Japaner.

I.
Handelsvölker der Gegenwart.


Unter allen Orientalen verharrten diese bisher in der strengsten und hartnäckigsten Absperrung gegen den Welthandel. Kein Volk der Welt bildet so für sich allein einen geschlossenen Handelsstaat. Die Japaner erzeugen fast alles selbst, was sie brauchen, und das will viel sagen, da ihre Kultur längst schon bei verfeinertem Luxus angelangt ist. Sie sind ein befähigtes Volk, das sich weit über ihre beiden Stammrassen, die Mongolen und Malayen, erhebt, welche ihre besten Eigenschaften in Japan mit einander vermischt haben. Die japanische Literatur erhebt sich in Geschichte und Poesie zu originalen Ideen. Von der Sternkunde und den ärztlichen Wissenschaften sind die Japaner besondere Liebhaber. In mechanischen Künsten sind sie ebenso erfinderisch als fleißig; wie früher japanisches Porzellan, so gehören noch jetzt Seide und Schwertklingen aus Japan zu dem besten in diesem Fache. Der Binnenhandel hat im japanischen Inselreich eine rasche und sichere Bewegung, Straßen Brücken und Kanäle überraschen den Europäer, selbst Wechsel und Papiergeld sind seit langer Zeit in Japan gebräuchlich.


Kein Zweifel, daß dieses Volk, wenn seine strenge Absperrung einmal gebrochen ist, seine Stelle im Welthandel ausfüllen wird. Dieser sprengt jetzt die Thore Japans durch amerikanische und russische Fregatten, bald werden Züge von Handelsschiffen aus allen Völkern die Häfen des japanischen Reiches umschwärmen und die Chinesen und Holländer verdrängen. Denn chinesischen und holländischen Kaufleuten allein gestatteten die Japaner bisher beschränkten Zutritt, und mit beiden kamen sie ziemlich gut aus, vielleicht weil sie in beiden eine Charakter–Aehnlichkeit mit ihren eigenen Landsleuten erblickten. Der dumme Hochmuth, mit welchen die gelehrten japanischen Beamten auf den Handel als auf ein verächtliches Gewerbe herabsahen, ist jetzt erschüttert, sie fangen an zu begreifen, welche Macht auf allen Weltmeeren den gebildeten Völkern gegeben ist. Trotz aller Schlauheit und Hartnäckigkeit, mit welcher die japanische Regierung die Absperrung ihres Volkes fortsetzen will, bemerkt man unter diesem bereits ein gewisses Aufmerken und Aufhorchen auf alles das, was sich außer seinen Gränzen begiebt. Das deutet auf eine Empfänglichkeit hin, mit welcher nach der ruhigen Einförmigkeit von Jahrhunderten dieses Volk sich vielleicht auf einmal der großen Kulturströmung öffnet. Bedeutsam genug ist es, daß das Christenthum, als es vor jetzt drei Jahrhunderten an diesen Küsten anlandete, seine Bekenner bald nach mehreren Millionen zählen durfte. Nur durch eine Kette von blutigen Kriegen, welche mit gräßlichem Grimme wütheten, besiegte die Partei, welche es mit den alten Göttern hielt, ihre politischen Gegner, die Christen. Nach erhaltenem Siege wurde das Christenthum bis zur Wurzel ausgerottet und dann das ganze Reich gegen die übrige Welt abgesperrt.

In welcher Art und Weise aber die Japaner, wenn sie einmal am großen Handel Theil nehmen, ihn betreiben werden, läßt sich schon jetzt an den Chinesen sehen. Denn die Japaner stehen zwar an Geist wie an sittlicher Kraft entschieden mehrere Noten höher als die Chinesen, sind jedoch in Charakter und Handlungsweise verschwistert mit diesen ihren Stammesverwandten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band III