Das Hauswesen: Gegensatz zum Mittelalter — Agnolo Pandolfini — Die Villa und das Landleben

Nach der Geselligkeit verdient auch das Hauswesen der Renaissance einen Blick. Man ist im allgemeinen geneigt, das Familienleben der damaligen Italiener wegen der großen Sittenlosigkeit als ein verlorenes zu betrachten, und diese Seite der Frage wird im nächsten Abschnitt behandelt werden. Einstweilen genügt es, darauf hinzuweisen, dass die eheliche Untreue dort bei weitem nicht so zerstörend auf die Familie wirkt wie im Norden, so lange dabei nur gewisse Schranken nicht überschritten werden.

Das Hauswesen unseres Mittelalters war ein Produkt der herrschenden Volkssitte oder, wenn man will, ein höheres Naturprodukt, beruhend auf den Antrieben der Völkerentwicklung und auf der Einwirkung der Lebensweise je nach Stand und Vermögen. Das Rittertum in seiner Blütezeit ließ das Hauswesen unberührt; sein Leben war das Herumziehen an Höfen und in Kriegen; seine Huldigung gehörte systematisch einer anderen Frau als der Hausfrau, und auf dem Schloss daheim mochten die Dinge gehen wie sie konnten. Die Renaissance zuerst versucht auch das Hauswesen mit Bewusstsein, als ein geordnetes, ja als ein Kunstwerk aufzubauen. Eine sehr entwickelte Ökonomie und ein rationeller Hausbau kommt ihr dabei zu Hilfe, die Hauptsache aber ist eine verständige Reflexion über alle Fragen des Zusammenlebens, der Erziehung, der Einrichtung und Bedienung.


Das schätzbarste Aktenstück hiefür ist der Dialog über die Leitung des Hauses von Agnolo Pandolfini. Ein Vater spricht zu seinen erwachsenen Söhnen und weiht sie in seine ganze Handlungsweise ein. Man sieht in einen großen, reichlichen Hausstand hinein, der, mit vernünftiger Sparsamkeit und mit mäßigem Leben weitergeführt, Glück und Wohlergehen auf viele Geschlechter hinaus verheißt. Ein ansehnlicher Grundbesitz, der schon durch seine Produkte den Tisch des Hauses versieht und die Basis des ganzen ausmacht, wird mit einem industriellen Geschäft, sei es Seiden- oder Wollenweberei, verbunden. Wohnung und Nahrung sind höchst solid; alles was zur Einrichtung und Anlage gehört, soll groß, dauerhaft und kostbar, das tägliche Leben darin so einfach als möglich sein. Aller übrige Aufwand, von den größten Ehrenausgaben bis auf das Taschengeld der jüngeren Söhne, steht hiezu in einem rationellen, nicht in einem konventionellen Verhältnis. Das wichtigste aber ist die Erziehung, die der Hausherr bei weitem nicht bloß den Kindern, sondern dem ganzen Hause gibt. Er bildet zunächst seine Gemahlin aus einem schüchternen, in vorsichtigem Gewahrsam erzogenen Mädchen zur sicheren Gebieterin der Dienerschaft, zur Hausfrau aus; dann erzieht er die Söhne ohne alle unnütze Härte, durch sorgfältige Aufsicht und Zureden, „mehr mit Autorität als mit Gewalt“, und endlich wählt und behandelt er auch die Angestellten und Diener nach solchen Grundsätzen, dass sie gerne und treu am Hause halten.

Noch einen Zug müssen wir hervorheben, der diesem Büchlein zwar keineswegs eigen, wohl aber mit besonderer Begeisterung darin hervorgehoben ist; die Liebe des gebildeten Italieners zum Landleben. Im Norden wohnten damals auf dem Lande die Adeligen in ihren Bergschlössern und die vornehmeren Mönchsorden in ihren wohlverschlossenen Klöstern; der reichste Bürger aber lebte jahraus jahrein in der Stadt. In Italien dagegen war, wenigstens was die Umgebung gewisser Städte betrifft, teils die politische und polizeiliche Sicherheit größer, teils die Neigung zum Aufenthalt draußen so mächtig, dass man in Kriegsfällen sich auch einigen Verlust gefallen ließ. So entstand die Landwohnung des wohlhabenden Städters, die Villa. Ein köstliches Erbteil des alten Römertums lebt hier wieder auf, sobald Gedeihen und Bildung im Volke weit genug fortgeschritten sind.

Unser Autor findet auf seiner Villa lauter Glück und Frieden, worüber man ihn freilich selber hören muss. Die ökonomische Seite der Sache ist, dass ein und dasselbe Gut womöglich alles in sich enthalten soll: Korn, Wein, Öl, Futterland und Waldung, und dass man solche Güter gerne teuer bezahlt, weil man nachher nichts mehr auf dem Markt zu kaufen nötig hat. Der höhere Genuss aber verrät sich in den Worten der Einleitung zu diesem Gegenstande. „Um Florenz liegen viele Villen in kristallheller Luft, in heiterer Landschaft, mit herrlicher Aussicht; da ist wenig Nebel, kein verderblicher Wind; alles ist gut, auch das reine, gesunde Wasser; und von den zahllosen Bauten sind manche wie Fürstenpaläste, manche wie Schlösser anzuschauen, prachtvoll und kostbar.“ Er meint jene in ihrer Art mustergültigen Landhäuser, von welchen die meisten 1529 durch die Florentiner selbst der Verteidigung der Stadt — vergebens — geopfert wurden.

In diesen Villen wie in denjenigen an der Brenta, in den lombardischen Vorbergen, am Posilipp und Vomero nahm dann auch die Geselligkeit einen freieren, ländlicheren Charakter an als in den Sälen der Stadtpaläste. Das Zusammenwohnen der gastfrei Geladenen, die Jagd und der übrige Verkehr im Freien werden hie und da ganz anmutig geschildert. Aber auch die tiefste Geistesarbeit und das Edelste der Poesie ist bisweilen von einem solchen Landaufenthalt datiert.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kultur und Kunst der Renaissance in Italien. 5. Buch