Die Feste: Ihre Grundformen, Mysterium und Prozession — Vorzüge gegenüber dem Ausland — Die Allegorie in der italienischen Kunst — Historische Repräsentanten des Allgemeinen — Die Mysterienaufführungen — Fronleichnam in Viterbo — Weltliche Aufführungen — Pantomimen und Empfang von Fürsten — Bewegte Züge — Geistliche Trionfi — Weltliche Trionfi — Festzüge zu Wasser — Karneval in Rom und Florenz

Es ist keine bloße Willkür, wenn wir an die Betrachtung des gesellschaftlichen Lebens die der festlichen Aufzüge und Aufführungen anknüpfen. Die kunstvolle Pracht, welche das Italien der Renaissance dabei an den Tag legt, wurde nur erreicht durch dasselbe Zusammenleben aller Stände, welches auch die Grundlage der italienischen Gesellschaft ausmacht. Im Norden hatten die Klöster, die Höfe und die Bürgerschaften ihre besonderen Feste und Aufführungen wie in Italien, allein dort waren dieselben nach Stil und Inhalt getrennt, hier dagegen durch eine allgemeine Bildung und Kunst zu einer gemeinsamen Höhe entwickelt. Die dekorierende Architektur, welche diesen Festen zu Hilfe kam, verdient ein eigenes Blatt in der Kunstgeschichte, obgleich sie uns nur noch als Phantasiebild gegenübersteht, das wir aus den Beschreibungen zusammenlesen müssen. Hier beschäftigt uns das Fest selber als ein erhöhter Moment im Dasein des Volkes, wobei die religiösen, sittlichen und poetischen Ideale des letzteren eine sichtbare Gestalt annehmen. Das italienische Festwesen in seiner höheren Form ist ein wahrer Übergang aus dem Leben in die Kunst.

Die beiden Hauptformen festlicher Aufführung sind ursprünglich, wie überall im Abendlande, das Mysterium, d. h. die dramatisierte heilige Geschichte oder Legende und die Prozession, d. h. der bei irgend einem kirchlichen Anlass entstehende Prachtaufzug.


Nun waren in Italien schon die Aufführungen der Mysterien im Ganzen offenbar prachtvoller, zahlreicher und durch die parallele Entwicklung der bildenden Kunst und der Poesie geschmackvoller als anderswo. Sodann scheidet sich aus ihnen nicht bloß wie im übrigen Abendlande zunächst die Posse aus und dann das übrige weltliche Drama, sondern frühe schon auch eine auf den schönen und reichen Anblick berechnete Pantomime mit Gesang und Ballett.

Aus der Prozession aber entwickelt sich in den eben gelegenen italienischen Städten mit ihren breiten, wohlgepflasterten Straßen der Trionfo, d. h. der Zug von Kostümierten zu Wagen und zu Fuß, erst von überwiegend geistlicher, dann mehr und mehr von weltlicher Bedeutung. Fronleichnamsprozession und Karnevalszug berühren sich hier in einem gemeinsamen Prachtstil, welchem sich dann auch fürstliche Einzüge anschließen. Auch die übrigen Völker verlangten bei solchen Gelegenheiten bisweilen den größten Aufwand, in Italien allein aber bildete sich eine kunstgerechte Behandlungsweise, die den Zug als sinnvolles Ganzes komponierte und ausstattete.

Was von diesen Dingen heute noch in Übung ist, kann nur ein armer Überrest heißen. Kirchliche sowohl als fürstliche Aufzüge haben sich des dramatischen Elementes, der Kostümierung, fast völlig entledigt, weil man den Spott fürchtet und weil die gebildeten Klassen, welche ehemals diesen Dingen ihre volle Kraft widmeten, aus verschiedenen Gründen keine Freude mehr daran haben können. Auch am Karneval sind die großen Maskenzüge außer Übung. Was noch weiterlebt, wie z. B. die einzelnen geistlichen Masken bei Umzügen von Bruderschaften, ja selbst das pomphafte Rosalienfest zu Palermo, verrät deutlich, wie weit sich die höhere Bildung von diesen Dingen zurückgezogen hat.

Die volle Blüte des Festwesens tritt erst mit dem entschiedenen Siege des Modernen, mit dem XV. Jahrhundert ein, wenn nicht etwa Florenz dem übrigen Italien auch hierin vorangegangen war. Wenigstens war man hier schon früh quartierweise organisiert für öffentliche Aufführungen, welche einen sehr großen künstlerischen Aufwand voraussetzen. So jene Darstellung der Hölle auf einem Gerüst und auf Barken im Arno, 1. Mai 1304, wobei unter den Zuschauern die Brücke alla Carraja zusammenbrach. Auch dass später Florentiner als Festkünstler, festaiuoli, im übrigen Italien reisen konnten, beweist eine frühe Vervollkommnung zu Hause.

Suchen wir nun die wesentlichsten Vorzüge des italienischen Festwesens gegenüber dem Auslande vorläufig auszumitteln, so steht in erster Linie der Sinn des entwickelten Individuums für Darstellung des Individuellen, d. h. die Fähigkeit, eine vollständige Maske zu erfinden, zu tragen und zu agieren. Maler und Bildhauer halfen dann bei weitem nicht bloß zur Dekoration des Ortes, sondern auch zur Ausstattung der Personen mit, und gaben Tracht, Schminke und anderweitige Ausstattung an. Das Zweite ist die All Verständlichkeit der poetischen Grundlage. Bei den Mysterien war dieselbe im ganzen Abendlande gleich groß, indem die biblischen und legendarischen Historien von vornherein jedermann bekannt waren, für alles übrige aber war Italien im Vorteil. Für die Rezitationen einzelner heiliger oder profan-idealer Gestalten, besaß es eine volltönende lyrische Poesie, welche Groß und Klein gleichmäßig hinreißen konnte. Sodann verstand der größte Teil der Zuschauer (in den Städten) die mythologischen Figuren und erriet wenigstens leichter als irgendwo die allegorischen und geschichtlichen, weil sie einem allverbreitenden Bildungskreise entnommen waren.

Dies bedarf einer näheren Bestimmung. Das ganze Mittelalter war die Zeit des Allegorisierens in vorzugsweisem Sinne gewesen; seine Theologie und Philosophie behandelte ihre Kategorien dergestalt als selbständige Wesen, dass Dichtung und Kunst es scheinbar leicht hatten, dasjenige beizufügen, was noch zur Persönlichkeit fehlte. Hierin stehen alle Länder des Okzidents auf gleicher Stufe; aus ihrer Gedankenwelt können sich überall Gestalten erzeugen, nur dass Ausstattung und Attribute in der Regel rätselhaft und unpopulär ausfallen werden. Letzteres ist auch in Italien häufig der Fall, und zwar selbst während der ganzen Renaissance und noch über dieselbe hinaus. Es genügt dazu, dass irgend ein Prädikat der betreffenden allegorischen Gestalt auf unrichtige Weise durch ein Attribut übersetzt werde. Selbst Dante ist durchaus nicht frei von solchen falschen Übertragungen, und aus der Dunkelheit seiner Allegorien überhaupt hat er sich bekanntlich eine wahre Ehre gemacht. Petrarca in seinen Trionfi will wenigstens die Gestalten des Amor, der Keuschheit, des Todes, der Fama usw. deutlich, wenn auch in Kürze schildern. Andere dagegen überladen ihre Allegorien mit lauter verfehlten Attributen. In den Satiren des Vinciguerra z. B. wird der Neid mit „rauen eisernen Zähnen“, die Gefräßigkeit als „sich auf die Lippen beißend, mit wirrem struppigem Haar usw. geschildert, letzteres wahrscheinlich um sie als gleichgültig gegen alles, was nicht Essen ist, zu bezeichnen. Wie übel sich vollends die bildende Kunst bei solchen Missverständnissen befand, können wir hier nicht erörtern. Sie durfte sich wie die Poesie glücklich schätzen, wenn die Allegorie durch eine mythologische Gestalt, d. h. durch eine vom Altertum her vor der Absurdität gesicherte Kunstform ausgedrückt werden konnte, wenn statt des Kriegers Mars, statt der Jagdlust Diana usw. zu gebrauchen war.

Nun gab es in Kunst und Dichtung auch besser gelungene Allegorien, und von denjenigen Figuren dieser Art, welche bei italienischen Festzügen auftraten, wird man wenigstens annehmen dürfen, dass das Publikum sie deutlich und sprechend charakterisiert verlangte, weil es durch seine sonstige Bildung angeleitet war, dergleichen zu verstehen. Auswärts, zumal am burgundischen Hofe, ließ man sich damals noch sehr undeutsame Figuren, auch bloße Symbole gefallen, weil es noch eine Sache der Vornehmheit war, eingeweiht zu sein oder zu scheinen. Bei dem berühmten Fasanengelübde von 1453 ist die schöne junge Reiterin, welche als Freudenkönigin daherzieht, die einzige erfreuliche Allegorie; die kolossalen Tischaufsätze mit Automaten und lebendigen Personen sind entweder bloße Spielereien oder mit einer platten moralischen Zwangsauslegung behaftet. In einer nackten weiblichen Statue am Büffet, die ein lebendiger Löwe hütete, sollte man Konstantinopel und seinen künftigen Retter, den Herzog von Burgund, ahnen. Der Rest, mit Ausnahme einer Pantomime (Jason in Kolchis) erscheint entweder sehr tiefsinnig oder ganz sinnlos; der Beschreiber des Festes, Olivier selbst, kam als „Kirche“ kostümiert in dem Turme auf dem Rücken eines Elefanten, den ein Riese führte, und sang eine lange Klage über den Sieg der Ungläubigen.

Wenn aber auch die Allegorien der italienischen Dichtungen, Kunstwerke und Feste an Geschmack und Zusammenhang im ganzen höher stehen, so bilden sie doch nicht die starke Seite. Der entscheidende Vorteil lag vielmehr darin, dass man hier außer den Personifikationen des Allgemeinen auch historische Repräsentanten desselben Allgemeinen in Menge kannte, dass man an die dichterische Aufzählung wie an die künstlerische Darstellung zahlreicher berühmter Individuen gewöhnt war. Die göttliche Komödie, die Trionfi des Petrarca, die Amorosa Visione des Boccaccio — lauter Werke, welche hierauf gegründet sind — außerdem die ganze große Ausweitung der Bildung durch das Altertum hatten die Nation mit diesem historischen Element vertraut gemacht. Und nun erschienen diese Gestalten auch bei Festzügen entweder völlig individualisiert, als bestimmte Masken, oder wenigstens als Gruppen, als charakteristisches Geleite einer allegorischen Hauptfigur oder Hauptsache. Man lernte dabei überhaupt gruppenweise komponieren, zu einer Zeit, da die prachtvollsten Aufführungen im Norden zwischen unergründliche Symbolik und buntes sinnloses Spiel geteilt waren.

Wir beginnen mit der vielleicht ältesten Gattung, den Mysterien. Sie gleichen im ganzen denjenigen des übrigen Europa; auch hier werden auf öffentlichen Plätzen, in Kirchen, in Klosterkreuzgängen große Gerüste errichtet, welche oben ein verschließbares Paradies, ganz unten bisweilen eine Hölle enthalten und dazwischen die eigentliche Scena, welche sämtliche irdische Lokalitäten des Dramas nebeneinander darstellt; auch hier beginnt das biblische oder legendarische Drama nicht selten mit einem theologischen Vordialog von Aposteln, Kirchenvätern, Propheten, Sibyllen und Tugenden und schließt je nach Umständen mit einem Tanz. Dass die halbkomischen Intermezzi von Nebenpersonen in Italien ebenfalls nicht fehlen, scheint sich von selbst zu verstehen,, doch tritt dies Element nicht so derb hervor wie im Norden. Für das Auf- und Niederschweben auf künstlichen Maschinen, einen Hauptreiz aller Schaulust, war in Italien wahrscheinlich die Übung viel größer als anderswo, und bei den Florentinern gab es schon im XIV. Jahrhundert spöttische Reden, wenn die Sache nicht ganz geschickt ging. Bald darauf erfand Brunellesco für das Annunziatenfest auf Piazza S. Feiice jenen unbeschreiblich kunstreichen Apparat, einer von zwei Engelkreisen umschwebten Himmelskugel, von welcher Gabriel in einer mandelförmigen Maschine niederflog, und Cecca gab Ideen und Mechanik für ähnliche Feste an. Die geistlichen Brüderschaften, oder die Quartiere, welche die Besorgung und zum Teil die Aufführung selbst übernahmen, verlangten je nach Maßgabe ihres Reichtums wenigstens in den größeren Städten den Aufwand aller erreichbaren Mittel der Kunst. Ebendasselbe darf man voraussetzen, wenn bei großen fürstlichen Festen neben dem weltlichen Drama oder der Pantomime auch noch Mysterien aufgeführt werden. Der Hof des Pietro Riario, der von Ferrara usw. ließen es dabei gewiss nicht an der er sinnlichsten Pracht fehlen. Vergegenwärtigt man sich das szeninische Talent und die reichen Trachten der Schauspieler, die Darstellung der Örtlichkeiten durch ideale Dekorationen des damaligen Baustiles, durch Laubwerk und Teppiche, endlich als Hintergrund die Prachtbauten der Piazza einer großen Stadt oder die lichten Säulenhallen eines Palasthofes, eines großen Klosterhofes, so ergibt sich ein überaus reiches Bild. Wie aber das weltliche Drama eben durch eine solche Ausstattung zu Schaden kam, so ist auch wohl die höhere poetische Entwicklung des Mysteriums selber durch dieses unmäßige Vordrängen der Schaulust gehemmt worden. In den erhaltenen Texten findet man ein meist sehr dürftiges dramatisches Gewebe mit einzelnen schönen lyrischrhetorischen Stellen, aber nichts von jenem großartigen symbolischen Schwung, der die „Autos sagramentales“ eines Calderon auszeichnet.

Bisweilen mag in kleineren Städten, bei ärmerer Ausstattung, die Wirkung dieser geistlichen Dramen auf das Gemüt eine stärkere gewesen sein. Es kommt vor, dass einer jener großen Bußprediger, von welchen im letzten Abschnitt die Rede sein wird, Roberto da Lecce, den Kreis seiner Fastenpredigten während der Pestzeit 1448 in Perugia mit einer Karfreitagsaufführung der Passion beschließt; nur wenige Personen traten auf, aber das ganze Volk weinte laut. Freilich kamen bei solchen Anlässen Rührungsmittel zur Anwendung, welche dem Gebiet des herbsten Naturalismus entnommen waren. Es bildet eine Parallele zu den Gemälden eines Matteo da Siena, zu den Tongruppen eines Guido Mazzoni, wenn der den Christus vorstellende Autor mit Striemen bedeckt und scheinbar Blut schwitzend, ja aus der Seiten wunde blutend auftreten musste.

Die besonderen Anlässe zur Aufführung von Mysterien,, abgesehen von gewissen großen Kirchenfesten, fürstlichen Vermählungen usw. sind sehr verschieden. Als z. B. S. Bernardino von Siena durch den Papst heilig gesprochen wurde (1450), gab es, wahrscheinlich auf dem großen Platz seiner Vaterstadt, eine Art von dramatischer Nachahmung (rappresentazione) seiner Kanonisation, nebst Speise und Trank für jedermann. Oder ein gelehrter Mönch feiert seine Promotion zum Doktor der Theologie durch Aufführung der Legende des Stadtpatrons. König Carl VIII. war kaum nach Italien hinabgestiegen, als ihn die Herzogin Witwe Bianca von Savoyen zu Turin mit einer Art von halbgeistlicher Pantomime empfing, wobei zuerst eine Hirtenszene „das Gesetz der Natur“, dann ein Zug der Erzväter „das Gesetz der Gnade“ vorzustellen zensiert war; darauf folgten die Geschichten des Lancelot vom See, und die „von Athen“. Und so wie der König nur in Chieri anlangte, wartete man ihm wieder mit einer Pantomime auf, die ein Wochenbett mit vornehmem Besuch darstellte.

Wenn aber irgendein Kirchenfest einen allgemeinen Anspruch auf die höchste Anstrengung hatte, so war es Fronleichnam, an dessen Feier sich ja in Spanien jene besondere Gattung von Poesie anschloss. Für Italien besitzen wir wenigstens die pomphafte Schilderung des Corpus Domini, welches Pius II. 1482 in Viterbo abhielt. Der Zug selber, welcher sich von einem kolossalen Prachtzelt vor S. Francesco durch die Hauptstraße nach dem Domplatz bewegte, war das wenigste dabei; die Kardinäle und reicheren Prälaten hatten den Weg stückweise unter sich verteilt und nicht nur für fortlaufende Schattentücher, Mauerteppiche, Kränze u. dgl. gesorgt, sondern lauter eigene Schaubühnen errichtet, wo während des Zuges kurze historische und allegorische Szenen aufgeführt wurden. Man ersieht aus dem Bericht nicht ganz klar, ob alles von Menschen oder einiges von drapierten Figuren dargestellt wurde; jedenfalls war der Aufwand sehr groß. Da sah man einen leidenden Christus zwischen singenden Engelknaben; ein Abendmahl in Verbindung mit der Gestalt des S. Thomas von Aquino; den Kampf des Erzengels Michael mit den Dämonen; Brunnen mit Wein und Orchester von Engeln; ein Grab des Herrn mit der ganzen Szene der Auferstehung; endlich auf dem Domplatz das Grab der Maria, welches sich nach dem Hochamt und dem Segen eröffnete; von Engeln getragen schwebte die Mutter Gottes singend nach dem Paradies, wo Christus sie krönte und dem ewigen Vater zuführte.

In der Reihe jener Szenen an der Hauptstraße sticht diejenige des Kardinal Vizekanzlers Roderigo Borgia — des späteren Alexander VI. — besonders hervor durch Pomp und dunkle Allegorie. Außerdem tritt dabei die damals beginnende Vorliebe für festlichen Kanonendonner zutage, welche dem Haus Borgia noch ganz besonders eigen war.

Kürzer geht Pius II. hinweg über die in demselben Jahr zu Rom abgehaltene Prozession mit dem aus Griechenland erworbenen Schädel des hl. Andreas. Auch dabei zeichnete sich Roderigo Borgia durch besondere Pracht aus, sonst aber hatte das Fest etwas Profanes, indem sich außer den nie fehlenden Musikengeln auch noch andere Masken zeigten, auch „starke Männer“, d. h. Herkulesse, welche allerlei Turnkünste mögen vorgebracht haben.

Die rein oder überwiegend weltlichen Aufführungen waren besonders an den größeren Fürstenhöfen ganz wesentlich auf die geschmackvolle Pracht des Anblicks berechnet, dessen einzelne Elemente in einem mythologischen und allegorischen Zusammenhang standen, soweit ein solcher sich gerne und angenehm erraten ließ. Das Barocke fehlte nicht; riesige Tierfiguren, aus welchen plötzlich Scharen von Masken harauskamen, wie z. B. bei einem fürstlichen Empfang (1465) zu Siena aus einer goldenen Wölfin ein ganzes Ballett von zwölf Personen hervorstieg; belebte Tafelaufsätze, wenn auch nicht in der sinnlosen Dimension wie beim Herzog von Burgund; das meiste aber hatte einen künstlerischen und poetischen Zug. Die Vermischung des Dramas mit der Pantomime am Hofe von Ferrara wurde bereits bei Anlass der Poesie geschildert. Weltberühmt waren dann die Festlichkeiten, welche Kardinal Pietro Riario 1473 in Rom gab, bei der Durchreise der zur Braut des Prinzen Ercole von Ferrara bestimmten Lianora von Aragon. Die eigentlichen Dramen sind hier noch lauter Mysterien kirchlichen Inhalts, die Pantomimen dagegen mythologisch; man sah Orpheus mit den Tieren, Perseus und Andromeda, Ceres von Drachen, Bacchus und Ariadne von Panthern gezogen, dann die Erziehung des Achill; hierauf ein Ballett der berühmten Liebespaare der Urzeit und einer Schar von Nymphen; dieses wurde unterbrochen durch einen Überfall räuberischer Zentauren, welche dann Herkules besiegte und von dannen jagte. Eine Kleinigkeit, aber für den damaligen Formensinn bezeichnend, ist folgende: Wenn bei allen Festen lebende Figuren als Statuen in Nischen, auf und an Pfeilern und Triumphbogen vorkamen und sich dann doch mit Gesang und Deklamation als lebend erwiesen, so waren sie dazu durch natürliche Farbe und Gewandung berechtigt; in den Sälen des Riario aber fand sich unter anderen ein lebendes und doch völlig vergoldetes Kind, welches aus einem Brunnen Wasser um sich spritzte.

Andere glänzende Pantomimen dieser Art gab es in Bologna bei der Hochzeit des Annibale Bentivoglio mit Lukrezia von Este; statt des Orchesters wurden Chöre gesungen, während die Schönste aus Dianens Nymphenschar zur Juno Pronuba hinüberfloh, während Venus mit einem Löwen, d. h. hier nur einem täuschend verkappten Menschen sich unter einem Ballett wilder Männer bewegte; dabei stellte die Dekoration ganz naturwahr einen Hain vor. In Venedig feierte man 1491 die Anwesenheit estensischer Fürstinnen durch Einholung mit dem Bucintoro, Wettrudern, und eine prächtige Pantomime „Meleager“ im Hof des Dogenpalastes. In Mailand leitete Lionardo da Vinci die Feste des Herzogs und auch diejenigen anderer Großen; eine seiner Maschinen, welche wohl mit derjenigen des Brunellesco wetteifern mochte, stellte in kolossaler Größe das Himmelssystem in voller Bewegung dar; jedesmal wenn sich ein Planet der Braut des jüngeren Herzogs, Isabella, näherte, trat der betreffende Gott aus der Kugel hervor und sang die vom Hofdichter Bellincioni gedichteten Verse (1489). Bei einem anderen Feste (1493) paradierte unter anderen schon das Modell zur Reiterstatue des Francesco Sforza, und zwar unter einem Triumphbogen auf dem Gastellplatz. Aus Vasari ist weiter bekannt, mit welch sinnreichen Automaten Lionardo in der Folge die französischen Könige als Herrn von Mailand bewillkommnen half. Aber auch in kleineren Städten strengte man sich bisweilen sehr an. Als Herzog Borso 1453 zur Huldigung nach Reggio kam, empfing man ihn am Tor mit einer großen Maschine, auf welcher S. Prospero, der Stadtpatron, zu schweben schien, überschattet durch einen von Engeln gehaltenen Baldachin, unter ihm eine drehende Scheibe mit acht Musikengeln, deren zwei sich hierauf von dem Heiligen die Stadtschlüssel und das Szepter erbaten, um beides dem Herzog zu überreichen. Dann folgte ein durch verdeckte Pferde bewegbares Gerüst, welches einen leeren Thron enthielt, hinten eine stehende Justitia mit einem Genius als Diener, . an den Ecken vier greise Gesetzgeber, umgeben von sechs Engeln mit Fahnen; zu beiden Seiten geharnischte Reiter, ebenfalls mit Fahnen; es versteht sich, dass der Genius und die Göttin den Herzog nicht ohne Anrede ziehen ließen. Ein zweiter Wagen, wie es scheint, von einem Einhorn gezogen, trug eine Karitas mit brennender Fackel; dazwischen aber hatte man sich das antike Vergnügen eines von verborgenen Menschen vorwärts getriebenen Schiffwagens nicht versagen mögen. Dieser und die beiden Allegorien zogen nun dem Herzog voran; aber schon vor S. Pietro wurde wieder stille gehalten; ein hl. Petrus schwebte mit zwei Engeln in einer runden Glorie von der Fassade hernieder bis zum Herzog, setzte ihm einen Lorbeerkranz auf und schwebte wieder empor. Auch noch für eine andere rein kirchliche Allegorie hatte der Klerus hier gesorgt; auf zwei hohen Säulen standen „der Götzendienst“ und die „Fides“; nachdem letztere, ein schönes Mädchen, ihren Gruß hergesagt, stürzte die andere Säule samt ihrer Puppe zusammen. Weiterhin begegnete man einem „Cäsar“ mit sieben schönen Weibern, welche er dem Borso als die Tugenden präsentierte, welche derselbe zu erstreben habe.

Endlich gelangte man zum Dom, nach dem Gottesdienst aber nahm Borso wieder draußen auf einem hohen goldenen Throne Platz, wo ein Teil der schon genannten Masken ihn noch einmal bekomplimentierten. Den Schluss machten drei von einem nahen Gebäude nie der schwebende Engel, welche ihm unter holdem Gesänge Palmzweige als Sinnbilder des Friedens überreichten.

Betrachten wir nun diese Festlichkeiten, wobei der bewegte Zug selber die Hauptsache ist.

Ohne Zweifel gewährten die kirchlichen Prozessionen seit dem frühen Mittelalter einen Anlass zur Maskierung, mochten nun Engelkinder das Sakrament, die herumgetragenen heiligen Bilder und Reliquien begleiten, oder Personen der Passion im Zuge mitgehen, etwa Christus mit dem Kreuz, die Schacher und Kriegsknechte, die heiligen Frauen. Allein mit großen Kirchenfesten verbindet sich schon frühe die Idee eines städtischen Aufzuges, der nach der naiven Art des Mittelalters eine Menge profaner Bestandteile verträgt. Merkwürdig ist besonders der aus dem Heidentum herübergenommene Schiffwagen, carrus navalis, der, wie schon an einem Beispiel bemerkt wurde, bei Festen sehr verschiedener Art mitgeführt werden mochte, dessen Name aber vorzugsweise auf dem „Carneval“ haften blieb. Ein solches Schiff konnte freilich als heiter ausgestattetes Prachtstück die Beschauer vergnügen, ohne dass man sich irgend noch der früheren Bedeutung bewusst war, und als z. B. Isabella von England mit ihrem Bräutigam Kaiser Friedrich II. in Köln zusammenkam, fuhren ihr eine ganze Anzahl von Schiffwagen mit musizierenden Geistlichen, von verdeckten Pferden gezogen, entgegen.

Aber die kirchliche Prozession konnte nicht nur durch Zutaten aller Art verherrlicht, sondern auch durch einen Zug geistlicher Masken geradezu ersetzt werden. Einen Anlass hierzu gewährte vielleicht schon der Zug der zu einem Mysterium gehenden Schauspieler durch die Hauptstraßen einer Stadt, frühe aber möchte sich eine Gattung geistlicher Festzüge auch unabhängig hie von gebildet haben. Dante schildert den „trionfo“ der Beatrice mit den vierundzwanzig Ältesten der Offenbarung, den vier mystischen Tieren, den drei christlichen und den vier Kardinaltugenden, S. Lucas, S. Paulus und anderen Aposteln in einer solchen Weise, dass man beinahe genötigt ist, das wirkliche frühe Vorkommen solcher Züge vorauszusetzen. Dies verrät sich hauptsächlich durch den Wagen, auf welchem Beatrice fährt und welcher in dem visionären Wunderwald nicht nötig wäre, ja auffallend heißen darf. Oder hat Dante etwa den Wagen nur als wesentliches Symbol des Triumphierens betrachtet? Und ist vollends erst sein Gedicht die Anregung zu solchen Zügen geworden, deren Form von dem Triumph römischer Imperatoren entlehnt war? Wie dem nun auch sei, jedenfalls haben Poesie und Theologie an dem Sinnbilde mit Vorliebe festgehalten. Savonarola in seinem „Triumph des Kreuzes“ stellt Christus auf einem Triumphwagen vor, über ihm die leuchtende Kugel der Dreifaltigkeit, in seiner Linken das Kreuz, in seiner Rechten die beiden Testamente; tiefer hinab die Jungfrau Maria; vor dem Wagen Patriarchen, Propheten, Apostel und Prediger; zu beiden Seiten die Märtyrer und die Doktoren mit den aufgeschlagenen Büchern; hinter ihm alles Volk der Bekehrten; in weiterer Entfernung die unzähligen Haufen der Feinde, Kaiser, Mächtige, Philosophen, Ketzer, alle besiegt, ihre Götzenbilder zerstört, ihre Bücher verbrannt. (Eine als Holzschnitt bekannte große Komposition Tizians kommt dieser Schilderung ziemlich nahe.) Von Sabellicos dreizehn Elegien auf die Mutter Gottes enthalten die neunte und die zehnte einen umständlichen Triumphzug derselben, reich mit Allegorien ausgestattet, und hauptsächlich interessant durch denselben antivisionären, räumlich wirklichen Charakter, den die realistische Malerei des XV. Jahrhunderts solchen Szenen mitteilt.

Weit häufiger aber als diese geistlichen Trionfi waren jedenfalls die weltlichen, nach dem unmittelbaren Vorbild eines römischen Imperatorenzuges, wie man es aus antiken Reliefs kannte und aus den Schriftstellern ergänzte. Die Geschichtsanschauung der damaligen Italiener, womit dies zusammenhing, ist oben geschildert worden.

Zunächst gab es hie und da wirkliche Einzüge siegreicher Eroberer, welche man möglichst jenem Vorbilde zu nähern suchte, auch gegen den Geschmack des Triumphators selbst. Francesco Sforza hatte (1450) die Kraft, bei seinem Einzug in Mailand den bereitgehaltenen Triumphwagen auszuschlagen, indem dergleichen ein Aberglaube der Könige sei. Alfonso der Große, bei seinem Einzug in Neapel (1443) enthielt sich wenigstens des Lorbeerkranzes, welchen bekanntlich Napoleon bei seiner Krönung in Notre Dame nicht verschmähte. Im übrigen war Alfonsos Zug (durch eine Mauerbresche und dann durch die Stadt bis zum Dom) ein wundersames Gemisch von antiken, allegorischen und rein possierlichen Bestandteilen. Der von vier weißen Pferden gezogene Wagen, auf welchem er thronend saß, war gewaltig hoch und ganz vergoldet; zwanzig Patrizier trugen die Stangen des Baldachins von Goldstoff, in dessen Schatten er einherfuhr. Der Teil des Zuges, den die anwesenden Florentiner übernommen hatten, bestand zunächst aus eleganten jungen Reitern, welche kunstreich ihre Speere schwangen, aus einem Wagen mit der Fortuna und aus sieben Tugenden zu Pferde. Die Glücksgöttin war nach derselben unerbittlichen Allegorik, welcher sich damals auch die Künstler bisweilen fügten, nur am Vorderhaupt behaart, hinten kahl, und der auf einem unteren Absatz des Wagens befindliche Genius, welcher das leichte Zerrinnen des Glückes vorstellte, musste deshalb die Füße in einem Wasserbecken stehen (?) haben. Dann folgte, von derselben Nation ausgestattet, eine Schar von Reitern in den Trachten verschiedener Völker, auch als fremde Fürsten und Große kostümiert, und nun auf hohem Wagen, über einer drehenden Weltkugel ein lorbeergekrönter Julius Cäsar, welcher dem König in italienischen Versen alle bisherigen Allegorien erklärte und sich dann dem Zuge einordnete. Sechzig Florentiner, alle in Purpur und Scharlach, machten den Beschluss dieser prächtigen Exhibition der festkundigen Heimat. Dann aber kam eine Schar von Katalanen zu Fuß, mit vorn und hinten angebundenen Scheinpferdchen und führten gegen eine Türkenschar ein Scheingefecht auf, ganz als sollte das florentinische Pathos verspottet werden. Darauf fuhr ein gewaltiger Turm einher, dessen Tür von einem Engel mit einem Schwert bewacht wurde; oben standen wiederum vier Tugenden, welche den König, jede besonders, ansangen. Der übrige Pomp des Zuges war nicht besonders charakteristisch.

Beim Einzug Ludwigs XII. in Mailand 1507 gab es außer dem unvermeidlichen Wagen mit Tugenden auch ein lebendes Bild: Jupiter, Mars und eine von einem großen Netz umgebene Italia; hernach kam ein mit Trophäen beladener Wagen usw.

Wo aber in Wirklichkeit keine Siegeszüge zu feiern waren, da hielt die Poesie sich und die Fürsten schadlos. Petrarca und Boccaccio hatten die Repräsentanten jeder Art von Ruhm als Begleiter und Umgebung einer allegorischen Gestalt aufgezählt; jetzt werden die Zelebritäten der ganzen Vorzeit zum Gefolge von Fürsten. Die Dichterin Cleofe Gabrielli von Gubbio besang in diesem Sinne den Borso von Ferrara. Sie gab ihm zum Geleit sieben Königinnen (die freien Künste nämlich), mit welchen er einen Wagen besteigt, ferner ganze Scharen von Helden, welche zu leichterer Unterscheidung ihre Namen an der Stirn geschrieben tragen; hernach folgen alle berühmten Dichter; die Götter aber kommen auf Wagen mitgefahren. Um diese Zeit ist überhaupt des mythologischen und allegorischen Herumkutschierens kein Ende, und auch das wichtigste erhaltene Kunstwerk aus Borsos Zeiten, der Freskenzyklus im Palast Schifanoja, weist einen ganzen Fries dieses Inhalts auf. Raffael, als er die Camera della Segnatura auszumalen hatte, bekam überhaupt diesen ganzen Gedankreis schon in recht ausgelebter, entweihter Gestalt in seine Hände. Wie er ihm eine neue und letzte Weihe gab, wird denn auch ein Gegenstand ewiger Bewunderung bleiben.

Die eigentlichen triumphalen Einzüge von Eroberern waren nur Ausnahmen. Jeder festliche Zug aber, mochte er irgend ein Ereignis verherrlichen oder nur um seiner selber willen vorhanden sein, nahm mehr oder weniger den Charakter und fast immer den Namen eines Trionfo an. Es ist ein Wunder, dass man nicht auch die Leichenbegängnisse in diesen Kreis hineinzog.

Fürs erste führte man am Karneval und bei anderen Anlässen Triumphe bestimmter altrömischer Feldherrn auf. So in Florenz den des Paulus Aemilius (unter Lorenzo magnifico), den des Camillus (beim Besuch Leos X.), beide unter der Leitung des Malers Francesco Grannacci. In Rom war das erste vollständig ausgestattete Fest dieser Art der Triumph des Augustus nach dem Siege über Cleopatra, unter Paul IL, wobei außer heiteren und mythologischen Masken (die ja auch den antiken Triumphen nicht fehlten) auch alle anderen Requisiten vorkamen: gefesselte Könige, seidene Schrifttafeln mit Volks- und Senatsbeschlüssen, ein antik kostümierter Scheinsenat nebst Aedilen, Quästoren, Prätoren usw., vier Wagen voll singender Masken, und ohne Zweifel auch Trophäen wagen. Andere Aufzüge versinnlichten mehr im allgemeinen die alte Weltherrschaft Roms, und gegenüber der wirklich vorhandenen Türkengefahr prahlte man etwa mit einer Kavalkade gefangener Türken auf Kamelen. Später, im Karneval 1500, ließ Cesare Borgia, mit kecker Beziehung auf seine Person, den Triumph Julius Cäsars, elf prächtige Wagen stark, aufführen, gewiss zum Ärgernis der Jubiläumspilger. — Sehr schöne und geschmackvolle Trionfi von allgemeiner Bedeutung waren die von zwei wetteifernden Gesellschaften in Florenz 1513 zur Feier der Wahl Leos X. aufgeführten: der eine stellte die drei Lebensalter der Menschen dar, der andere die Weltalter, sinnvoll eingekleidet in fünf Bilder aus der Geschichte Roms und in zwei Allegorien, welche das goldene Zeitalter Saturns und dessen endliche Wiederbringung schilderten. Die phantasiereiche Verzierung der Wagen, wenn große florentinische Künstler sich dazu hergaben, machte einen solchen Eindruck, dass man eine bleibende periodische Wiederholung solcher Schauspiele wünschbar fand. Bisher hatten die Untertanenstädte am alljährlichen Huldigungstag ihre symbolischen Geschenke (kostbare Stoffe und Wachskerzen) einfach überreicht; jetzt ließ die Kaufmannsgilde einstweilen zehn Wagen bauen (wozu in der Folge noch mehrere kommen sollten), nicht sowohl um die Tribute zu tragen als um sie zu symbolisieren, und Andrea del Sarto, der einige davon ausschmückte, gab denselben ohne Zweifel die herrlichste Gestalt. Solche Tribut- und Trophäenwagen gehörten bereits zu jeder festlichen Gelegenheit, auch wenn man nicht viel aufzuwenden hatte. Die Sienesen proklamierten 1477 das Bündnis zwischen Ferrante und Sixtus IV., wozu auch sie gehörten, durch das Herumführen eines Wagens, in welchem „einer als Friedensgöttin gekleidet auf einem Harnisch und anderen Waffen stand.“

Bei den venezianischen Festen entwickelte statt der Wagen die Wasserfahrt, eine wundersame, phantastische Herrlichkeit. Eine Ausfahrt des Bucintoro zum Empfang der Fürstinnen von Ferrara 1491 wird uns als ein ganz märchenhaftes Schauspiel geschildert; ihm zogen voran zahllose Schiffe mit Teppichen und Girlanden, besetzt mit prächtig kostümierter Jugend; auf Schwebemaschinen bewegten sich ringsum Genien mit Attributen der Götter; weiter unten waren andere in Gestalt von Tritonen und Nymphen gruppiert; überall Gesang, Wohlgerüche und das Flattern goldgestickter Fahnen. Auf den Bucintoro folgte dann ein solcher Schwärm von Barken aller Art, dass man wohl eine Miglie weit das Wasser nicht mehr sah. Von den übrigen Festlichkeiten ist. außer der schon oben genannten Pantomime besonders eine Regatta von fünfzig starken Mädchen erwähnenswert als etwas Neues. Im XVI. Jahrhundert war der Adel in besondere Korporationen zur Abhaltung von Festlichkeiten geteilt, deren Hauptstück irgend eine ungeheure Maschine auf einem Schiff ausmachte. So bewegte sich z. B. 1541 bei einem Fest der Sempiterni durch den großen Kanal ein rundes „Weltall“, in dessen offenem Inneren ein prächtiger Ball gehalten wurde. Auch der Karneval war hier berühmt durch Bälle, Aufzüge und Aufführungen aller Art. Bisweilen fand man selbst den Markusplatz groß genug, um nicht nur Turniere, sondern auch Trionfi nach festländischer Art darauf abzuhalten. Bei einem Friedensfest übernahmen die frommen Brüderschaften (scuole) jede ihr Stück eines solchen Zuges. Da sah man zwischen goldenen Kandelabern mit roten Wachskerzen, zwischen Scharen von Musikern und von Flügelknaben mit goldenen Schalen und Füllhörnern einen Wagen, auf welchem Noah und David beisammen thronten; dann kam Abigail, ein mit Schätzen beladenes Kamel führend, und ein zweiter Wagen mit einer Gruppe politischen Inhalts: Italia zwischen Venezia und Liguria, und auf einer erhöhten Stufe drei weibliche Genien mit den Wappen der verbündeten Fürsten. Es folgte unter anderem eine Weltkugel mit Sternbildern ringsum, wie es scheint. Auf anderen Wagen fuhren jene Fürsten in leibhaftiger Darstellung mit, samt Dienern und Wappen, wenn wir die Aussage richtig deuten.

Der eigentliche Karneval, abgesehen von den großen Aufzügen, hatte vielleicht im XV. Jahrhundert nirgends eine so vielartige Physiognomie als in Rom. Hier waren zunächst die Wettrennen am reichsten abgestuft; es gab solche von Pferden, Büffeln, Eseln, dann von Alten, von Burschen, von Juden usw. Paul II. speiste auch wohl das Volk in Masse vor Palazzo di Venezia, wo er wohnte. Sodann hatten die Spiele auf Piazza Navona, welche vielleicht seit der antiken Zeit nie ganz ausgestorben waren, einen kriegerisch prächtigen Charakter; es war ein Scheingefecht von Reitern und eine Parade der bewaffneten Bürgerschaft. Ferner war die Maskenfreiheit sehr groß und dehnte sich bisweilen über mehrere Monate aus. Sixtus IV. scheute sich nicht, in den volkreichsten Gegenden der Stadt, auf Campo Fiore und bei den Banchi, durch Schwärme von Masken hindurch zu passieren, nur einem beabsichtigten Besuch von Masken im Vatikan wich er aus. Unter Innozenz VIII. erreichte eine schon früher vorkommende Unsitte der Kardinäle ihre Vollendung; im Karneval 1491 sandten sie einander Wagen voll prächtig kostümierter Masken, Buffonen und Sängern zu, welche skandalöse Verse hersagten; sie waren freilich von Reitern begleitet. — Außer dem Karneval scheinen die Römer zuerst den Wert eines großen Fackelzuges erkannt zu haben. Als Pius II. 1459 vom Kongress von Mantua zurückkam, wartete ihm das ganze Volk mit einem Fackelritt auf, welcher sich vor dem Palast in einem leuchtenden Kreise herum bewegte. Sixtus IV. fand indes einmal für gut, eine solche nächtliche Aufwartung des Volkes, das mit Fackeln und Ölzweigen kommen wollte, nicht anzunehmen.

Der florentinische Karneval aber übertraf den römischen durch eine bestimmte Art von Aufzügen, welche auch in der Literatur ihr Denkmal hinterlassen hat. Zwischen einem Schwärme von Masken zu Fuß und zu Ross erscheint ein gewaltiger Wagen in irgend einer Phantasieform, und auf diesem entweder eine herrschende allegorische Gestalt oder Gruppe samt den ihr zukommenden Gefährten, z. B. der Eifersucht mit vier bebrillten Gesichtern an einem Kopfe, die vier Temperamente mit den ihnen zukommenden Planeten, die drei Parzen, die Klugheit thronend über Hoffnung und Furcht, die gefesselt vor ihr liegen, die vier Elemente, Lebensalter, Winde, Jahreszeiten usw.; auch der berühmte Wagen des Todes mit den Särgen, die sich dann öffneten. Oder es fuhr eine prächtige mythologische Szene, Bacchus und Ariadne, Paris und Helena usw. Oder endlich ein Chor von Leuten, welche zusammen einen Stand, eine Kategorie ausmachten, z. B. die Bettler, die Jäger mit Nymphen, die armen Seelen, welche im Leben unbarmherzige Weiber gewesen, die Eremiten, die Landstreicher, die Astrologen, die Teufel, die Verkäufer bestimmter Waren, ja sogar einmal il popolo, die Leute als solche, die sich dann in ihrem Gesang als schlechte Sorte überhaupt anklagen müssen.

Die Gesänge nämlich, welche gesammelt und erhalten sind, geben bald in pathetischer, bald in launiger, bald in höchst unzüchtiger Weise die Erklärung des Zuges. Auch dem Lorenzo magnifico werden einige der schlimmsten zugeschrieben, wahrscheinlich, weil sich der wahre Autor nicht zu nennen wagte, gewiss aber ist von ihm der sehr schöne Gesang zur Szene mit Bacchus und Ariadne, dessen Refrain aus dem XV. Jahrhundert zu uns herübertönt wie eine wehmütige Ahnung der kurzen Herrlichkeit der Renaissance selbst:

Quanto è bella giovinezza,
Che si fugge tuttavia!
Chi vuol esser lieto, sia:
Di doman non c’è certezza.

Mantegna: Triumphzug Cäsars. Wien, Kunsthistorisches Museum

Mantegna: Triumphzug Cäsars. Wien, Kunsthistorisches Museum

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kultur und Kunst der Renaissance in Italien. 5. Buch