Entstehen und Wandlungen unserer Küsten. Die Nordseeküste.

Es würde im vorigen Kapitel gesagt, dass die Nordsee wahrscheinlich einstmals Festland gewesen und durch Senkung zum Meere geworden sei. Wir werden jetzt sehen, ob und inwieweit die Küsten ebenfalls an dieser Senkung teilgenommen haben. Dass letzteres überhaupt der Fall ist und die Nordsee zum mindesten sehr viel kleiner war, dafür gibt es eine Unzahl von Beweisen, von denen hier einige Beispiele angeführt sein sollen:

An manchen Stellen unserer Küste werden unter einer aufgespülten Sandschicht Spuren ganzer Gehölze und gute fruchtbare Erde gefunden, ebenso unter verschiedenen Mooren, aus denen man Baumstämme und Wurzeln von Erlen, Espen, Birken und Kiefern, also unsere noch jetzt einheimischen Baumarten, zu Tage gefördert hat. Auch auf den unserer Küste vorgelagerten Watten findet man an vielen Stellen in ganz geringer Tiefe Baumstämme, so bei Pelworm sowie zwischen Rom und der jütischen Küste. An letzterer liegt ein kleiner Ort Aalum; als hier die große Sturmflut von 1825 ein Stück des hohen Ufers abgerissen hatte, wurden auch hier Stämme und Wurzeln von Bäumen sichtbar.


Zeugen noch älteren pflanzlichen Lebens sind die Bernsteinfunde, die seit vielen Jahrhunderten auch an der Nordsee gemacht werden. Bei einigem Suchen kann man auch jetzt nach jeder hohen Flut zwischen schwarzem Seetang außergewöhnlich leichte, schwarzgelbe Steine aufheben, die sich bei näherer Untersuchung als Bernstein ausweisen. Übrigens gilt der Nordsee- Bernstein als nicht so gut als wie der der Ostsee, auch kommt er weit seltener vor.

In Holland liegen an der Küste ganze Landstriche unter der mittleren Fluthöhe des Meeres, sodass es notwendig ist, das Land durch Schöpfmühlen zu entwässern. Diese Notwendigkeit hat sich nun im Laufe der Jahrhunderte in immer mehr Orten herausgestellt und ist deshalb als ein sicheres Zeichen des Versinkens der Küste anzusehen.

An der anderen Seite der Nordsee in Schottland ist in der Tay-Bucht ein großer unterirdischer Wald mit Sicherheit nachgewiesen worden.

All diese Tatsachen haben als sichere Merkzeichen von ungeheuren Umwälzungen der Erdrinde zu gelten, die sich nach Hunderttausenden von Jahren berechnen und deren Ursachen uns noch ganz unbekannt sind; deren Wirken wir aber zum Teil erkennen können. Unser ganzes Nordsee- und Ostseegebiet, die Küsten der Normandie, Belgiens und Hollands und die östliche Küste von England sind danach mit dem Nordseegrunde im Sinken begriffen. Wie weit sich dieses Versinken des Landes nach dem Innern des Kontinents erstreckt, wissen wir nicht, denn messbar ist dies sich in Jahrtausenden fast unmerkbar vollziehende Naturereignis kaum erst an den Küsten.

Das Maß des Sinkens wird nach den Beobachtungen verschieden angegeben; es ist nicht überall gleichmäßig. Die Veranschlagungen gehen bis zu 1 m in einem Jahrhundert. Unter der Annahme dieses Höchstmaßes wird berechnet, dass bei einem gleichmäßigen Weitersinken des Landes das Wasser nach 2500 Jahren etwa bis Meppen reichen würde; Hamburg, Bremen, Verden, Oldenburg lägen dann auf dem Meeresgrund. Das Niveau der Nordsee stünde 25 m höher, um so viel also müssten die Deiche erhöht werden. Wenn das auch wohl im Bereiche menschlichen Könnens liegen würde, so wäre es doch ein zweckloses Werk, denn ungeheure Kräfte wären außerdem noch nötig, um das tiefgelegene Land zu entwässern. Ob das dann lebende Menschengeschlecht wirklich sich die Naturkräfte soweit unterworfen haben wird, um dies zu verrichten, wissen wir nicht; wir wissen aber auch nicht, ob die Senkungsperiode nicht vielleicht inzwischen längst ihr Ende erreicht haben wird.

Dem großen Senkungsgebiet steht nun ein entsprechendes Hebungsgebiet im Norden und Westen gegenüber. Die nördliche Grenze zwischen beiden zieht sich durch Jütland und Südschweden in der Weise hin, dass während sich Schleswig-Holstein und Südschweden senken, das nördliche Jütland, Norwegen sowie Schweden nördlich von Karlskrona sich heben. — Die westliche Grenze zwischen beiden Gebieten geht quer durch England. Während sich die Ostküste Englands senkt, hebt sich die Süd- und Westküste.

Auch für das Heben des Landes gibt es unwiderlegbare Beweise: In Schottland werden in den verschiedensten Höhenlagen bis zu 100 m über dem Meere Tonlager mit Muscheln gefunden, ebenso in Irland. In Norwegen findet man 130 m über dem Meeresspiegel Muschel und Korallen, bei Hammerfest sogar 200 m über dem Meer. Bei Frederikshald wurde im Jahre 1687 in 80 m Höhe ein vollständiges Wallfischgerippe ausgegraben. — Die Reihe der Beweise ließe sich noch beliebig verlängern. Die richtigen Schlussfolgerungen sind übrigens durchaus nicht erst in der Neuzeit gezogen worden, sondern bereits Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Heben der Küste von Schweden von dem berühmten Forscher Celsius, jederman durch seine Einteilung des Thermometers bekannt, durch Messungen nachgewiesen.

Das Heben der skandinavischen Halbinsel scheint umso stärker zu sein, je weiter man nach Norden kommt. Bei den Aelands-Inseln wird als Höchstmaß etwa 1 m, bei Haparanda 1 3/4 m in einem Jahrhundert angegeben. Es ist auch festgestellt, dass sich das Hebungsgebiet noch über das Nordkap hinaus fortsetzt, da man auch in Spitzbergen alte Uferlinien, Reste von Muscheln und Wallfischen in einer Höhe von 50 m gefunden hat.

Dies Heben und Senken großer Ländergebiete wird von manchen aber nur als ein Teil oder auch als ein Nachzittern viel größerer Umwälzungen der Erdrinde angesehen. Danach war früher vom Meere nicht allein die Nordsee Festland, sondern Schottland hing über den Shetland-Inseln mit Island und letzteres mit Spitzbergen und Norwegen zusammen, ja es wird sogar ein großer untergegangener Kontinent vermutet, der den nördlichen Teil des atlantischen Ozeans ausfüllte und von dem die Azoren als Überreste noch aus dem Meere hervorragen. Diese Hypothesen gehören allerdings bereits vollständig in das Reich der Phantasie und daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn man sich nun noch weiter in dies Reich verlören hat und den untergegangenen Kontinent mit der Insel Atlantis, von der uns Plato erzählt, in Verbindung gebracht hat. Von der Insel hat der Ozean seinen Namen und deshalb dürfte die Sage manchem Leser von Interesse sein; es heißt darin:

„Damals war das Meer außerhalb der Säulen des Hercules noch schiffbar und in demselben, gleich vor dem Eingange der Straße, lag eine Insel größer als Lybien und Asien zusammengenommen. Die Könige derselben waren sehr mächtig, denn sie beherrschten nicht nur die Insel Atlantis, sondern noch mehrere andere, sogar ganz Lybien bis nach Ägypten und Europa bis zum Tyrrhenischen Meer usw.“ — Über den Untergang heißt es dann weiter, „dass die Insel durch ein großes Naturereignis zerstört worden sei, indem sie in einem Tage und einer Nacht in den tiefen Abgrund des Ozeans versank. An der Stelle, wo sie gestanden, ließ sie so viel Schlamm zurück, dass das Meer nicht mehr beschifft werden konnte.“ Nach Paestel, der obige Stelle anführt, dürften mit diesem Schlamm vielleicht die pflanzlichen Stoffe, die einen Teil des atlantischen Ozeans bedecken und das sogenannte Sargasso-Meer bilden, von den Alten gemeint worden sein.

So wenig begründet und so unwahrscheinlich das Vorhandensein eines einstigen Kontinents im atlantischen Ozean ist, so sicher wissen wir im Gegensatz dazu von unserer norddeutschen Tiefebene, dass sie in einer Entwicklungsepoche der Erde bis zu den mitteldeutschen Gebirgen Meeresboden gewesen ist, ebenso wie der größere Teil des europäischen Russlands bis zur Wolga und dem Schwarzen und Kaspischen Meer und nach Norden bis zum Eismeer. Die unzweideutigen Beweise sind die Diluvialmassen und die fossilen Überreste von Tieren, die nur im Meere leben konnten. — Doch nun zurück zu unserer Nordsee und ihren Küsten.

Die Zeit, wann die Nordsee zum Meere geworden, ist ganz unbestimmbar; von einigen Gelehrten wird sie auf etwa 15 bis 20000 Jahre zurückgelegt. Da aber nicht feststeht, dass das Sinken immer ein gleichmäßiges gewesen, so beruhen alle diese Annahmen mehr oder minder auf Mutmaßungen. Auf jeden Fall ist die Trennung Englands vom Kontinent erheblich später erfolgt, es geht dies schon aus den viel geringeren Tiefen zwischen ihnen und in der ganzen südlichen Nordsee gegenüber dem nördlichen Teil hervor. Über den früheren Zusammenhang überhaupt besteht für den Geologen nicht der geringste Zweifel, denn die einander gegenüberliegenden Küsten zeigen eine derartig gleichartige Struktur, dass der Kanal nur als örtliche Senkung angesehen werden kann. Die Zeit der Trennung wird auf 4.000 — 6.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung geschätzt; von irgendwelchen Beweisen, die sichere Schlüsse zulassen, kann dabei selbstverständlich nicht die Rede sein. Wir wollen jetzt sehen, was Sage und Geschichte uns über unsere Küsten und ihre Bewohner überliefert haben: Der älteste Bericht stammt von Pytheus aus Massalia, welcher zur Zeit Alexanders des Großen die nördlichen Meere befahren und die sagenhafte Insel Thule besucht hat, unter der manche die Shetlandinseln, andere Jütland, noch andere sogar die Ostseeküste verstehen wollen. Ein anderer griechischer Schriftsteller Ephorus berichtet uns von der sagenhaften zimbrischen Flut; er schreibt hierüber: „Die Kimbern, welche an der Nordsee wohnten, haben aus Ärger über die fortwährenden Überschwemmungen ihres Gebietes ihre Wohnsitze verlassen; von ihnen sind mehr Menschen durch das Wasser als durch den Krieg umgekommen. Bei einbrechenden Fluten ergriffen sie die Waffen und stürzten sich dem Meer entgegen, um es zu bekämpfen.“ — Diese sagenhafte kimbrische Flut wird 300 Jahre später auch von Plinius erwähnt. Nach ihm haben die Kimbern infolge einer großen Sturmflut ihre Heimat verlassen und sind zusammen mit den Teutonen nach Süden gezogen. Die Zeitangaben stimmen aber nicht überein, wie überhaupt alle Angaben über unsere Küsten und ihre Bewohner die über die Zeit vor Christi Geburt hinausreichen, sehr dürftig und unzuverlässig sind.

Von besonderem Interesse ist aus dieser ältesten Zeit noch eine Angabe aus dem dritten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, nach der man von der Mündung des Rheins das östliche Vorgebirge von Britannien hätte erkennen können. Das würde also bedeuten, dass zu der Zeit der Zwischenräum zwischen England und dem Kontinent ein sehr viel geringerer gewesen sein muss. Diese Annahme erfährt eine gewisse Bestätigung durch Strabo, der fast drei Jahrhunderte später schreibt, dass sich Holland in früherer Zeit viel weiter nach Westen und Nordwesten in die See erstreckt habe. — Etwas lichter wird das Dunkel, das über unsere Küsten und ihre Bewohner in früheren Zeiten schwebt, durch die Berichte von Plinius und Tacitus.

Zu ihrer Zeit wohnten westlich der Ems die Friesen; zwischen Ems und Elbe ein ihnen nahe verwandter Volksstamm, die Chauken; östlich von diesen die Teutonen; nördlich Sachsen, Angeln und Kimbern, von welchen letzteren man annimmt, dass ein Teil von ihnen nicht mit ausgewandert ist und später in die Dänen, die die Inseln an der Ostküste und den Norden Jütlands bewohnten, aufgegangen ist. Da es zu der Zeit noch keine Deiche gab, war der Kampf des Menschen gegen die Elemente noch weit härter als jetzt. Eine vorzügliche Beschreibung hiervon sowie über Land und Leute gibt uns der ältere Plinius um die Mitte des ersten Jahrhunderts. Er schreibt:

„Im Norden habe ich die Völkerschaften der Chauken gesehen, welche, als die kleineren und die größeren unterschieden werden. Hier erhebt sich der Ozean zweimal in 24 Stunden und bedeckt abwechselnd ein Gebiet von umstrittener Natur, ungewiss ob zum Festland gehörig oder zur See. Das armselige Volk bewohnt hohe Hügel, mit der Hand nach dem höchsten Flutmaß errichtet (die heutigen Wurten), auf welchen dann die Hütten aufgebaut wurden, ähnlich zur Flutzeit dem Leben an Bord von Schiffen, zur Ebbezeit den Schiffbrüchigen vergleichbar. Sie machen in der Nähe ihrer Bretterhütten Jagd auf die mit dem Meere zurückfliehenden Fische; ihnen ist es nicht möglich, sich Haustiere zu halten und von deren Milch zu leben gleich ihren Nachbarn, ja nicht einmal mit den wilden Tieren zu kämpfen, da weit und breit kein Strauch vorhanden ist. — Schilf und Binsen flechten sie zu Stricken, daraus Netze zum Fischfang zu fertigen. Mit den Händen tragen sie feuchten Schlamm zusammen, trocknen ihn mehr am Winde als durch die Sonne und bereiten darin ihre Speisen, um die vom Nordwind erstarrten Glieder zu erwärmen; zum Getränk dient ihnen nur Regenwasser, das in Gruben in dem Hofe des Hauses gesammelt wird. Und diese Völkerschaften, wenn sie heute von den Römern besiegt würden, klagen über Knechtschaft! Wahrlich, manche verschont das Schicksal, um sie zu strafen!“ — Anschaulicher als durch diese letzten Worte dürfte uns Plinius nicht haben klar machen können, wie völlig verständnislos er, der hochzivilisierte Römer, dem freien und rauen Leben der genügsamen Barbaren, der künftigen Besieger seines Volkes, gegenüberstand.

Mit ganz anderer Wertschätzung spricht schon wenige Jahrzehnte später Tacitus von diesen Küstenbewohnern. Er nennt die Chauken das edelste Volk der Germanen, das seine Größe lieber durch Gerechtigkeit schützen will. Ohne Begehrlichkeit, ohne Herrschsucht leben sie ruhig für sich dahin, rufen keine Kriege hervor und werden nicht durch Räubereien geplündert. Der beste Beweis ihrer Tüchtigkeit und ihrer Macht ist der, dass sie ihre hervorragende Stellung nicht durch Gewalttaten erlangen; doch sind sie alle mit den Waffen vertraut und wenn es die Lage erfordert, stellen sie eine große Zahl von Männern und Pferden. Auch wenn sie im Frieden leben, geht ihnen dieser Ruf voran.“

So spärlich die Nachrichten über die Bewohner der Küste auch sind, über die Beschaffenheit der Küste selbst wissen wir noch weniger, denn die Überlieferungen beziehen sich immer nur auf einzelne Orte, sodass sich hieraus ein Gesamtbild zu machen völlig unmöglich wird. Wir werden trotzdem in dem Nachstehenden versuchen, uns die Küste so zu rekonstruieren wie es nach den Überlieferungen und alten Chroniken möglich ist, wobei aber alles Sagenhafte weggelassen werden soll. Plinius zählt vom Kanal bis zum nördlichen Jütland 23 Inseln auf, jetzt sind 14 vorhanden und von diesen stellen die meisten nur Überreste von größeren Inseln dar, die weit nach Plinius Zeiten auseinandergerissen worden sind.

Strabo erwähnt eine Insel Byrchanis; man hat den Namen auf das jetzige Borkum beziehen wollen; ob mit Recht, ist zweifelhaft, denn der Name erscheint erst wieder im Jahre 1269 in einer Chronik. Die Chroniken sind überhaupt die ersten Quellen, aus denen wir etwas Näheres über unsere Küsten erfahren. Über die Küstenformation berichten sie aber auch eigentlich nur indirekt, indem sie uns die Verheerungen der Sturmfluten und die vielen Namen untergegangener Dörfer und Inseln aufzählen. Um das Jahr 1000 herum waren danach Dollart und Jadebusen noch festes Land. Beide sind ebenso wie der Zuider-See nicht durch eine einzige Sturmflut entstanden, sondern an ihrem Untergange hat eine ganze Reihe von Sturmfluten gearbeitet, gegen welche die Bewohner sich nicht verteidigen konnten wie wir es heute mit unseren Deichbauten vermögen.

Der erste Einbruch in den Dollart wird nach dem alten Chronisten Uno Emmius der Weihnachtsflut 1277 zugeschrieben, die Hauptverheerung hat aber erst die große Sturmflut von 1377 angerichtet. Auf all die anderen Sturmfluten, die noch an dem Untergang mitgewirkt haben, einzugehen, ist hier nicht möglich, die wichtigsten sind in dem letzten Abschnitt „Sturmfluten“ angeführt. Ihre Gesamtwirkung ist aus einer alten Dollart-Karte zu entnehmen, nach der auf dem Grunde des Dollart 51 Ortschaften vom Wasser begraben liegen, worunter eine Stadt — Torum — , 3 Flecken, 3 Klöster und 33 Kirchspiele. Von diesem verlorenen Lande ist im Laufe der letzten drei Jahrhunderte dem Meer ein großer Teil wieder abgerungen worden und zwar seit Mitte des 16. Jahrhunderts über die Hälfte des damaligen Dollart.

Von dem Jadebusen nimmt man an, dass er im 10. Jahrhundert ein moorig sumpfiges Land gewesen sei. Der erste Einbruch soll 1066 stattgefunden haben. 1218 vernichtete eine Sturmflut die Burg Jadelehe und mehrere Dörfer, aber erst drei Jahrhunderte später, durch die Marcellusflut 1517, erhielt der Jadebusen seine größte Ausdehnung; seitdem wird auch an seiner Verkleinerung mit gutem Erfolg gearbeitet.

Das Land Butjadingen zwischen Jade und Weser erstreckte sich viel weiter in die Nordsee hinein. Von ihm wurde wahrscheinlich ein Teil abgeschnitten, der im 11. Jahrhundert die Insel Mellum bildete, auf der eine Burg gestanden hat; letztere soll durch dieselbe Flut, die die Entstehung des Jadebusens verursacht hat, zerstört worden sein. Jetzt sind dort Sandbänke, die Brutstätte unzähliger Möwen; an den untergegangenen Ort und die Burg erinnert nur noch ein hohes Schifffahrtszeichen, die Mellum-Bake.

Die Inseln Norderney, Juist mit zwei anderen im Laufe der Zeit untergegangenen Inseln Buise und Bant sowie wahrscheinlich auch noch Borkum bildeten eine einzige große Insel Bant, deren erste Zertrümmerung auf die Allerheiligen Flut 1170 zurückgeführt wird. Von den Trümmern hat Buise zwischen Juist und Norderney gelegen. Norderney war zuerst nur ein Tal eines größeren abgerissenen Inselstücks Osterende.

Noch größere Änderungen als die westlichen Inseln, haben die der schleswig-holsteinischen Küste vorgelagerten nordfriesischen Inseln erfahren.

Die jetzige Insel Nordstrand gehörte noch zum Festlande; sie ist wahrscheinlich erst 1218 von ihm abgetrennt worden. Später bildete sie mit Pelworm, Nordstrandischmoor, der Hamburger Hallig und den zwischen diesen Inseln liegenden Watten eine einzige große Insel, auf der im Jahre 1231 noch 66 Kirchspiele aufgeführt werden; von diesen gingen bereits im Jahre 1300 durch eine Sturmflut der Flecken Rungholt und 8 Kirchspiele, 1362 noch weitere 20 Kirchspiele verloren. 1436 wurde das Kirchspiel Pelworm abgetrennt, das seitdem eine eigene Insel darstellt. Die furchtbarsten Verheerungen fanden aber erst 1634 statt, wir werden dieselben an anderer Stelle beschreiben.

Sylt stand noch mit dem Festlande sowie mit Amrum und Föhr in Verbindung. Wann die Trennung der drei Inseln vom Festlande und voneinander stattgefunden hat, lässt sich nicht genau bestimmen. Durch tiefes Wasser, die Fahrtrapp-Tiefe, werden nur Sylt und Föhr voneinander getrennt und zwischen ihnen soll auch der erste Durchbruch stattgefunden haben. Von den drei Inseln hat sich Föhr am besten gehalten, während Sylt und Amrum besonders durch die Flut von 1634 stark gelitten haben und auch jetzt noch trotz aller Schutzbauten leiden. —

Im Gegensatz zu diesen, im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr zusammengeschmolzenen Inseln gelang es bereits im 16. Jahrhundert, einen größeren Landkomplex, die jetzige Halbinsel Eiderstedt, an deren Rande die Meeresfluten das von den Inseln abgetragene Material ablagerten, wieder mit dem Festlande durch Deiche zu verbinden.

Helgoland ist bedeutend größer gewesen als es jetzt ist, das Unterland und die jetzige Düne waren fruchtbare Weiden und Wiesen und zwar noch vor wenigen Jahrhunderten. Von ihrer ferneren Vergangenheit wird behauptet, dass die Insel einstmals mit dem Festlande verbunden gewesen sei und dass sich zwischen Helgoland und Sylt unter Wasser noch ein Felsenriff, die sagenhafte „eiserne Mauer“ hinzieht. Mit Wangeroog soll Helgoland durch eine Dünenkette verbunden gewesen sein, sodass zu der Zeit die Küste ungefähr in einer geraden Linie Wangeroog, Helgoland Sylt verlief. Durch Einbruch der See in diese Linie und Veränderungen des Deltas von Elbe und Weser entstand ihre jetzige Formation. — Betrachtet man diese Entwicklung von dem Gesichtspunkt aus, dass die ganze Nordsee Festland gewesen, so schrumpfen all diese Fragen zu einem Streiten um kleine Episoden der allmählichen Zertrümmerung der Küste zusammen, die ein allgemeineres Interesse erst in geschichtlichen Zeiten beanspruchen. Wir kommen unter „Sturmfluten“ nochmal auf die Veränderungen zurück.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und See. Unser Klima und Wetter