IV. Von dem Wismarischen Bürger-Vertrage.

Außer diesen Civiloquiis, oder außer der sogenannten Bürgersprache ist jetzt noch zu merken, der Wismarische Bürgervertrag. Es hat derselbe daher seinen Namen, daß er die zwischen Rath und Bürgerschaft entstandenen Mißhelligkeiten beizulegen oder zu vertragen, aufgerichtet und gemacht worden, und also nicht Bürger und Bürger, sondern Rath und Bürgerschaft nach oder durch denselben sich mit einander verglichen oder vertragen haben.

Etwas von einem dergleichen Vertrage, so i. J. 1427 schon zu Stande gekommen und 13 Artikel in sich hält, hat man in einem alten Manuscripte gefunden. Doch dieser Bertrag ist gar bald wieder zerrissen und an dessen Stelle 1430 ein neuer gekommen. Nachdem dieser auch erloschen, ist ein neuer zum Vorschein gekommen. Endlich hat man am 21. Nov. 1583 zu dem noch vorhandenen einen Anfang gemacht. Es wurden damals 19 Artikel aufgesetzt, deren Inhalt dahin ging: 1) daß ein besonderes Wismarisches Stadt-Recht sollte verfertigt werden, wofern Lübeck nicht in einer gewissen Zeil das Lübsche Recht drucken lassen würde; 2) die Wismarische Gerichtsordnung sollte beibehalten, und, wo es nöthig ist, verbessert werden; 3) die jederzeit nöthigen Ordnungen und Statuten sollen nach Belieben der Gemeinde publicirt werden; 4) die Gerichts-Procuratoren und Secretaire sollten nach ihrem Eid Ordnung und Taxa sich verhalten; 5) kein Bürger sollte ohne vorhergegangene genügsame Erkundigung in die Wette verwiesen oder sonst bestraft werden; 6) es sollte ein beständiger Ausschuß von 40 Personen in Wismar sein und was derselbe zu verrichten habe; 7) in dem Rath sollten, so viel möglich unbeschwägerte sein; 8) wie es mit einem der Bürger zu halten sei; 9) von den Wiesen und Weiden der Stadt etc.; 10) Von der Cämmerei, Accise-Bude und deren Einnahme, Ausgabe, Rechnung etc.; 11) wie das Hafen-Geld einzunehmen und anzuwenden sei; 12) was man wegen des Land-Zolles zu beobachten hat; 13) wie man bei der Wasserleitung zu verfahren habe; 14) wie es wegen der Gerichts- und Gewettsfälle zu halten sei; 15) Brauern, Kaufleuten und Handwerkern soll kein Eingriff geschehen; 16) wenn Jemandem etwas von liegenden Gründen verpfändet wird, soll solches in’s Stadtbuch ge-schrieben werden; 17) die Gottes-, Armen- und Werkhäuser sollen gewisse Provisoren haben; 18) wie mit den Weinkellern, Lott-Aeckern, fremden Bieren, Landweinen etc. zu verfahren sei; 19) die vorhergehenden Artikel sollen festgehalten werden.


Was also angefangen, das ward am 16. Mai 1598 in Güstrow (dahin desfalls auf besonderen Herzogl. Befehl, nebst andern einige aus dem Rath und aus der Bürgerschaft zu Wisma sich begeben) weiter zu Stande gebracht und als ein abermaliger näherer Vertrag geschlossen. Diesen Vertrag hat man bis jetzt nicht sehen, indessen aber doch so viel erfahren können, daß er aus ungefähr 50 Artikeln bestanden. Es folgten deswegen allerlei Disputationen und Schriften dieses Vertrages; doch Ihre Hochfürstliche Durchlaucht wollte, daß es bei demselben sein Verbleiben habe, wie auch derselbe am 17. Oktober durch Unterschrift Ihrer Hochfürstl. Durchlaucht bekräftigt wurde; allein sie fanden sich dennoch genöthigt, i. J. 1600 gewisse Commissaire, nemlich Hr. Joachim Cramohn, ältester Landrath, D. Jakob Bordingum, Canzler, D. Ernst Cothmannen, Rath, und Andreas Meyern nach Wismar zu senden, um daselbst nochmals die Hand an den Vertrag zu legen; also ist endlich der noch vorhandene, welcher aus 75 Artikeln besteht, endlich zu seiner völligen Richtigkeit gekommen.

Man hätte denken sollen, daß nun endlich Alles völlig abgethan und vertragen sei. Allein es war doch noch so viel nachgeblieben, daß Ihre Hochfürstl. Durchlaucht am 13. Januar 1601 in einem besonderen Schreiben den aufgerichteten neuen Vertrag confirmirte, und nicht allein allerlei ernstliche Erinnerungen darbrachte, sondern auch einen abermaligen fürstl. Abschied, Resulution und Erklärung am 28. Januar 1602 ausfertigen ließ, die als ein Anhang des Bürger-Vertrages anzusehen ist, nachdem E. E. Rath Extractum Protocolli, von dem, was vorgegangen, an Ihre Durchl. übersandt hatte, woraus erhellt, daß man sich 1) wegen der Gelder, die zum Stadt-Wesen nöthig sind, 2) wegen des Marstalles, 3) wegen der Visitation und Inspektion der Apotheken, 4) wegen Aufnahme und Abschrift der Kämmerei-Rechnung, 5) wegen der Raths-Gefälle, 6) wegen des Provisoren-Eides, 7) wegen der Exekution der Hochzeitsordnung noch nicht vergleichen könne. Wobei das ernstliche Fürstl. Schreiben vom 24. März 1602, in welchem dem Ausschuß und der Bürgerschaft, die kurz vorher von neuem sich beschwert hatten, ernstlich befohlen ward, den aufgerichteten Vertrag und die daraus erfolgte fürstl. Erklärung sofort in kein weiteres Mißverständniß zu ziehen, noch fernere Zwistigkeiten und Disputationen darüber zu erregen, sondern nach deren buchstäblichen Inhalt sich zu richten, und in allen Dingen gegen den Rath sich als ehrbare Biederleute und als gehorsame friedliebende Bürger und Unterthanen zu verhalten, widrigenfalls aber die in den Verträgen ausgedrückte Strafe unnachsichtlich zu gewärtigen ist, und das noch ernstlichere vom 17. Juli 1604 nicht gänzlich zu vergessen. So viel von dem Wismarischen Bürger-Vertrage, von welchem doch, sowie auch von den Statuten noch dieses zu erinnern ist, daß selbige 1653 von Ihrer Königl. Majestät von Schweden in dem damaligen Huldigungs-Receß und nachgehends bei allen Huldigungen konfirmirt worden, und demnach noch diesen Tag beibehalten werde. Daß auch die Kais. Majestät den selben confirmiret, wollen einige sagen, aber hievon hat man bisher noch nicht genügenden Bericht erhalten können. (S. Beilage Lit. D.)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar