Griechen.

I.
Handelsvölker der Gegenwart.


Viel rascher, feuriger, erfinderischer ist der Grieche. Er hatte von jeher seine Stellung als Zwischenhändler zwischen dem Orient und Occident, und dieses reiche Gebiet seines Handels büßte er auch dann nicht ein, als die Türken in seiner Hauptstadt den byzantinischen Kaiserthron umstürzten. Keine durch Jahrhunderte fortgesetzte Unterdrückung und Ausplünderung hat den Handelsgeist des Griechen und seine Betriebsamkeit ersticken können. Er blieb immer der Bankier, der Kaufhausbesitzer, der Führer unzähliger kleiner Handelsschiffe, der Mäkler, Zuträger und Ausforscher in politischen wie in Handelssachen. Sein gewandtes und rasches Benehmen, seine Anstelligkeit und Listigkeit sind bewundernswerth. Die Griechen haben nicht bloß in allen Städten des Mittelmeers große und altbegründete Handelshäuser, in neuerer Zeit giebt es allein in England mehr als zweihundert derselben, welche bereits in Indien, Südamerika und Australien Zweiggeschäfte unterhalten.


Auch auf dem Meere, der großen Völkerheerstraße, sind die Griechen wohl zu Hause. Keiner kennt wie sie alle Küsten und Strömungen im mittelländischen Meere, und die Gewandtheit, mit der sie ihr Schiff lenken, wird allein von ihrer Kühnheit übertroffen. So gute Matrosen und Kapitäns aber ein Volk liefert, so gescheidt und tüchtig ist es in der Regel auch im Handel. Indessen besteht die Geschicklichkeit der Griechen im Segeln mehr in einer Menge erlernter praktischer Handgriffe, als in eigentlich nautischen Kenntnissen. In ähnlicher Weise verhält es sich mit dem Handel des Griechen. Er ist mehr Kleinhändler im Großen, als ein Großhändler, der neue Handelsgebiete entdeckt und die Industrie hervorruft und belebt. Der Grieche geht den Handelsbahnen nach, welche andere Europäer bereits vor ihm eröffnet haben. Eben so ist der Grieche jetzt bemüht, sich die Kultur der gebildeten Völker anzueignen, und er entfaltet darin eine ganz andere Regsamkeit und Leichtigkeit der Auffassungsgabe als der in seinen orientalischen Ansichten befangene Armenier.

Dies elastische Volk, das sich mit unzerstörbarer Regsamkeit über all die reichgezackten Küstenländer und Inseln der östlichen Hälfte des Mittelmeeres verbreitet, hat offenbar noch eine große Bedeutung in der Kulturströmung, welche sich in unsern Tagen mit verdoppelter Kraft und Frische aus dem Westen in den Orient ergießt. Für seine staatsbildende Tüchtigkeit ist es freilich ein schlechtes Anzeichen, daß er so gar wenig Lust zum geordneten Ackerbau zeigt. Selbst der Türke vernachlässigt nicht schmählicher das Straßenbauen. Auch nimmt der Grieche gleich dem Russen höhere Kultur leichter im Aeußerlichen und Oberflächlichen an, als daß er sich von tiefern Ideen dabei durchdringen ließe, gerade wie er ein frivoler Nichtsgläubiger wird, sobald er seinen nationalen dummen Aberglauben abstreift. Was der griechische Händler und Küstenbefahrer aber nie verliert, das ist seine falsche, verschmitzte Natur, er steckt ganz voll von unheimlichen Listen und Ränken und ist ein Lügner von Geburt. Das Verdienst, andere Leute zu betrügen, scheint mancher griechische Kaufmann höher anzuschlagen als die Freude des Gewinnes. In dieser wie in noch einigen Beziehungen vereinigt er die Laster des Orients mit denen des Occidents.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band III