Franzosen.

I.
Handelsvölker der Gegenwart.


Das Handelsgebiet des Mittelmeers zu gewinnen, ist jetzt der Franzose am thätigsten. Das Mittelmeer soll ein französischer See werden – das ist zwar gegenwärtig nur eine Phrase; aber wie rasch auch die Regierungen in neuester Zeit in Frankreich wechselten, jede hat diesen Gedanken als einen Lieblingsplan gehegt, jede hat einen Schritt weiter gethan zu seiner Ausführung.


Diese Regierungsfürsorge hat der französische Kaufmann nöthig. Er vor allen andern bedarf, daß die Handelspolitik seines Staates ihm unter die Arme greift, daß der Nationalgeist ihn anfeuert und belebt. Ohne das bleibt er leicht im Kleinhandel stecken. Zu diesem hat er, wie überhaupt der Romane, eine besondere Leidenschaft. Vom Buben an, der mit Cigarren und Zuckergebäck handelt, bis zum Krämer, der mit vielem Selbstgefühl die Waaren in seinem glänzenden Laden auslegt, macht er gern einen geschickten und raschen Umschlag. Die Romanen wissen mit glücklichem Takt das Rechte zu treffen, aber sollen sie Buch führen und Unternehmungen ins Große treiben, deren Gewinn von der Zukunft und nur bei andauernder Wachsamkeit und Anstrengung zu erwarten, so geschieht es ihnen eher, als den Germanen, daß sie bankerott werden. Sie sind gute Kopfrechner, nicht eben so gute Mathematiker im Handel. Die Franzosen lieben insbesondere ein Geschäft, welches Witz und Muth erfordert und zwischen Aufregung und Ruhe wechselt. So kreuzen z. B. auf allen Meeren französische Wallfischfänger fast ebenso zahlreich wie die nordamerikanischen. Allerdings giebt es in den meisten Seeplätzen, besonders in der Levante und in Südamerika, französische Großhändler; sie sind gescheidte, unruhige, jedoch nicht überall zuverlässige Leute; ihre Anzahl aber ist verhältnißmäßig nicht groß, und die reichsten haben in der Regel etwas von der Art eines Sonderlings, wozu überhaupt der Franzose unter fremden Völkern hinneigt.

Wenn aber in Frankreich selbst die Regierung ein Ziel und System des Handels aufstellt, so begeistert sich der Nationalgeist dafür; dann ist kein anderes Volk so geschickt und feurig, Flotten zu bauen in kürzester Zeit, sich in kühne Unternehmungen zu stürzen, Fabriken zu gründen und nach allen Weltgegenden Geschäfte zu machen. Im Mittelalter, wo das französische Königthum seine Macht über das ganze Land erst noch zu erschleichen und zu erobern hatten blieb Frankreichs Großhandel in der Kindheit. Obwohl es mehrere gewerbreiche Städte zählte, konnten diese aus eigenem Antrieb sich doch nicht ermannen, sich den ihnen gebührenden Antheil am Welthandel zu erringen. Sobald aber die Regierung sich der Sache annahm, besonders seit Colbert, wehte die französische Flagge auf allen Meeren. Seit jener Zeit verlor Frankreich den unschätzbaren Vortheil nicht wieder, eben so wie die Russen Engländer und Nordamerikaner, eine einheitliche Handelspolitik zu haben. Diese hat ihm in Handel und Industrie wiederholt Glanzperioden verschafft, und wenn auch regelmäßig darauf eine Zeit der Abspannung und Niederlagen folgte, so behauptet Frankreich doch noch jetzt eine Handelsgröße, wie sie einer so zahlreichen und intelligenten Nation zukommt.

Wenn aber die Franzosen mit ihren Kolonien viel Unglück gehabt und die schönen überseeischen Länder, welche sie mit so großem Aufwand von Geist Muth und Geld besiedelt und befestigt hatten, zum größten Theil einbüßten, so lag die Schuld zugleich am Mutterland und an den Kolonisten. Jenes suchte den Ruhm auf zu vielen Feldern, erhielt dabei harte Schläge und bezahlte stiefmütterlich seine Schulden mit seinen Kolonien. Die jenseits des Meeres Angesiedelten entfalteten zwar ein instinktartiges Talent, sich in die Natur des fremden Landes und seiner wilden Bewohner zu schicken; viel zu früh erschlafften indessen ihre Kräfte, sie wurden träg und vergnügungssüchtig.

Noch mehr gaben sich in Amerika die Spanier und Portugiesen einem sinnlich üppigen Leben hin, sie vermischten sich mit den farbigen Rassen und hinterließen dem Lande ein Mischlingsvolk, welches die Untugenden von allen und die Vorzüge von wenigen seiner vielerlei Eltern besitzt. Dieses lasterhafte, rohe und geistarme Volk in dem früher spanischen Amerika wird ohne Zweifel und zu seinem eigenen Besten noch unter die Herrschaft einer stärkern Rasse kommen. Auch die englischen Nordamerikaner sind nicht ganz der Vermischung mit Schwarzen und Farbigen fremd geblieben. Es wäre interessant zu wissen, wie sich in dieser Beziehung die Deutschen verhalten hätten, wenn sie Jahrhunderte lang in Besitz eines Landes mit afrikanischer oder indianischer Bevölkerung gewesen wären. Nach den freilich spärlichen Erfahrungen, welche bei unsern Landsleuten in Amerika gemacht worden sind, wäre jene niedrigere Bevölkerung nicht so schlecht behandelt, als ihr sonst überall widerfahren ist: die Deutschen selbst aber würden sich von ihr ziemlich rein gehalten haben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band III