1. bis 30. November 1715

Den 1. Nov. ward ein Tambour mit Briefen, auch etwas Zeug für die Gefangenen nach dem Lager geschickt. In der Stadt hörte man von allerhand neuen Forderungen des Generalmajors; unter andern verlangte er einige Lasten Gerste, von welcher Malz gemacht werden sollte, um später davon Commißbier brauen zu können, weil er wohl annehmen konnte, daß das Malz der Brauer, die noch immer Commißbier brauen mußten, ein Ende nehmen würde. Auch stieg das Salz jetzt sehr im Preise, das Faß galt 24 ßl. und noch mehr, und man konnte fast nichts für Geld mehr bekommen; der Tabak begann auch knapper zu werden; der Wein, welcher bisher 12 ßl. der Stob gegolten hatte, ward nun für 16 ßl. verkauft. Auch kamen in der Nacht 2 dänische Deserteure vor das Thor, ein Unteroffizier und 1 Gemeiner; weil die Thore bereits geschlossen waren, sandte man ihnen auf dem Graben ein Boot zu und holte sie so herein. Sie berichteten, daß die Bagage der hannoverschen Gruppen wirklich angelangt ist, und die Leute Morgen auch eintreffen würden.

Den 2. Nov. kamen die hannoverschen Truppen unter Commando des Generalmajors Pentzen wirklich an und postirten sich am Lübschen Thor, von Damhusen bis an den Strand; Einige rechneten diese auf 4 Regimenter, andere auf mehr oder weniger. Demnach ward jetzt das arme Wismar von 3 mächtigen Potentaten blockirt gehalten. Abends ging ein Packetboot nach Stralsund. Auch kamen diese Woche bei 6000 Schock weißem Kohl für die Garnison von Poel herein.


Den 3. Nov. kamen 3 dänische und 1 hannoverscher Deserteur zu Fuß herein. Unsere Feldwache vor dem Mecklenburger Thor brachte einen, dänischen Gefangenen herein, welcher bei der gewesenen Schultzenmühle Rohr schneiden wollte. Das Korn fing jetzt an im Preise zu steigen, der Scheffel Roggen galt 1 Rthlr., Gerste 28 bis 30 ßl.; von Poel kam wenig mehr herein.

Den 4. Nov. recognoscirten einige Hannoverschen bei St. Jacob, weil sie aber fast zu nahe kommen wollten, feuerte man unter sie und trieb sie damit zurück.

Den 5. Nov; verkaufte der Generalmajor 15 Lasten grobes Salz an den Rath, weil der Mangel des Salzes in der Stadt groß war, er hatte aber noch einen ziemlichen Vorrath übrig.

Den 6. Nov. kam Jemand mit Briefen und Nachrichten; die Briefe wollten von einem glücklichen Ausfall aus Stralsund wissen. Ein feindlicher Tambour brachte Briefe an den Generalmajor, nach welchen die Auswechslung der Gefangenen resolvirt war.

Den 7. Nov. wurden 12 dänische Gefangene und 1 Junge (unter welchen die Schiffsleute mit waren, die ehedessen Capit. Prinz herein brachte) bis an die dänischen Vorposten hinaus gebracht, wogegen eben so viel von den Unsrigen, worunter einige Bürger oder Schiffer waren, wieder frei kamen. Von dänischen Gefangenen blieb noch 1 Major, 1 Steuermann und 1 Reiter zurück. Der Lübsche Burgthurm, welchen die Dänen vorhin schon ziemlich weggebrochen hatten, ward von den Hannoverschen völlig über den Haufen geworfen, welches die erste Probe ihrer Gegenwart war. Auch fing man heute an, von dem gedachten Salz 3 Last unter der armen und notleidenden Bürgerschaft auszutheilen und es bekam Jeder 1 Faß davon, welches mit großem Dank angenommen wurde.

Den 8. Nov. kam ein Packetboot auf Pommern, aber leider mit ganz andern Nachrichten, als die vorigen Briefe mitbrachten. Man vernahm nämlich, daß ein gewisser Lieutenant, welcher vor der Verschanzung am Franken-Thor ein Piquet commandirte, mit allen seinen Leuten zu den Feinden übergelaufen, und denselben verrathen hatte, wie sie in die dortige Verschanzung leicht einkommen könnten; worauf die Feinde die Unsrigen, ehe sie etwas vermutheten, überrumpelten, Alles, was ihnen vorgekommen ist, nieder gemacht und den Rest von etwa 700 Mann gefangen genommen hatten, dann an die Stadt anrückten und dieselbe wirklich zu beschießen anfingen. In Wismar hörte man von einem Gerücht, daß die Feinde vor unserer Stadt eine ziemliche Anzahl-Böte zusammen gebracht hatten, um mit denselben Poel anzugreifen; man wunderte sich nur darüber, daß sie sich so viele Mühe machten, denn aus Poel waren von unsern Leuten etwa nur 50 oder 60 Mann, welche schon lange Ordre hatten, aus Annäherung der Feinde sich in Sicherheit zu bringen, wozu sie auch schon lange Pferde und einige Böte in Bereitschaft hielten; der Feind wurde aber durch das viele Trommeln und ,,Wer da“-Rufen geirrt und wußte nicht, daß dieses durch einen Tambour und einige wenige Buernknechte gemeinschaftlich verrichtet wurde. Auch merkte man in der Stadt, daß die Hannoverschen beim Wischberg noch eine kleine Redoute aufzuwerfen anfingen.

Den 9. Nov. ward die neue Mühle zuerst gebraucht. Der Generallieut. Legard schickte heute durch einen Tambour an unsern Generalmajor eine Liste von denen, die in der Stralsunder Berschanzung von unserer Seite gegetödtet oder gefangen worden sind, herein.

Den 10. Nov. veränderten die Dänen, welche zwischen Damhusen und dem Rothen Thor campirt hatten, ihr Lager und setzten sich wieder bei Carow. Vor dem Hafen ließen sich heute einige feindliche Schiffe sehen.

Den 11. Nov. ward eine Taxe von allerhand Waaren gemacht, wie hoch dieselben künftighin verkauft werden sollten, weil Jeder sonst das Seinige nach belieben steigerte; es galt unterandern ein Faß Aepfel 16 ßl., ein Pfund grüne Seife 12 bis 16 ßl. etc.

Den 12. Nov. warfen die Hannoverschen bei der Lübschen Burg eine große Redoute auf und besetzten sie mit einigen Stücken. Ein dänischer Tambour brachte einige Briefe herein.

Den 13. Nov. kam ein Boot mit etwas Butter etc. aus dem Mecklenburgischen herein. Auch ward berichtet, daß die Feinde den 4. Nov. Rügen attaquirt, mit großem Verlußt aber abgeschlagen worden sind; es ward aber später als unwahr befunden.

Den 14. Nov. kamen noch 2 Last Korn von Poel für die Garnison; des folgenden Tages sollte noch mehr geliefert werden, allein es ward heute die Insel Poel von einigen 100 Mann feindlichen Truppen weggenommen. Die Unsrigen vernagelten sogleich die wenigen dort zurück bleibenden Stücke und retirirten sich nach der ihnen ertheilten Ordre mit Böten theils nach dem Wallfisch, theils nach den noch draußen liegenden kleinen Schiffen, mit welchen sie nachgehende hereinkamen; doch wurden einige noch vermißt, welche vermuthlich absichtlich auf Poel zurück geblieben sind. Dadurch wurde die Stadt weit enger ein-geschlossen, als bisher geschah, weil vor Poel und über Poel aus dem Mecklenburgischen bisher noch Vieh, Korn und andere Sachen herein gekommen waren; die Fischer, welche bisher auch noch ziemlich Fische gefangen hatten, konnten dieses jetzt auch nicht mehr wagen; Briefe herein oder hinaus zu kriegen war auch schlechte Hoffnung; kurz, ein Jeder mußte bekennen, daß, wenn die Feinde sogleich bei ihrer Ankunft Poel weggenommen hätten, es schon um uns geschehen sein würde. Der Generalmajor fuhr heute nach dem Wallfisch, um daselbst alles in Augenschein zu nehmen und was nöthig zu veranstalten. Heute ward obgedachte Taxe publicirt.

Den 16. Nov. ließ der Generalmajor von den Bastionen Augustus, Hannibal und Cyrus auf das aufgeworfene Retrenchement der Feinde bei der Lübschen-Burg, woran sie noch arbeiteten, eine Zeitlang aus Kanonen feuern, doch mußte man, weil es ziemlich weit von der Festung war, nur Bogenschüsse thun. Auch kam es dabei zu einer kleinen Rencontre: Sr. Durchl. der Prinz von Homburg attaquirte nebst 3 Ober-Offizieren und 2 Dragonern von der Feldwache die hannöverschen Vorposten und verfolgte dieselbe bis an ihre Schanze, aus welcher bald ein ganzer Trupp zu Pferde hervorkam, um den ihrigen beizustehen. Beide Theile kamen einigemal nahe an einander; allein unsere Kanonen secundirten die Unsrigen, deswegen die Feinde sich allemal wieder zurück wandten. Ein Dragoner von uns stürzte mit seinem Pferde, welches zu den Feinden überlief, der Dragoner aber ward salvirt.

Den 18. Nov. ward ein Tambour mit Briefen und Zeug für die noch draußen gefangen sitzenden Bürger hinaus gesandt.

Den 19. Nov. brachte ein dänischer Tambour Briefe an unsern Generalmajor herein. Heute deliberirte man auf dem Tribunal in Gegenwart des Generalmajors und Anderer von einigen Stadtangelegenheiten.

Den 20. Nov. wurden die gestrigen Deliberationen in des Generalmajors Hause fortgesetzt. Um diese Zeit war kaum mehr ungestempeltes Geld zu sehen und doch wollten Diejenigen, die noch etwas Korn hatten, für das gestempelte Geld dieses nicht verkaufen, deswegen mußte, wer gutes Geld nöthig hatte, solches mit ziemlichem Agio einwechseln, man gab nämlich 5 bis 6 ßl. auf einen Thaler, ja einige Wochen nachher stieg es auf 8, 10 ßl. und wohl noch mehr.

Den 21. Nov. ließ der Generallieut. Legard herein sagen, daß Rügen über wäre; es hätten nämlich die Feinde an einem Orte, wo es die Unsrigen nicht vermutheten, zuerst Posto gefaßt, nachgehends wären sie zwar von den Unsrigen attaquirt worden, sie hätten dieselben aber wieder responsirt; dabei wären von unserer Seite die Generalmajors Bassewitz und Wilwart geblieben, der König selbst aber wäre im Arm blessirt etc. Auch kamen heute 2 Deserteure zu Pferde herein; der Bürgerschaft ward heute kund gemacht, daß der Generalmajor eine neue Contribution verlangte.

Den 22. Nov. ließ sich ein Bürger vor dem Thor mit der Lüneburgischen Feldwache in ein Gespräch ein, dies wurde von Einigen von ferne gehört, die es alsbald in der Stadt anzeigten, worauf derselbe in Arrest genommen, ziemlich hart befragt und einige Tage weg gesetzt wurde, weil man jedoch nichts Böses auf ihn bringen konnte, ward er wieder los gelassen. Desselben Tages brachte ein brandenburgischer oder preußischer Trompeter Geld für die Gefangenen, ein dänischer Tambour brachte Briefe und etwas Geld für den gefangenen dänischen Major Rüting herein. Die Preußen machten auch noch einen langen Graben beim Krabbenberg, damit die Unsrigen ihre Vorposten nicht so leicht überfallen konnten. Noch kamen heute 2 dänische Deserteure zu Pferde herein.

Den 23. Nov. kam ein preußischer Deserteur zu Pferde. Ein dänischer Tambour und ein preußischer Trompeter brachten Briefe an den Generalmajor. Des Abends wurden noch 300 Mann zur Reserve commandirt, wovon 50 bis 60 zu den Wachen gingen, die übrigen aber die ganze Nacht hindurch in ihren Quartieren in voller Montour parat sein mußten, um beim ersten Wink bei der Hand zu sein; dies dauerte nachher alle Abend. Die dänischen Schiffe, welche bisher vor dem hiesigen Hafen lagen, gingen heute weg; unsere kleinen Schiffe liefen darauf hinaus zu recognosciren, aber die Dänen stellten sich bald wieder ein. Heute hörte man von einer neuen Contribution, die der Generalmaj. verlangte; auch ward kund, daß er kön. Ordre hätte, im Fall der Noth Geld schlagen oder münzen zu lassen, welches von Metall geschehen sollte, und man fing jetzt schon an, in der Stille eine Probe von dem metallenen Gelde zu machen.

Den 25. Nov. Abends ward ein kleines Commando zu Pferde aus dem Poeler Thor commandirt, der preuß. Patrouille, welche des Nachts der Orten sich der Stadt näherte, aufzupassen, allein sie kam unverrichteter Sache wieder.

Den 26. Nov. kam ein Boote zu Lande mit pommerschen Briefen herein, die aber schlecht lauteten, denn die Niederlage der Unsrigen auf Rügen ward in denselben bestätigt und überdieß angezeigt, daß die Stadt Stralsund (in welcher Se. Königl. Majestät selbst zugegen) sich nicht lange mehr würde halten können; hiebei war eine Liste derer, die von unserer Seite auf vorgedachter Insel getödtet oder blessirt worden sind.

Den 27. Nov. wollten einige Dänen bei der gewesenen Schulzenmühle Holz holen, wurden aber von unserer Feldwache herausgejagt, wobei einer von den Dänen erschossen wurde. Nach Stralsund ging heute wieder ein Packetboot. Des Abends ging ein dänischer Deserteur, welcher vor einigen Tagen zu Pferde herein gekommen war, aber keine Dienste in der Stadt genommen hatte, ohne Paß hinaus, um sein Heil zu versuchen; auf der Schultzenmühle, wo 4 Mann die Wache hatten, ergriff er zwei von ihren Pferden, das eine ward ihm wieder abgejagt, mit dem andern aber kam er glücklich herein.

Den 28. Nov. ward ein Fähnrich von der hiesigen Garnison in Arrest genommen, weil er sich geweigert hatte auf die Wache zu ziehen, aus dem Grunde, weil er schon lange Zeit keine Gage noch sonst das Geringste bekommen hatte.

Den 29. Nov. brachte ein dänischer Tambour Briefe an unsern Generalmajor; des Abends wurden einige 20 Mann zu Pferde nach der Schultzenmühle hinaus commandirt, die dortige feindliche Feldwache aufzuheben, allein sie hatten sich des obgedachten Streichs wegen zurück gezogen, deswegen kamen die Unsrigen des folgenden Morgens unverrichteter Sache wieder. Auch wurden um diese Zeit einige Böte mit Eisen belegt, um, wenn es frieren sollte, dieselben in dem Graben zu gebrauchen und mit denselben das Eis zu brechen.

Den 30. Nov. brachte ein dänischer Tambour Briefe herein; aus der Stadt ging dagegen ein Tambour mit Briefen, wie auch mit einigem Zeuge für die in dem feindlichen Lager noch gefangen sitzenden Bürger hinaus. Ein großes dänisches Kriegsschiff ließ sich heute vor dem Hafen sehen, und durch Abfeuerung einiger Kanonen hören, doch ging es nach einigen Tagen wieder fort. Am Ende dieses Monats hatte das bisherige Commißbier-Brauen auch ein Ende, weil kein Malz mehr vorhanden war.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar