Akkra und Christiansborg gehören schon der Goldküste an, indem diese von der östlich sich hinziehenden Sklavenküste ...

Akkra und Christiansborg gehören schon der Goldküste an, indem diese von der östlich sich hinziehenden Sklavenküste durch den Volta-Fluss getrennt ist. Wir hatten die Mündung dieses bedeutenden Flusses, der rechts und links grosse Lagunen hat, Nachts passirt. Der Haupttheil der Bevölkerung der beiden Oerter ist vom Stamme der Akkra-Neger, sie sollen den Yóruba verwandt sein. Ganz eigenthümlich ist die Bauart ihrer Kanoe, weil sie ein erhöhtes Hintertheil haben, überhaupt dabei sehr gross sind; mit dem grossen dreieckigen Segel, dessen sie sich bedienen, giebt das dem Schiffchen von Weitem ein ganz classisches Aussehen. Am meisten entzückte mich der melodische Sang der Ruderer, und erinnerte mich sehr an die singlustigen Kakánda-Neger am mittleren Niger, denen es auch ganz unmöglich war, ihr Kanoe weiter zu stossen, ohne jeden Stoss mit Gesang zu begleiten. Indess haben die Akkra-Neger, und dies ist höchst bemerkenswerth, wirklich eine Art Choralgesang, denn die zweite und dritte Stimme accordirt immer melodisch mit der ersten. Möglich auch, dass sie dies durch den Unterricht von Missionären gelernt haben, obwohl die Lieder, welche sie sangen, keine religiöse zu sein schienen, sondern gewöhnliche Volkslieder.

Akkra war bis vor zwei Monaten halb englisch, halb holländisch, ist jetzt aber durch Verkauf ganz an die Engländer gekommen. Christiansborg wurde schon 1850 von den Dänen dem Englischen Gouvernement überlassen. Man sieht also, wie England so ganz allmählich und ohne Aufsehen zu erregen, sich der ganzen Küste von Afrika bemächtigt, denn längst sind der Reichthum an Rohproducten und die Fähigkeit, später dort für alle Colonialerzeugnisse das fruchtbarste Feld und den ergiebigsten Boden zu finden, von diesem speculativen Volke erkannt worden.


Wir blieben einen ganzen Tag vor Akkra, was, da hohe See war, und das Schiff stark rollte, nicht sehr angenehm war. Wie am vorhergehenden Tage fuhren wir dann um 7 Uhr Abends weiter, und fanden uns am andern Morgen vor dem bedeutenden Ort Cape Coast Castle liegen.

Diese Stadt mit ihrem Fort, wie der Name es schon andeutet, liegt auf steilen Felsen, welche senkrecht in die See abfallen; von den Portugiesen erbaut, gehört sie jetzt den Engländern, und sieht sie auch nicht so lieblich wie Akkra und Christiansborg aus, so hat sie doch einen europäischen Anstrich. Wie immer kommen zahlreiche Boote, und hier bieten sie uns besonders Goldstaub und Papageien zum Verkauf an. Ganz besonders erregten aber unser Aller Bewunderung die ausserordentlich schönen und feinen Filigranarbeiten der Neger in Gold: Broschen, die künstlichsten Ketten, Ringe, Ohrbommel und andere Sachen wurden so ausgezeichnet und mit einer solchen Vollendung uns zum Verkauf vorgezeigt, dass ein gewöhnlicher europäischer Goldarbeiter Mühe gehabt haben würde, dergleichen nachzumachen. Um Gold und Goldstaub dreht sich hier denn auch das ganze Leben, Die Hauptzufuhr kommt vom Atschanti-Lande, und unser Schiff nahm im Ganzen gegen 3000 Unzen ein, theils in Staub, theils in Ringen. Die Fanti, welche den Hauptbestandtheil der Cape Coast Castle Bevölkerung bilden, sowie die Assin und Wassau, Stämme, die weiter im Inneren des Landes wohnen, bedienen sich ausschliesslich des Goldstaubes als Geldmittel. Jeder hat zu dem Ende eine kleine empfindliche Goldwage und ein ledernes Säckchen mit Goldstaub immer bei sich. Das Gewicht besteht in kleinen leichten Kernen einer Schottenpflanze und bei grösseren Quantitäten in Steinchen.

Ich staunte gerade die furchtbare Brandung an, welche die Wellen des Oceans gegen die Felsblöcke, auf welche das Fort erbaut ist, bis zu einer Höhe von 50 Fuss hinaufspritzten, als meine Aufmerksamkeit durch zwei Officiersfamilien in Anspruch genommen wurde, die auf Stühlen sitzend (es ist allgemein Gebrauch an der Westküste von Afrika, in die grossen Kanoe Stühle zu setzen, da keine Bänke vorhanden sind) in einem grossen Kanoe an Bord gerudert wurden. Und um so mehr wunderte ich mich, als ich den einen Officier mit seiner Dame sich im schönsten Plattdeutsch (Holländisch) unterhalten hörte. Diese heimischen Töne brachten mich zuerst auf die Vermuthung, es mit preussischen Marineofficieren zu thun zu haben, da dieselben ja möglicherweise neu uniformirt sein konnten. Aber ich wurde bald enttäuscht, indem man mir in der Ferne nach Westen zu das holländische Fort Elmina zeigte, das ich bis dahin gar nicht wahrgenommen hatte, beschäftigt wie ich war mit meiner allernächsten Umgebung. Elmina ist auf circa eine Stunde von Cape Coast Castle entfernt und insofern für die Holländer von Wichtigkeit, weil sie hier einen Theil ihrer Soldaten für ihre ostindischen Colonien recrutiren. Sie bezahlen dafür einen jährlichen Tribut an den Aschanti König, der ihnen hingegen die nöthige Mannschaft, also Sklaven, liefert. Diese werden nun meist auf fünf Jahre engagirt, nach Ablauf welcher Zeit sie frei werden und in ihr Land zurückkehren können. Dies thun sie dann auch in der Regel, bleiben aber nach ihrer Rückkehr meist beim Fort Elmina unter dem holländischen Schutze wohnen, weil sie, falls sie nach Aschanti gingen, aufs Neue in Sklaverei fallen würden. Man theilte mir hier mit, dass so gut der König von Aschanti mit den Holländern stehe, er gerade jetzt den Engländern den Krieg erklärt habe, und sie nach Beendigung der Regenzeit angreifen würde. Hoffen wir das dem nicht so ist oder, wenn, dass derselbe glücklicher für unsere weissen Vettern ausfallen möge als bei früheren Gelegenheiten.

Hier ankerten wir nur bis Mittags und immer dicht neben der Küste haltend kamen wir Appolonia und Cape tree points vorbei. Das Wetter war gut, obgleich die See hoch ging, was starkes Schwanken und Rollen des Dampfers zur Folge hatte, der überdies übermässig lang und schmal war. Es war für mich um so unangenehmer, als ich von Zeit zu Zeit noch Fieberanfälle bekam, obgleich sonst meine Kräfte durch die Seeluft anfingen zuzunehmen. Im Uebrigen hatte sich die Sache an Bord recht gemüthlich gestaltet, und obgleich wir so viele Geistliche aller Secten an Bord hatten, dass wir im Nothfall ein Concil hätten abhalten können, lebte man doch ohne allen Zwang, und gerade hierin gaben uns die Missionäre das beste Beispiel. Sonntags wurde jeden Morgen Gottesdienst abgehalten, und Kapitän Kroft wusste sich dieses Dienstes mit eben so grosser Geschicklichkeit und Gewandtheit zu unterziehen, wie mit der Führung des Dampfers.

Mit Cap tree points verliessen wir Abends die Küste, und fuhren den ganzen folgenden Tag, ohne dass uns irgend etwas Merkwürdiges aufstiess; zudem hielt ein anhaltend fallender Regen uns fortwährend unter Deck, denn die wolkenzusammentreibende Sonne war jetzt gerade über unseren Köpfen, was in der Regenzeit bekanntlich am Schlimmsten ist. Um l Uhr endlich erblickten wir den Ort Cavalle, wo Herr Paine, ein amerikanischer Bischof, seit 27 Jahren für die Ausbreitung der christlichen Religion wirkt. Von hier nach Cap Palmas sind nur noch anderthalb Stunden, und dort angekommen warf der Calabar wieder Anker.

Cap Palmas ist der Hauptort der Kru-Küste, und zählt politisch zur Republik Liberia, welche bekanntlich unter amerikanischem Schutze steht. Trotz des Regens und des Nebels nahm sich dieser Ort ganz reizend aus. Er liegt unmittelbar an einem tiefgezackten Ufer, und die Kirchen und hochgiebligen Häuser konnten einen glauben machen eine nordische Küste vor sich zu haben. Gleich vorn am Cap bemerkt man einen Kirchthurm, der indess diese Illusionen wieder zerstört, denn er sieht wie ein mohammedanisches Minaret aus; vor dem Cap liegt eine kleine grüne Insel, die, wenn sie auch des Baumschmuckes entbehrt, nicht wenig dazu beiträgt die Abwechslung des palmbewachsenen Ufers zu erhöhen. Cap Palmas ist wie ganz Liberia aus einer Niederlassung freigelassener Sklaven gebildet, und hat eine eigene Regierung, von der jedoch alle Weissen ausgeschlossen sind. Die Regierung ist abhängig von dem Präsidenten in Monrovia. Die presbyterianische Religion ist bei ihnen die vorherrschende. Es giebt in Palmas auch einige Weisse, welche Handel treiben, und dieselben, obgleich unter dem Gouvernement der Schwarzen, leben mit den Negern im besten Einverständniss. Hauptartikel des Handels ist, wie an der ganzen Westküste, Oel und Palmnüsse. Der Ort ist im Emporblühen begriffen, und ich hätte gern die Gelegenheit benutzt, diese interessanten Punkte einer selbständigen Negercultur näher in Augenschein zu nehmen, wenn nicht Regen und hoher Wellenschlag jedes Landen sehr unangenehm gemacht hätten. Freilich liessen sich unsere Kru-Neger, die wir von Lagos und Kamerun mitgebracht hatten, hierdurch nicht abhalten, und ihre Verwandten und Freunde umschwärmten in unendlich kleinen und unzähligen Kanoes fortwährend den Dampfer, um sie aufzunehmen.

Die meisten indess, namentlich die, welche ohne Gepäck waren, sprangen ganz einfach über Bord und schwammen so auf das sie erwartende Kanoe zu. Dass dabei die lächerlichsten Scenen sich immer wiederholten, kann man sich leicht vorstellen, denn beim Einsteigen ins Kanoe schlug dasselbe meist zuerst um und wurde dann, als wenn nichts Besonderes passirt wäre im Meere selbst wieder aufgerichtet und ausgeschüttet. Es lagen auch mehrere europäische Schiffe hier vor Anker.

Abends 5 Uhr lichteten wir die Anker, und bald entschwand die grüne Küste wieder unseren Augen. Anhaltend fallender Regen würde die Fahrt zu einer entsetzlich langweiligen gemacht haben, wenn ich nicht in Mynheer Schmeet, einem holländischen Officier van der Gezondheid, einen sehr unterhaltenden und gebildeten Mann gefunden hätte. Die holländischen Colonien, über den ganzen Erdball zerstreut, hatten ihm Gelegenheit gegeben, alle Welttheile kennen zu lernen. Zudem hatte ich vollauf zu lesen, denn seit zwei Jahren ausser allem Verkehr mit dem gebildeten Europa, hatte ich mich durch Stösse neuer Schriften, die lauter für mich unbekannte Thaten und Ereignisse enthielten, durchzuarbeiten.

Ein guter Wind begünstigte die Schnelligkeit des Calabar's so, dass wir schon am andern Abend um 5 Uhr vor Monrovia waren, während wir eigentlich erst am folgenden Morgen um 6 Uhr hätten eintreffen sollen.

Monrovia, die Hauptstadt von Liberia, ist der sprechendste Beweis, bis auf welche Stufe der Neger sich in Cultur und Civilisation emporzuschwingen vermag, sobald er, von tüchtigen Missionen umgeben, in administrativer Beziehung sich selbst überlassen ist. Die Regierung selbst ist ganz nach dem Muster der amerikanischen eingerichtet, und hat hier denn auch der Präsident und der Congress seinen Sitz. Eine Art von Schutz, obgleich das am Ende ja nur gegen europäische Mächte gerichtet sein könnte, wird immer noch vom government of the United States ausgeübt; nach Innen zu gegen die unabhängigen Neger ist Liberia vollkommen im Stande, sich selbst zu schützen und Achtung zu verschaffen. Mehr als 600,000 Neger erkennen übrigens die Herrschaft der Republik Liberia an, und über 25,000 Seelen davon haben die christliche Religion angenommen.

Auch hier war es leider nicht möglich ans Land zu kommen; die Stadt selbst soll sonst, was Wohnungen und Strassen anbetrifft, an der Westküste von Afrika die schönste sein, und selbst die englische Stadt Freetown in Sierra-Leone in dieser Beziehung übertreffen. Eine grosse Bucht vor dem Orte gewährt den grössten Schiffen vollkommene Sicherheit, und wir fanden mehrere hier ankern, unter andern auch Hamburger. Die Regierung besitzt auch eine Kriegskorvette, welche ein Geschenk der Königin von England ist. Der Handel, was Export anbetrifft, besteht hauptsächlich in Zucker, welcher mit dem grössten Erfolg von den Negern gebaut wird. Allein im vergangenen Jahre wurden von Liberia für 150,000 Pfund Sterling Rohzucker ausgeführt.

Wir blieben hier bis am folgenden Morgen um 10 Uhr, um den von Liverpool ankommenden Postdampfer zu erwarten; nach dessen Eintreffen ging es denn auch gleich weiter. Uebrigens hatten wir an Bord viel Zuwachs bekommen, eine Menge junger schwarzer Damen, die in England ihre Erziehung vollenden sollten, beengten die Damencajüte, während wir selbst indess nur einen Herrn bekamen, der Vater von zweien dieser jungen Grazien war. Es versteht sich von selbst (die Engländer sind viel zu vernünftig, um nur im allerentferntesten den Schwindel deutscher Stubengelehrten, welche über Raçenunterschied ellenlange gehaltlose Abhandlungen schreiben, auch nur begreifen zu können), dass an Bord vollkommene Gleichheit zwischen Schwarzen und Weissen herrschte, und Herr Bull, so hiess unser schwarzer Reisegefährte, war immer einer unserer interessantesten und genialsten Gesellschafter.

Abends und Nachts hatten wir wieder das fürchterlichste Unwetter, von tropischen Regengüssen begleitet; erst gegen 10 Uhr Morgens zogen sich die dicken Regenwolken etwas weiter auseinander, und gegen Mittag konnten wir schon die hohen Berge von Sierra Leone sehen. Die Spitzen des Gebirges, so schwer war jetzt die wasserschwangere Luft, waren indess von einer schwarzen Wolkenschicht umhüllt, man sah nur die unteren Partien der Halbinsel, die wie eine grosse Muschel an der Küste von Afrika hingeworfen erscheint. Früher war es jedenfalls eine Insel wie Fernando Po oder St. Thomas, erst später entstand durch Anschwemmung aus den beiden Flüssen Bokelli und Kates, die ihre Mündungen gegen einander richten, eine Verbindung mit dem Festlande. Sierra Leone oder das Löwengebirge ist nicht blos, weil es der bestcivilisirteste Negerstaat (an Grossartigkeit des Handels übertrifft Freetown bei weitem Monrovia) von Tanger bis zum Cap an der Westküste von Afrika ist, bemerkenswerth, sondern auch seine eigenthümliche geographische Form zeichnet es vor allen aus. Freilich hat es nicht das schöne, städtereiche und an Naturproducten ausgezeichnete Hinterland wie Lagos, aber trotzdem wird durch seine ganz ausserordentlich vortheilhafte Lage Sierra Leone immer Hauptsitz der Regierung bleiben.

Das Erste was sich unseren Blicken genauer präsentirte, ist ein kleiner Leuchtthurm, auf einer Halbinsel liegend, welche selbst mit ihrem ewigen Grün für sich ein kleines Eden bildet; gleich darauf hat man das prachtvolle Missionsgebäude der Engländer vor sich, von üppig prangendem Grün umgeben, und einige Schritte weiter entrollt sich die ganze Stadt vor unseren Blicken, amphitheatralisch ans Löwengebirge hinaufgebaut.