Türken.

I.
Handelsvölker der Gegenwart.


Bei weitem der ehrlichste unter den Orientalen bleibt stets der Türke, er verachtet aber in seinem Dummstolze den Welthandel und ist auch viel zu träge, ihn lebhaft zu betreiben. Die Türkei beherrscht Länder, welche reiche Produkte haben und welche der Waarenstrom selbst aus dem Süden Asiens her durchzieht: der Osmane nimmt den Gewinn mit, der ihm in den Weg kommt, er ist Kaufmann aus Zufall und nicht aus Neigung oder Anlage. Die orientalische Ausbeutungssitte ist im türkischen Reiche in das vollendetste System gebracht, und die Folge war, daß der Türke Völker und Länder unfruchtbar machte, auf welche er seine harte Faust legte.


Seine großen Regenten im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhundert wußten nur die militärische Kraft ihres Reiches zu organisiren und in Bewegung zu setzen: in Ackerbau, Handel und Gewerben pflanzten sie keine fruchttragenden Saaten. Als die kriegerische Energie nachließ, welche Güter von allen Seiten zusammen raubte, brach unaufhaltsam der Verfall herein. Der Kleine wie der Große suchte Schätze aufzuhäufen, die er geizig bewahrte, um im Nothfalle die Angriffe der Gewalt abkaufen zu können, denn keine gesunde Rechtspflege sicherte ihm das Eigenthum. Immer nur Produkte verkaufen gegen baares Geld und das todte Kapital anzusammeln, das war, wie in Indien, auch in der Türkei die Politik der Großen. Das Land leerte sich aus und erhielt keinen belebenden Zufluß von außen wieder. Ohne die Griechen, Franken, Armenier und Juden wäre auch die Art von Handel, welche sich noch fortsetzte, nach und nach ins Stocken gerathen. Der Boden verarmte, der Handel zog sich aus dem Innern des Landes immer weiter an die Küstenränder zurück, und mit jedem neuen Jahrzehnt konnte man wieder einige verfallene Städte und untergegangene Industrieen mehr rechnen.

Das ist die Geschichte des türkischen Reiches in den letzten zwei Jahrhunderten. Mitten in Europa hineingeschoben, hat sich der harte trockne Sinn der Türken dennoch der europäischen Geistesströmung nicht geöffnet. Militärische Kraft und Abhärtung ist unleugbar bei ihnen noch vorhanden, – giebt das allein aber in unserer Zeit noch Stoff und Form für einen soliden Staat ab? –

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band III