Die vielfarbigen Häuser, meist von hochgiebeligen Dächern, was für ihr Alter spricht, überragt, die Verschiedenartigkeit ...

Die vielfarbigen Häuser, meist von hochgiebeligen Dächern, was für ihr Alter spricht, überragt, die Verschiedenartigkeit des Baustyls, Brückenanlagen, welche über tief einschneidende Ravins führen, grossartige Kirchen und andere öffentliche Gebäude, als: der Sitz des Gouverneurs, verschiedene Casernen und Hospitäler, einige Verschanzungen nach der Seeseite zu—dies Alles untermischt vom tiefen dunklen Grün der Tropennatur, aus der hie und da die schlanken, schaukelnden Zweige der Cocospalme in hellem Saftgrün emporschauen—dies imposante Schauspiel sagt einem selbstredend, dass man die Hauptstadt der englischen Besitzungen an der Westküste von Afrika vor sich hat. Im Hintergrunde der Stadt erheben sich die schwarzen dichtbelaubten Berge, hin und wieder leuchtet aus ihnen eine blendend weisse Villa der reichen Europäer oder Neger hervor; auf den Gipfeln der Berge lagerten, wie wir schon anführten, schwere dunkle Wolken. Im Vordergrunde war vor uns der wunderherrliche Hafen, durch die Mündung des Sierra-Leone-Flusses gebildet. Was Grösse und Sicherheit anbetrifft, sucht er seines Gleichen an der ganzen Küste. Die grossen Schiffe aller Nationen, zwischen denen die kleinen Canoes einen geschäftigen Verkehr, sowie mit der Stadt etablirt hatten, brachten dem ganzen Bilde Leben bei.

Indem wir dies grossartige und doch so reizende Panorama betrachteten und bewunderten, liess der "Calabar" mit lang dauerndem Gerassel seine Anker fallen. Er hätte zwar noch näher ans Land gehen können, aber uns war es so gerade lieber, weil wir, je weiter wir vom Quai lagen, um so weniger vom Gesammtbilde verloren.


Am folgenden Tage liess ich mich aus Land rudern, um die Stadt selbst näher in Augenschein zu nehmen. Ich hatte auch einen Empfehlungsbrief für Herrn Rosenbusch, der, Hamburger von Geburt, als holländischer Consul fungirt. Leider fand in der Angabe des Briefes eine Verwechselung statt, so dass ich nicht von der allbekannten Gastlichkeit seines Hauses profitiren konnte; indess hatte ich später den Vortheil den Herrn kennen zu lernen, indem er am folgenden Tage mich an Bord besuchte, und überdies die Güte hatte, mich mit neuen Büchern, unter anderen dem ganzen letzten Jahrgang der Petermann'schen Mitteilungen zu versorgen.

Freetown oder, wie man gewöhnlich schlechtweg sagt, Sierra Leone, obgleich letzteres eigentlich der Name der ganzen Halbinsel ist, hat durchaus schwarze Bevölkerung, denn die wenigen Weissen, aus dem Gouvernement, einigen Consuln und Kaufleuten bestehend, bemerkt man fast gar nicht. Die Schwarzen, ursprünglich von freigelassenen Sklaven herstammend, welche die Engländer den Spaniern, Portugiesen und Nordamerikanern abkaperten, bilden die gemischteste Bevölkerung, die man sich denken kann, und hier war es, da es Leute fast aus allen Theilen Afrikas giebt, wo Koello seine bekannte Polyglotta zusammenstellte. Dennoch hat die englische Sprache eine gewisse Einheit in die Bevölkerung gebracht, indem sie, obgleich corrumpirt gesprochen, jetzt als Medium zwischen den unter sich fremden Negerstämmen dient. Es giebt hier zahlreiche Missionen der verschiedenen protestantischen Bekenntnisse, auch die Katholiken haben eine Anstalt hier gegründet, und wie man mir sagte, machte eben die letztere verhältnissmässig am meisten Proselyten. Es ist dies auch wohl möglich, denn sobald die Priester der römischen Religion Fanatismus and Unduldsamkeit bei Seite legen, ist es sehr denkbar, dass dieser Gottesdienst dem augenblicklich noch auf niedriger Culturstufe stehenden Neger eher einleuchtend ist, als der abstracte Dinge glaubende und so zu sagen nicht handgreifliche evangelische Gottesdienst; gerade der katholische Bilderdienst ist ja im Grunde genommen so verwandt mit dem Fetischismus der Neger, dass er eben desshalb eine grössere Anziehung ausüben muss. Kirchen und Schulen fehlen natürlich in Sierra Leone nicht, und die jungen Kaufleute und Buchführer dieser Colonie sind an der ganzen Küste gesucht und bekannt. Es kommt auch deshalb oft genug vor, dass junge Leute, die ursprünglich auf Kosten und Mühen der Missionen gute Bildung und Erziehung bekommen haben, um als Pfarrer oder Lehrer zu wirken, sich von ihrem erhabenen Beruf durch die Verlockung, einen grösseren Gehalt zu bekommen, abwendig machen lassen, und so die Früchte einer langjährigen Arbeit für die Missionen verloren gehen. Zum Theil mag das aber auch wohl darin liegen, weil eben schwarze Prediger und Lehrer, pecuniär bedeutend geringer gestellt sind als die weissen, obgleich manchmal das Wissen zu Gunsten der ersteren sein dürfte.

Die Strassen der Stadt sind sehr gerade und ausserordentlich breit angelegt, dennoch könnte man mehr für den Gesundheitszustand derselben thun, wenn man die breiten, mit hohem Gras, Gebüsch und Palmen bestandenen Ravins, welche die Stadt durchziehen und die eine Wiege böser Ausdünstung sein müssen, verschwinden lassen würde. Zudem, da Polizei genug vorhanden ist, brauchte man auch nicht Schweine, Schafe und Ziegen frei auf den Strassen herumlaufen lassen. Die Häuser sind meist, namentlich die neuen, grossartig und luftig gebaut, und benutzt man zur Construction jetzt meist gebrannte Ziegelsteine, statt wie früher Holz, welches letztere dem Temperaturwechsel, in der trockenen Jahreszeit einer excessiven Hitze, in der nassen einer alles durchdringenden Feuchtigkeit schlecht widersteht. In den Strassen wie am Hafen herrscht ein reges Treiben, man begegnet jungen schwarzen Dandies mit weissen Glacéhandschuhen, zu Pferde ihre Promenade machend, fast alle haben nach neuester Mode eine Brille über dem Nasenrücken, oder doch an einem Bändchen herunterhängen, viele haben einen Fächer; die Damen zeigen, wie der demi monde auf den Boulevards, ihre extravaganten Toiletten, entweder lange Schleppkleider, bei denen sie den Vortheil vor dem europäischen beau monde haben, sich ohne grosse Kosten einen kleinen schwarzen Pagen zum Nachtragen der Schleppe halten zu können, wesshalb die Haken und Oesen zum Aufhängen des zu Langen in Sierra Leone auch nie werden eingeführt werden—oder kurze Röckchen, wobei natürlich das schwarze Beinchen durch blendend weisse Strümpfe und Schnürstiefelchen mit chinesischem Absatz zu einem vollkommenen Pariser umgewandelt wird. In den Cafés sieht man ältere und gesetztere Neger, oft schon weisshaarig, bei einem Glase Porter oder Brandy mit ebenso grossem Interesse die Sierra-Leone-Zeitung oder eine veraltete Times lesen, wie es bei uns die Kannegiesser zu thun pflegen und Morgens, wenn es frisch ist nach den Begriffen der Bewohner der heissen Zone, d.h. wenn das Thermometer zwischen 20 und 25° schwankt, kann man sicher sein, wie Abends in Italien auf dem Corso, Alles promeniren zu finden. Ein feiner junger Engländer, in Sierra Leone geboren oder nicht, unterhält sich vielleicht mit einer schwarzen Schönen vom Balle am vergangenen Abend, ein eleganter krauslockiger Neger lustwandelt mit einem weissfarbigen Blondköpfchen, ihr ein Gedicht von Byron vorsagend, oder vielleicht selbst Verse improvisirend.

Für Europäer ist indess der längere Aufenthalt in der Stadt einer der verderblichsten an der ganzen Küste: Consul Rosenbusch erzählte mir, dass man die Erfahrung gemacht habe, die ganze weisse Bevölkerung, circa 200 Seelen stark, sei innerhalb neun Jahren einmal ganz ausgestorben. Die dort gebornen Weissen scheinen indess das Klima besser zu ertragen, jedenfalls eben so gut, wie die Schwarzen. Ueberdies scheint, dass, wie an der ganzen Westküste so auch in Sierra Leone, eine Verbesserung in climatischer Hinsicht stattfindet.—Der Handel von Sierra Leone, wie schon die vielen grösseren im Hafen liegenden Schiffe andeuten, ist sehr bedeutend, und namentlich wird von hier ein bedeutender Zwischenhandel mit der ganzen Westküste von Afrika vermittelt. Hauptartikel dieses Zwischenhandels ist die Goro- oder Kola-Nuss, deren sich die Neger wie wir des Kaffees bedienen, indem sie dieselbe kauen. Die Kola-Nuss kommt von Gondja und wird hauptsächlich durch Mandingo-Neger aus dem Inneren zur Küste geschafft und geht dann von Sierra Leone einerseits nach dem Gambia- und Senegal-Flusse, andererseits bis nach Lagos, um von diesen Punkten aus wieder ins Innere versandt zu werden.

Auch hier bekamen wir wieder mehrere Passagiere, Schwarze und Weisse, und unter letzteren waren einige Franzosen. Am folgenden Tage blieben wir noch bis Abends 5 Uhr, dann lichteten wir wieder die Anker. Das Wetter war, obgleich von heftigen Regenschauern begleitet, dennoch sehr heiss, so dass, als ich Nachts mein Thermometer auf Deck exponirt liess, dasselbe Morgens vor Sonnenaufgang noch 27 Grad Cels. zeigte. Wir machten hier die interessante Beobachtung, dass wir alle manchmal ausgezeichnete Schlaftage hatten, d.h. dass, wenn man Morgens wie üblich fragte, wie haben Sie geschlafen? Alles antwortete, ausgezeichnet! Denn hin wiederum waren andere Nächte, wo kein Mensch schlafen konnte, ohne dass man dann dafür eine bestimmte Ursache angeben konnte. Ich denke indess, dass dies jedenfalls wohl mit der mehr oder weniger stark geschwängerten electrischen Luft der Regenzeit in Verbindung zu bringen sein dürfte.—Je mehr Passagiere wir bekamen, um so schlechter wurde natürlich für uns die Einrichtung, obgleich man immer noch besser daran war, wie auf dem Seebade der Bremer, Norderney, wo z.B. in der Saison von 1867 auf 2500 Badegäste nur 20 Kellner waren, während wir auf 60 Passagiere doch 10 Aufwärter hatten, und so wird man finden, dass die Engländer und Neger, letztere waren es hauptsächlich, die über mangelhafte Bedienung klagten, im Grunde genommen gar keine Ursache dazu hatten. Eher Recht hätten sie gehabt sich über die Küche zu beklagen, die als echt englisch gar nicht zu verdauen war: das Fleisch war immer nach Art der Negerküche zubereitet, d.h. halb gar, das Gemüse war durch eine Decoction von heissem Wasser gewöhnlich in geschmackloses Kraut umgewandelt, ein bestimmter Service wurde überhaupt beim Essen gar nicht beobachtet, sondern man lebte in dieser Beziehung wie bei den Beduinen, die auch von der gehörigen Reihenfolge der Gänge und einzelnen Gerichte keine Idee haben. Gewöhnlich setzte man alles zugleich auf den Tisch, und da konnte man von vorn oder hinten anfangen, alles war recht. Unglücklich war der, vor dem ein Braten stand, der die Begierde der Tischgenossen erregte, denn dann war er sicher, dass er gar nicht zum Essen kommen konnte, indem er den Dienst eines Kellners zu versehen hatte, d.h. seine ganze Zeit ging mit Tranchiren verloren.

Wir brauchten 3 Tage um die weite Mündung des Gambiaflusses zu erreichen, und nachdem wir die Spitze des linken Ufers, welche das Cap der heiligen Maria genannt wird, umschifft hatten, warfen wir Abends um 6 Uhr Anker vor Bathurst. Der Platz und die Einfahrt ist beim Gambia sehr bequem, und die Abwesenheit einer Barre vor der Mündung des Flusses, trägt viel dazu bei, die Schifffahrt zu erleichtern, und so fanden wir auch eine Menge grösserer Schiffe hier, meist englische und französische. Die Stadt selbst sieht sonst nur kleinlich aus, und kann namentlich mit Freetown gar keinen Vergleich aushalten. Das Klima am Flusse ist ebenfalls für Europäer äusserst ungesund, und ist Haupthinderniss für Katholiken und Protestanten erfolgreiche Missionen anzulegen, da die meisten Missionäre frühzeitig den bösen Einflüssen der Luft erliegen. Der Handel besteht hier hauptsächlich in Koltsche oder Grundnuss (arachis), von der ein ausgezeichnetes Oel gewonnen wird. Im frischen Zustande schmeckt dieselbe wie eine Kartoffel, alt hingegen und etwas im Feuer geröstet, nussartig. Die Frucht dieser arachis, die in ganz Innerafrika vorkommt, wird hauptsächlich nach Frankreich verschickt und erst dort, meist in Marseille, wird das Oel daraus gepresst, welches in jeder Beziehung so gut wie Olivenöl ist.

Wie in Sierra Leone so kamen auch hier neue Reisende an Bord, unter anderen der Gouverneur der englischen Gambia-Colonie, der, obschon er Admiral war, alle Welt durch sein schlichtes, einfaches Wesen in Erstaunen versetzte: so putzte er sich immer Morgens seine Schuhe selbst, nachdem er zuvor einen grossen Käfig, in welchem er zwei Trompeter (ein grosser afrikanischer Vogel, welcher hauptsächlich in den Urwäldern zwischen dem sogenannten Kong-Gebirge und dem Ocean sich aufhält, die Engländer nennen ihn crownbird) hatte, eigenhändig ausgekehrt hatte.

Wir blieben bis fünf Uhr Nachmittags in Bathurst, nachdem wir Nachts von einem so starken Tornado waren überfallen worden, dass unser ganzes Sonnenzelt über Bord ging; für's Schiff selbst war freilich nichts zu besorgen, denn in Bathurst ist eine vollkommen sichere Rhede. Die Cap Verd'schen Inseln dann westlich liegen lassend, erreichten wir nach fünf Tagen die Canarien. Aber obgleich das Wetter nicht kalt war, hatten wir doch fortwährend Sturm und hohen Seegang, und es war wirklich ein erhabenes Schauspiel, zu sehen, wie der Dampfer gegen dies unermessliche bewegliche Gebirge ankämpfte, jetzt über eine sehr lang gestreckte Welle hinübergetragen wurde, dann aber wieder durch eine kürzere zischend hindurchschoss. Und wenn man sieht, wie der schwache Mensch in einer zerbrechlichen Nussschale diesen endlosen Ocean bekämpft, und mit Erfolg bekämpft und besiegt, dann wird es einem klar, dass nichts Geist und Körper so sehr in Anspruch nimmt als das Seemannsleben: die ganze Laufbahn des Schiffers ist ein unausgesetztes Ringen mit der Natur.—Schon auf zwanzig Meilen vorher sahen wir den Pik von Teneriffa, zuerst ganz klar und wolkenlos, dann aber von einer dichten Wolkenschicht umlagert, so dass nur noch die Spitze herausragte. Am 23. Juni Morgens früh hielten wir vor St. Croce, dem Hauptorte der Insel. Die Spanier, als Herren derselben, hielten uns natürlich in Quarantaine und trieben im Anfange die Vorsicht so weit, dass sie Papiere und Briefe mittelst einer langen Scheere empfingen, und erst nachdem sie Alles, was vom Calabar ihnen zugekommen war, ins Seewasser getaucht, ihrer Meinung nach desinficirt hatten, wagten sie es, die Papiere in die Hände zu nehmen. Natürlich war es unter solchen Verhältnissen Niemand gestattet ans Land zu gehen, ebenso wenig durften wir Jemand empfangen. Vermittelst einer Summe Geldes, ich glaube 25 Francs, wurde indess später gestattet, dass wir Kohlen einnehmen konnten, ja, es etablirte sich mit uns vermittelst des Quarantainebootes eine Art Obsthandel und wir hatten Gelegenheit uns hier die köstlichsten Weintrauben zu verschaffen. Teneriffa sieht im Ganzen sonst öde aus, selbst die Stadt, ohne irgendwie malerisch zu sein, trägt nichts dazu bei, die kahlen und schroffen Feldpartien interessanter zu machen. Auf dem Gebirge selbst bemerkt man vom Meere aus keine Bäume, obwohl diese Insel wohl nicht ganz ohne diesen Schmuck ist, denn man sieht, dass andere Culturen, als Wein, Obst und Korn, sich hoch an die Berge hinaufziehen.

Das Kohleneinnehmen hielt uns bis 3 Uhr Nachmittags auf, um welche Zeit denn der Calabar mit Dampf und vollen Segeln nordwärts steuerte. Wir hielten dicht neben der Küste, und so lange wir unter dem Schutze der hohen Felsen uns befanden, war es, als ob wir eine Flussfahrt machten, so wie wir indess in die offene See kamen, fing von Neuem das Rollen und Stampfen des Schiffes derart an, dass fast alle Passagiere seekrank wurden. Namentlich stark war von dieser unheimlichen Krankheit eine junge bildschöne Engländerin befallen, welche, von Sierra Leone kommend, um in ihrem Vaterlande den Sommer zuzubringen, unter den Schutz eines ebenfalls in Freetown an Bord gekommenen Marinekapitäns gestellt war. Aber, o armer Gemahl, trotz Wetter und Krankheit wusste unser galanter See-Cavalier seine Angriffe; Liebeserklärungen und Aufmerksamkeiten so geschickt zu leiten, dass er schon in Madeira die reizende verheirathete Blondine vollkommen besiegt hatte. Die ersten sich dort auszuschiffen, kamen sie die letzten wieder an Bord, waren trunken von Bewunderung für die herrliche Insel.

Um 1 Uhr Nachts verkündeten am 25. uns die Kanonen, dass wir bei Madeira angekommen seien, und als wir etwas vor Sonnenaufgang auf Deck erschienen, lag dieser herrliche Smaragd im tiefen blauen Wasser vor uns. Giebt es überhaupt einen entzückenderen Anblick, als diese ewig grüne Frühlingsinsel? Unter der aufgeklärten Regierung der Portugiesen wurde uns hier natürlich kein Hinderniss in den Weg gelegt, um zu landen, und ich glaube alle benutzten die Erlaubniss. Was soll ich sagen von den schönen Gärten, von den schattigen Spaziergängen, von dem eigenthümlichen Leben der dort seit Jahrhunderten lebenden Portugiesen, von den reizenden Aussichten, die sich einem von jedem beliebigen Punkte der Insel darbieten; es ist dies Alles längst bekannt, denn Madeira war und ist noch immer eine Hauptwinterstation für Brustleidende unserer kalten Länder. Das Holloway'sche Hotel bietet den ausgezeichnetsten Comfort, es giebt dort deutschredende Aufwärter, und die Preise sind, obschon es das erste Hotel auf Funchal und ganz Madeira ist, bedeutend billiger als in allen anderen. Der Weinbau fängt auch an sich wieder zu heben, obwohl bis dahin fast nur Cochenille und Zucker gebaut worden war, desshalb ist ächter Madeirawein auch auf der ganzen Insel augenblicklich nicht zu bekommen, man trinkt von Portugal importirte Weine, welche denn auch gewöhnlich den Fremden, wenn sie durchaus darauf bestehen, Madeira trinken zu wollen, als solche vorgesetzt werden.

Leider mussten wir diese paradiesische Insel schon am selben Abend um 6 Uhr verlassen, nachdem wir auch hier noch Passagiere bekommen hatten. Unter anderen war eine junge Landsmännin zugekommen, deren Mann nach einer einmonatlichen Krankheit auf Madeira gestorben war. Obgleich sie durch ihre Bekannte unter den Schutz des vom Gambia mit uns gekommenen Admirals gestellt war, konnte ich es als Deutscher nicht ruhig mit ansehen und unterlassen, sie dem Engländer schon gleich am ersten Tage abwendig zu machen, bei welchem Unternehmen ich freilich mit Zuvorkommenheit von der jungen trauernden Dame unterstützt wurde. Es traf sich merkwürdig genug, dass diese liebenswürdige Frau, in Petersburg geboren, eine Menge von meinen Freunden kannte; im höchsten Grade gebildet, sprach sie mit gleicher Fertigkeit die drei neuen Weltsprachen und war bald neben der blonden jungen Engländerin der Gegenstand der allgemeinen Bewunderung.

Von der sechstägigen Reise von Madeira nach Liverpool führe ich hier nur noch an, dass wir alle, als aus dem heissen Klima der Tropen herkommend, gar nicht auf eine solche Kälte, wie wir sie zu der Zeit hatten, vorbereitet waren. Unsere jungen Negerinnen in ihren leichten Sommerkleidern, wie man sie stets in Afrika zu tragen pflegt, konnten gar nicht mehr auf Deck erscheinen, ein Theil der Herren, ob weiss oder schwarz, suchte immer Schutz und Wärme bei der Maschine, was mich anbetrifft, so half mir meine Landsmännin, welche einen Kleidervorrath von Petersburg bei sich hatte, aus und so russificirt konnten wir Wind und Wogen Trotz bieten, ohne den ganzen Tag in der dumpfen Cajüte die eingeschlossene Luft einathmen zu müssen. Endlich nach einer Fahrt von 4 Wochen sahen wir in Irland zuerst Europa wieder und legten einen Tag später in den Docks in Liverpool bei.