Abschnitt 7

IX.
Junge Städte im Westen Nordamerikas.


Das Uebermaß der Schändlichkeiten, welche bei solchen Gelegenheiten vorkamen, führte endlich dazu, daß sich die öffentliche Meinung gegen das Treiben der Landspekulanten richtete. Dieses stand namentlich in jener Zeit in Blüthe, als noch Kongreßland auf Kredit oder in schlechten Banknoten gekauft werden konnte. Die Bürgschaft, um bei den Landämtern den Kredit zu bekommen, leisteten sich die verbundenen Landkäufer einander selbst, ja sie gründeten Banken, welche auf unglaublich geringe Baarmittel hin Banknoten zu Millionen ausgaben, blos zu dem Zwecke, um damit Kongreßland anzukaufen. Noch ärger war, daß dieselben Leute, wenn sie ihre Einkäufe gemacht hatten und ihre Banknoten unter das Publikum gekommen waren, es in der Hand behielten, statt die Noten zu bezahlen, die Bank selbst eines guten Tages für zahlungsunfähig zu erklären. Dann waren auf einmal die unzähligen Banknoten, welche von ihnen ausgegeben waren, in den Händen ihrer jetzigen Besitzer werthloses Papier, und die Spekulanten hatten in Land und Noten zugleich ihr Geschäft gemacht. Auf diese Weise wurden hunderttausende von Aeckern von Leuten gekauft, die keine tausend Dollars werth waren, wie man in Amerika sagt, wo den Werth des Mannes das Geld bestimmt, welches er in der Tasche hat. Die Landspekulation war einfach ein großes Handelsgeschäft ohne Geld. Dies hörte auf, als durch Jackson’s Speciebill festgesetzt wurde, Kongreßland solle nur für baar verkauft werden. So wohlthätig diese und andere Gesetze wirkten, so fehlt doch immer noch gar zu viel, daß sie dem Uebel ein Ende gemacht hätten. Denn einestheils ist bereits zu viel Land in den Händen der Spekulanten, andererseits giebt es in Amerika für den schlauen Mann tausend Mittel und Wege, zum Ziele zu gelangen, ohne den Buchstaben des Gesetzes zu verletzen. Die großen Kapitalisten wissen immer ein paar Monate vor dem kleinen voraus, wo der beste Markt ist, sie werfen gleich große Geldmassen auf den Markt, unterstützen einander, und sie haben das Fett schon von der Suppe geschöpft, ehe der Mann, der wirklich seiner Hände Arbeit in eine Sache stecken will, nur einmal ankommt. Um den Blutsaugern im großen Stile das Handwerk zu verderben, entstand auch das Bestreben, durch Gesetz es festzustellen, daß Kongreßland nur der wirkliche Ansiedler, dieser aber umsonst, erhalte.


Ohne die Landspekulanten würde die Einwanderung ruhiger und regelmäßiger nach Westen vorgehen, und nicht die guten Stellen an ihrem Wege liegen lassen, um sich auf die viel ferner liegenden zu werfen. Das aber ist gewiß, daß die Thätigkeit und die Künste der Landhändler viel dazu beitragen, daß die Einwanderung im Ganzen stürmischer und lebhafter zu Werke geht, und daß im fernen Westen Städte, Handelsplätze, Dampfschiffs- und Eisenbahnlinien entstehen und manchen zu Reichthümern verhelfen, wo man vielleicht sonst noch lange Jahre hindurch nichts gesehen hätte, als die Blockhütte des Jägers Indianerhändlers und Hinterwäldlers. Durch die Agitation der Landhändler wird die Einwanderung von vornherein über ein ungeheures Gebiet verbreitet, und es werden, wenn auch Hunderttausende von Ansiedlern darüber zu Grunde gehen, in dieser weiten Ausdehnung frühzeitig Resultate der Prüfungen und Haltpunkte gewonnen, welche der nachkommenden Einwanderung Vortheil bringen. Ohne die offenen und heimlichen Verlockungen der Landspekulanten und ihrer Unterhändler würden ferner Tausende in Amerika selbst wie in Europa ruhig an ihrem Orte sitzen geblieben sein und sich dort ernährt haben, welche jetzt den Wanderstab zum gelobten Land ergreifen. Daß die innere Unruhe, welche die Leute aus dem Osten Amerikas immer weiter nach Westen, und aus Europa nach Amerika treibt, unaufhörlich wieder angeregt wird, dazu wirken die Landhändler sehr bedeutend mit. Für deren Vortheil arbeiten auch in Deutschland manche Herren, von denen man es nicht glauben sollte.

Landspekulanten sind es auch, welche den ersten und vornehmsten Ansatz zur Aristokratie einer jungen Stadt bilden. Wenn die Hauptstraße noch nicht fünfzig Häuser zählt, hat die Stadt schon eine Aristokratie, so hochmüthig, so starr abgeschlossen gegen die andern, und so lächerlich, als irgend eine vornehme Gesellschaft unter den Chinesen oder einer Hindukaste. Es ist eine seltsame Ironie der Weltgeschichte: diese Amerikaner, welche sich die freiesten aufgeklärtesten und tugendhaftesten Männer auf der Welt nennen, sind von einem quälenden Hunger besessen, Aristokratie zu machen. In der ganzen Union ist ein ewiges Drängen danach. Sobald einer in voller Hast und Lust, reich zu werden, seine paar tausend Dollars Einkünfte erobert hat, so beginnt erst recht die heiße Arbeit des armen Mannes. Was läßt es sich ein stolzer freier Amerikaner nicht kosten an Angst und Kopfzerbrechen, an Verlegenheiten und Erniedrigungen, blos um zu einem vornehmeren Kreise gerechnet zu werden! Wie mancher, der in einer der älteren Städte reich und angesehen war, wird so lange von Frauen und Töchtern gehetzt und getrieben, bis er seine guten Geschäfte abbricht und in eine der westlichen Städte zieht, blos weil es seinen Damen unerträglich war, an ihrem bisherigen Wohnorte nicht die ersten zu sein. Kommt dann einmal ein Lord oder sonst ein europäischer Reisender mit hohem Namen in jene entlegenen Gegenden, so begiebt sich ganz dasselbe lächerliche Schauspiel, wie in Boston oder Philadelphia bei solcher Gelegenheit. Alles drängt sich herbei und dreht sich und wendet sich, den vornehmen Herrn in sein Haus zu bekommen oder doch in seiner Gesellschaft gesehen zu werden. Die Leute schütteln ihm die Hand so ernstlich und bedächtig, als wollten sie an seinem Pulse fühlen, daß einmal ein wirklicher ächter unverfälschter Lord oder Graf ihr Herz erquicke. Mit langen ernsten Gesichtern sonnen sie sich heimlich an seinem Anblick, wie ein Bauer seine Augen weidet am Glanze von seltenen Goldstücken. Für die meisten amerikanischen Aristokraten liegt im europäischen vornehmen Adel so etwas Köstliches und Zauberhaftes, so etwas Heimliches und Unsagbares von Glanz und Duft, das sie nimmer ergründen und erreichen, denn ach, die armen Leute fühlen sich selbst immer nur als Bourgeoisie.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band III