alle eine und dieselbe Form haben, wiegt ungefähr ein Pfund. Natürlich liess man mich und meine kleine Karawane unbelästigt den Zoll passiren.

Der Ortsvorsteher von Ohlich, der vorausgelaufen war, um mich beim Statthalter von Wag und Gouverneur von Sokota, Namens Borah, anzumelden, kam nun zurück in Begleitung eines Anderen, der etwas Arabisch radebrechte und sich als ein von Munzinger an den Fürsten von Tigre abgeschickter Bote auswies, und meldete, der Gouverneur erwarte mich, damit ich ihn begrüsse. Ueber solche Frechheit entrüstet, indem es bei allen halbcivilisirten und wilden Völkern Afrika's Sitte ist, zuerst dem Fremden eine Wohnung anzuweisen und dann seinen Besuch zu erwarten, antwortete ich einfach, ob man mir eine Wohnung geben wolle oder nicht, wenn man dies nicht auf der Stelle könne, würde ich sogleich weiter ziehen. Zudem fügte ich hinzu: "Sage dem Statthalter, dass ich noch gar nicht die Absicht ausgesprochen habe, ihn zu besuchen, wie er also dazu kommen könne, meinen Besuch zu erwarten?" Es kam nun auch gleich der Befehl, mir eine Wohnung zu besorgen, und zwar eine geräumige, gut aussehende Hütte, und kaum war ich darin einquartiert, als der Statthalter, von einem grossen Haufen Soldaten begleitet, sich einstellte, um mich zu besuchen. In Europa wird man es lächerlich finden, bei uncivilisirten Völkern auf solche Ceremonien zu halten, aber gerade durch Beobachtung solcher äusserer Kleinigkeiten erhält der Europäer bei ungebildeten Völkern sein Ansehen und ich hatte mir einmal zur Regel gemacht, nie in einem Lande zuerst einen Besuch zu machen, ausser dem Fürsten selbst. Diese Völker halten selbst so sehr darauf, dass sie eine gewisse Rangordnung darin erkennen; wer dem Anderen zuerst einen Besuch macht, spricht damit aus, dass er den Besuchenden als höher im Range stehend erachtet. Der Herrscher von Bornu erkennt das dadurch an, dass er, sobald er den Besuch eines gebildeten Europäers erhalten hat, diesem seinen ersten Minister, den Dig-ma, und andere höhere Würdenträger des Reiches zuschickt; in seinen Augen kommt an Rang der ihn besuchende Europäer gleich nach ihm, und ich glaubte, in Abessinien, wo das Volk lange nicht auf einer so hohen Stufe der Bildung steht, als in Bornu oder Sókoto, dieselben Regeln beobachten zu müssen, auch zeigte die Erfahrung, dass ich ganz Recht hatte.[10]

Borah benahm sich äusserst freundlich und zuvorkommend, er versprach nach den ersten Begrüssungen, mich mit Allem zu versorgen, was ich nöthig haben würde. Sein Anzug war so schmutzig und schlecht, dass ich, als eine Menge Leute zugleich in die Hütte traten, fragen musste, wer der Statthalter sei; denn viele seiner Untergebenen waren besser und reinlicher als er selbst angezogen. Zu meiner Freude lehnte er es ab, sich auf meinen Teppich neben mich zu setzen, und begnügte sich mit dem Boden mir gegenüber.

Nach Ordnung meines Gepäckes machte ich dem Statthalter meinen Gegenbesuch. Er bewohnt das Haus Gobesieh's, des Schum von Wag, ein grosses Gebäude, das nach europäischer Art gebaut, aber fast ganz verfallen ist, wie Alles, was von Völkern herrührt, die keine Zukunft haben; daher hat er sich als Empfanghaus eine kolossale Hütte bauen lassen, in der er auf einer grossen Ochsenhaut an der Erde sass, während seine Beamten, Soldaten und anderes Volk, dem er gerade Recht sprach, ihn umstanden oder auf dem Boden hockten. Die Hütte war ringsum in der Mauer mit Nischen versehen, in denen Pferde und Maulthiere, wahrscheinlich die Lieblingsthiere des Herrn Statthalters, standen. Er selbst hatte, wohl meinen Besuch erwartend, eine Art Schlafrock von europäischem Möbelkattun übergezogen, der indess nicht reiner war als seine übrigen Kleider.

Sokota ist einer der bedeutendsten Orte in Abessinien, die Zahl seiner zur Agau-Bevölkerung gehörenden Bewohner mag sich auf 4 bis 5000 Seelen belaufen. Es liegt auf mehreren Hügeln und wird in der Mitte vom Bilbis-Flusse durchströmt, der vom Süden kommend dem Tselari zueilt. Seinem ganzen Laufe nach hat er nur in der Regenzeit Wasser, aber bei Sokota führt er solches immer. Die Häuser der Stadt sind besser gebaut, wie die der umliegenden Ortschaften, obgleich auch die besten noch weit hinter den Gebäuden der Neger Central-Afrika's zurückstehen; vorherrschende Form ist die runde Hütte, gewöhnlich mit steinerner Mauer, während die Bedachung nothdürftig aus Stroh hergestellt ist. Das Geräth im Inneren besteht aus einem Rohrbette, alga oder arat[11] genannt, einer Mühle zum Mehlmahlen, d.h. einem flachen, etwas ausgewölbten Stein, auf dem das Getreide mit einem anderen flachen Stein zerrieben wird, und der so in ein Thongestell eingemauert ist, dass das Mehl unten in einen Topf fällt. Einige Töpfe, lederne Säcke, eine Feuerstelle, Vorräthe, in grossen Krügen aufbewahrt, vervollständigen das Ameublement.

Sokota hat nur Eine Kirche, die wie alle im Rundstyl gebaut und ohne alle Merkwürdigkeiten ist, sie heisst Mariz-Mobila. Ein eigenes Quartier von Mohammedanern bewohnt und aus circa 100 Häusern bestehend sagt uns, dass es in Sokota Industrie und Handel giebt, welche beide Zweige hier in Abessinien fast ausschliesslich in den Händen der Mohammedaner sind. Sie bringen von der Küste Salz, Perlen und europäische Stoffe und exportiren dafür Felle, etwas Kaffee, Wachs und Vieh. Nach unseren Begriffen ist der Handel indess sehr unbedeutend. Die Mohammedaner stehen unter keinerlei Zwang, haben ihre Moschee und leben mit den Christen in bester Eintracht.

Man kann hier alle Tage Eier, Hühner, Milch, Butter, Honig, Mehl und selbst Honigwein zu kaufen bekommen und in der Regenzeit werden Kohl, Bohnen und Erbsen gezogen. Alle diese Artikel sind für gewöhnlich sehr billig, aber jetzt durch die grossen Einkäufe der Engländer zu unglaublichen Preisen gestiegen. Ich führe nur an, dass man mir hier 5 Eier für einen Maria-Theresia-Thaler anbot, doch war ich natürlich nicht englisch genug, um auf diesen Handel einzugehen. Die Gerste war so theuer, dass ich von Sokota an täglich für 2 Maria-Theresia-Thaler brauchte; für l Maria-Theresia-Thaler bekam man 5 Pfund und manchmal war auch für solch hohen Preis keine zu haben.