Abschnitt 2

I.
Handelsvölker der Gegenwart.


Engländer.


Das sind Mittel, wie sie jedes Handelsvolk, wenn die Gelegenheit winkt, mehr oder weniger anwendet; denn der Handel ist ein stiller Krieg gegen andere. Kein Volk aber hat jene Mittel so planmäßig und in so großem Maßstabe gebraucht. als das englische. Es ist daher wohl erklärlich, daß nächst dem Russen keiner bei andern Völkern so verhaßt ist, als der Engländer. Es mischt sich in diesen Völkerhaß nicht blos der Neid, daß England so groß und gewaltig dasteht, nicht blos das Gefühl, auf allen Punkten durch die englische Ueberlegenheit gehindert zu sein, sondern auch die Furcht vor der ränkevollen unerbittlichen Zerstörungskraft, mit welcher England auf Handel und Gewerbe der andern Völker einwirkt. Auch der Stolz der Engländer hat seinen Antheil daran jenen Haß zu schüren, denn in seines Herzens Grunde hält der Engländer jedes andere Volk für niedriger geartet als das seinige; er bringt unter alle Zonen seine heimischen Sitten und Gebräuche mit, und verhält sich kalt und abwehrend gegen das Fremde. Nur wo er herrscht, läßt er sich auf die Dauer nieder, in fremden Staaten und Kolonien findet sich aus Großbrittannien blos der Schotte zahlreicher ein.

Der Engländer weiß wohl, daß er nicht geliebt ist, läßt es sich aber wenig anfechten. Gestützt auf die Macht seines Volkes, auf seine innere Tüchtigkeit und langjährige Erfahrung, tritt er überall als der Kaufmann nach großem Zuschnitt auf. Es finden sich in London Liverpool und Manchester auch mehrere Deutsche unter den ersten Großhändlern Bankiers und Fabrikanten, aber sie haben eben von jenem englischen Geist angenommen. Der englische Kaufmann arbeitet im großen Stil, sein Blick fliegt über die ganze Welt, in seiner Geschäftsstube berechnet er den gesammten Staatshaushalt fremder Länder, und betrachtet dort die Unternehmungen von Volk und Regierung nur wie Pläne eines Handlungshauses. Eigene Unternehmungen beginnt er nur auf solider Grundlage, nichts ist ihm fremder als windige Spekulationen. Im Verfolgen seines Geschäfts geht er kühl, aber nachdrucksvoll nur auf sein Ziel los, nicht rechts nicht links sehend, – mit einer gewissen Herbe und Trockenheit des Gemüths, aber mit voller Verstandeskraft, die sich weder um schöne Gegenden, noch um Erwerb von allerlei angenehmen Kenntnissen kümmert, wenn sie nicht zu seinem Zwecke dienen. Der englische Kaufmann hat in der Regel weniger allgemeine Bildung als der deutsche, besitzt aber mehr Kenntnisse in der Mechanik Physik und Chemie. Er ist nicht mittheilsam, sondern abgeschlossen für sich, und eher schweren und beklommenen Geistes als leichten und erfinderischen. Ehe er einen Entschluß fassen kann, muß er auf stiller Geschäftsstube die Sache für sich durchdenken und durchrechnen. Wenn er keinen festen Anhalt im Geschäft hat, ist er ein unglücklicher Mensch, weil ihm die inneren Springquellen versiegen. Sobald er jedoch irgendwie Fuß gefaßt, harrt er geduldig aus und arbeitet weiter mit einer stillen Hartnäckigkeit. Man würde den Engländer zu hoch stellen, wenn man ihm eine besondere Genialität in Geschäften zuschriebe, dagegen hat er so viel männliche Eigenschaften der Klugheit Energie und Ausdauer, daß diese ihm das Szepter des Welthandels verschafft haben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band III