Italiener.

I.
Handelsvölker der Gegenwart.


Viel mehr, als der Franzose, besitzt das Zeug zum tüchtigen Kaufmann der Italiener, Umsicht und Schlauheit im Handeln, Kühnheit und Nachdruck, großen Takt seinen Vortheil zu erkennen und zu erfassen, und Meisterschaft in allen Künsten um den Mitbewerber matt zu legen. Bei den Italienern waren schon in früher Zeit die künstlichen Mittel zur Belebung des Handels in Uebung, Bank- und Wechselverkehr, Leihgeschäft im Großen, Konsulate, gute Handels- und Seegesetze, verfeinerte Kunst in Bau und Führung des Schiffes, vortreffliche Straßen und Kanäle. Namentlich verstanden sie auch den Geldhandel. Das Börsenspiel war schon im Mittelalter bei ihnen im Gange, und italienische Geldherren waren bekannt und berüchtigt an allen Höfen. Die Kriegsflotten der italienischen Großstädte befuhren das ganze Mittelmeer, machten Landeroberungen auf Inseln und Halbinseln, und besetzten sie mit Forts und Faktoreien. Venedig und Genua wurden nicht blos Seeherrscherinnen, sondern auch Königinnen über Länder und ausgedehnte Gebiete. Auch auf dem westlichen Mittelmeere, in der Provence und Spanien gründeten Italiener vortheilhafte Niederlassungen. Nacheinander beherrschten die gewerbfleißigen seeerfahrenen Bürger von Amalfi, die rüstigen Pisaner, die kühnen schlauen und raubsüchtigen Genueser, endlich die listigsten ausdauerndsten und mächtigsten von allen, die Venetianer, den Handel auf dem Mittelmeere. Und nicht blos in den Seestädten blüheten Handel Gewerbe und Geldgeschäfte zugleich mit Künsten und Wissenschaften, sondern auch im kunstreichen geselligen Florenz und Siena.


Die Italiener befolgten in den Grundzügen bereits dieselbe Handelspolitik, durch welche neuere Völker zu Macht und Reichthum gelangten, nämlich einerseits von fremden Waaren nur die wohlfeilen Rohstoffe zuzulassen, um sie zu feinen Waaren verarbeitet theuer wieder zu verkaufen, andererseits durch Zölle und Sperren fremde Schiffe auszuschließen zum Besten der eigenen Rhederei.

Aus zwei Ursachen aber ging den Italienern dieser blühende und wohlgeordnete Welthandel verloren. Ihre Thätigkeit war zu sehr bloßer Zwischenhandel, und sie entbehrte der nationalen Einigung.

Ihr Großhandel hatte etwas vom Raubritterthum an sich. Sie gründeten in den eroberten und erhandelten Ländereien keine Städte, sondern sie bauten blos Forts und Häfen. Sie beförderten nicht Ackerbau und Gewerbe ihrer fremden Unterthanen, sondern sie sannen nur darauf, wie sie dieselben plündern und nutzen könnten, und das geschah häufig genug mit wohlüberlegter Grausamkeit. Andern wurden sie blos dadurch nützlich, daß sie hier den Käufer und dort den Verkäufer machten. In der Heimath begünstigten sie zwar die Gewerbe, allein die Sorge dafür stand sehr in zweiter Linie, und da jedes einzelne Stadtgebiet zu klein war, um in Menge Stoffe Arbeiter und Lebensmittel zu gewähren, so wurde diese Industrie nur in den feineren Gewerben bedeutend. Ohne eine heimische solide Grundlage aber blieb der Handel der Italiener immer etwas künstliches, gleich dem Ansehen eines Bankierhauses, das mehr aus Kredit als auf Baarvermögen gestützt ist. Ein großes industrielles Hinterland hätten die italienischen Handelsstädte nur dann gewinnen können, wenn sie zu einem festen wohlgeordneten Bundesstaat sich zusammen geschlossen hätten. Dies aber war die schwächste Seite des italienischen Handels. Die Städte lebten unter einander in ewigem Krieg und Hader, kein Mittel war so gehässig oder so grausam, daß man es nicht gebraucht hätte, um dem andern Vortheile abzujagen und ihm Schmach und Hohn zu bereiten. So hinderten und zerstörten sie sich gegenseitig und eine nach der andern verlor den Welthandel.

Noch jetzt sind die Italiener unter den Kaufleuten in der Levante am zahlreichsten vertreten, ihre Sprache ist dort die Verkehrssprache, und wenn gleich ihre Unternehmungen sich mehr durch den orientalischen Geschmack an bloßem Geld- und Zwischenhandel als durch Großartigkeit und besondere Zuverlässigkeit auszeichnen, so thun es ihnen doch wenige andere gleich an Gewandtheit, an feinen Künsten und Schlichen und sinnreichem Geschäftsbetrieb.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band III