Abschnitt 2

VIII.
Kulturpioniere.


Weiter als die Metallgräber wandern die Holzfäller. Es sind die stolzen Baumriesen, denen sie nachgehen, die großen und kleinen Flüsse hinauf, und von diesen das Geäder entlang der Bäche Seen und Seedurchlasse. Dort spiegeln sich in den einsamen Gewässern, deren Rand nur des Wildes und des Jägers Fuß berührt, die schönen stolzen Bäume, welche die Natur scheint geschaffen zu haben zum unvergänglichen grünen Schmuck der Wildnisse. Der Mensch jedoch trachtet ihnen nach, er braucht sie zu seinen Schiffen Wohnungen und Gewerbsbauten. Sie einzeln aus den Wäldern in der Nähe der Ansiedlungen zu holen, würde weder, Zeit noch Arbeit lohnen, weil in Dickicht und Morästen an Wege nicht zu denken ist. Man sucht und fällt die Bäume, wo sie in das fließende Gewässer hinabstürzen und auf diesem leicht in die Städte geführt werden. Ein Unternehmer, der dazu Kapital besitzt. miethet ein oder zwei Dutzend Leute, steigt mit ihnen, wenn das Eis noch an den Bäumen hängt, einen Fluß oder See hinauf in die Wälder, sein Boot ist beladen mit Mehl- Speck- und Whiskyfässern, mit Sägen und Bettdecken und Kochgeräth. Am geeigneten Platze werden rasch ein paar Blockhütten und eine Sägemühle errichtet, und sofort und unausgesetzt mäht die Axt rings in die Wälder hinein, die schönsten Bäume fallen, werden zur Sägemühle geschleppt, in Bretter zerschnitten und diese zum Floß zusammengefügt. Floß auf Floß geht den Fluß hinunter, bis die Gegend aller stolzen Bäume beraubt ist, und man den ausgelichteten Platz verläßt, um andere Waldstellen aufzusuchen wo noch eine Fülle kräftigen Baumwuchses gedrängt steht. Unregelmäßiger, kühner und gefahrvoller ist das Gewerbe jener Holzfäller, welche auf eigene Hand in die Wälder eindringen. Eine kleine Schaar thut sich zusammen, führt im leichten Birkenkahn Aexte und Büchsen, Schuß- und Mundvorrath, einen Schleifstein Kochgeschirr und für jeden Mann zur Nacht eine Wolldecke oder Büffelhaut auf einem Flüßchen herauf. Die Männer ziehen oder tragen mühsam das Fahrzeug über die Stellen von steinigem Gefälle. Was am Ufer steht von prächtigen Bäumen, wird niedergehauen, die herrlichen Eichen– Wallnuß– und Hickory–Bäume, nicht minder ein und der andere stahlharte Eisenholzbaum. Vor allen aber ist es die Ceder, nach der man ausschaut. Mit königlichem Wuchse erhebt sie sich auf den felsigen Abhängen, oft so hoch auf steilem nackten Gestein, daß sie aller Angreifer spottet. Allein diese kühnen Gesellen klimmen hinauf, auf schmalem Grate fußend schwingen sie die Wucht der Aexte, und alsbald neigt sich der edle Baum und schießt krachend und rauschend nieder und den Abhang hinab. Nicht selten, wenn einer Hirsche oder Bären entdeckt hat, wirft alles die Aexte weg und stürmt fort mit gespannten Büchsen. Dann kracht es durch die Waldeinsamkeit von Schüssen und wildem Halloh, und am Abendfeuer, an welchem die köstlichsten Fettstücke des erlegten Wildes braten, macht dann das Whiskyfäßchen und Gesang und Gelächter die Runde. Man ist auch nicht lange auf dem Anstande, wenn eine Streifschaar von andern Holzfällern in’s Gehege fällt und behauptet, sie hätten den Cedernplatz eher entdeckt und durch Anhauen von ihm Besitz ergriffen. Da wird nicht viel unterhandelt, sondern die Büchsen krachen auf Menschenwild. Mit Indianern werden noch weniger Umstände gemacht. Wollen sie nicht gutwillig weichen, wo man auf einen Trupp von ihnen stößt, so erfolgen regelmäßig Diebstahlsanschuldigungen, Angriffe und Gefechte. Es kommt auch vor, daß im Eifer des Cedernsuchens die Holzfäller sich zu weit in die Wildnisse versteigen. Dann geht der Mundvorrath aus, die Kleider reißen vom Leibe und wochenlang müssen sie um ihr Leben mit dem Hunger und den Schrecken der Wildnisse kämpfen. Sobald aber die hinlängliche Anzahl Bäume gefällt und zu Stämmen behauen, werden sie dutzendweise verknüpft und den Fluß hinunter geflößt. Kommt tieferes Wasser, so zimmert man aus dem Ganzen das große Floß, und fröhlich, jedoch unter tausend neuen Gefahren und Mühseligkeiten, fahren die Männer den Strom hinunter, bis sie vor einem Hauptplatze des Holzhandels anlegen und ihren den Wäldern abgejagten Raub für ein paar tausend Dollar verkaufen. Zu Zeiten wenn sie lange und tief in den Wäldern gewesen sind, bringen sie auf dem Floße auch junge Bären, Bärenschinken und Fäßchen voll wilden Honigs mit. Kaum aber ist das Geld im Beutel, so stürzen sie jubelnd zu Saufgelagen Spiel und Dirnen, wie der Matrose in den Hafenstädten und wie all das andere Volk es macht, das seinen Gewinn aus den Wildnissen holt.


Am weitesten von all den Vorgenannten streift der Jäger. Denn sein Ziel ist das flüchtige Wild, das in unaufhörlichem Zurückweichen vor den Ansiedlern begriffen ist, jährlich um dreißig bis funfzig Meilen. – Wie lange wird es noch dauern und dem Wilde ist im ganzen Bereiche der Vereinigten Staaten der freie Wechsel abgeschnitten. Dann wird es zurückgedrängt sein auf die Wüsteneien vor den Felsengebirgen und im Umkreise derselben, und auch dort wird die mordgierige Büchse der Jäger es anfallen, welche um des kleinsten Gewinnes wegen ganze Rudel tödten. Nicht zu zählen sind die Büffel, welche jährlich blos der Häute Hörner oder Zungen wegen zusammengeschossen werden. Unter den Büffeljägern bilden noch immer den Hauptstamm die Nachkommen der französischen Ansiedler, von denen sich in den meisten Städten an den westlichen Flüssen und Seen noch Reste erhalten haben. Diese jagen wie Indianer, mit deren Art und Wesen sie sich merkwürdig leicht vergesellschaften. Der Franzose in der Wildniß verharrt gleich dem Indianer Tage lang düster und schweigsam, dann ergiebt er sich auf einmal wie dieser ohne allen Anlaß der Ausgelassenheit und Schlemmerei. Dabei ist er geschickt, listig und ungemein rasch mit Blick und Hand, nimmt fürlieb mit dem kärglichsten Brode, und wenn er den ganzen Tag gehungert und gedurstet, singt er des Abends noch sein Liedchen. Diese amerikanischen verlornen Kinder Frankreichs sind ganz so kindisch eitel putzsüchtig und empfindlich, wie die wilden Naturkinder. Sie machen gleich den Indianern niemals Pläne im Großen und machen sich niemals Kopfweh durch Denken, sind dafür desto geschickter rühriger und anschlägiger in all den kleinen Handtirungen, wie sie die Jagd und das Befahren der Wildnisse und Gewässer erfordern. Wenn die Engländer hundert Jahre daran probirt und alle Mittel dazu gehabt hätten, so würden sie keine Menschenklasse erzogen haben, die geeigneter wäre als die Kanadier, Monate hindurch in Eis und Schnee, durch Wald und Sumpf, über Flüsse und Seen zu reisen, um Pelzthiere zu jagen, mit den Indianern Handel zu treiben und die entlegenen Handelsposten mit Nachrichten und Mundvorrath zu versehen. Früher wurde auch die Verträglichkeit der Kanadier gerühmt, sie zankten sich zwar häufig, erhitzten sich aber nicht bis zum Todschlagen; seit der stolzere germanische Amerikaner unter sie gefahren, entscheiden sie ihre Streitigkeiten häufig durch Messer und Büchse.

Alljährlich verlassen diese braunen harten Gesellen die Ufer des Missouri und Mississippi und ziehen mit Roß und Wagen den Büffeln entgegen, deren Heerden einige hundert Meilen westlich von den letzten Ansiedlungen die Prairien durchstampfen. Dort bleiben die Jäger bis zum Herbste unter freiem Himmel. Streifende Indianer stoßen zu ihnen, um an der Büffelernte Theil zu nehmen, müssen aber ihrer Diebsgelüste wegen in der Regel außerhalb der Wagenburg kampiren, die jede Nacht aufgefahren wird. Werden von den Indianern, welche die Plänkler der Jägerschaar machen müssen, die Büffel gemeldet, deren Heerden eine schwarze Linie durch die Prairie ziehen von einer halben Stunde Länge, so galoppirt alles an die Ränder des lebendigen Thierwalles und knallt und metzelt unter wüthendem Geschrei und in toller Leidenschaft, bis die grüne Prairie besäet ist mit Büffeln, die in ihrem Blute verenden, und das Gestampf der forteilenden Heerde wie ferner Donner am Horizonte verhallt. Diese Jagd hat eine rohe Aehnlichkeit mit einem Gefecht. Die Jäger, welche die sich hin und herschiebende Masse der Büffel anfallen, müssen wohl Acht haben, welche Richtung sie nimmt; denn wer vor die Linie der fortstürmenden Thiermenge geräth, ist im Nu zermalmt. Auch ergeben sich öfter Einzelkämpfe; der verwundete Büffel, der nicht gleich zum Tode getroffen ist, wirft sich mit rasender Wuth auf den ungeschickten Schützen und zerstößt und zerstampft Roß und Mann, wenn beide nicht wiederholt im wohlgemessenen Seitensprunge dem Anprall ausweichen. Glück und Stolz des Jägers ist hierbei sein Pferd. Dieses edle Thier, welches sich überall verständig dem Willen und Thun des Menschen anschmiegt, folgt auch aufmerksam jedem leisen Hand- oder Schenkeldruck des Büffeljägers. Es eilt im lustigen Wettrennen auf die Heerde ein, hält im Nu wie eine Mauer vor den funkelnden Augen des heranstürmenden Bullen, damit der Jäger ruhig zielen kann, und kaum ist der Schuß abgegeben, so fliegt das Roß wieder ab und an den Feind, als spielte es mit der Gefahr. Die Büffeljäger schießen in der Regel so viel und so lange, als sie auf ihren Wagen noch Platz haben für Büffelzungen und Büffelhäute, und auch dann wird noch manches Thier blos aus Jagdlust erlegt. Zu Zeiten gerathen sie, wenn die Heerden sich zu rasch zurückziehen, im Verfolgen tief in Sand- und Steinwüsten hinein, der Jagdeifer treibt sie voran, so lange in ihren Pferden noch Muth und auf ihren Wagen noch Mehl und gedörrtes Fleisch ist. Dann suchen sie lange Zeit umherirrend den nächsten Rückweg, die Pferde fallen, das Lager wird immer stiller, und wenn sie endlich wieder zu Wiesengrün und Wasser kommen, sind die Männer selbst nur noch ein mattes Gerippe. Kehren sie aber zu Anfang des Winters mit reicher Jagdbeute zurück, so beginnt sofort in ihren Hütten das Trinken und Schlemmen, das Tanzen und Lustigsein mit Weib und Kind. Bald nach Weihnachten ist gewöhnlich der ganze Gewinn wieder verjubelt, dann bleibt einige Wochen lang in ihren Häuschen der Heerd kalt und die Branntweinflasche leer, bis der Schnee schmilzt und die Jagd- und Wanderlust die Männer wieder in’s Weite lockt, – mögen die Frauen unterdessen sehen, wie sie sich durchhelfen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band III