Kultur und Kunst der Renaissance in Italien. 5. Buch
Die Geselligkeit und die Feste
Autor: Burckhardt, Jacob (1818-1897) Schweizer Kulturhistoriker, Professor für Kunstgeschichte, Erscheinungsjahr: 1900
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Renaissance, Kulturgeschichte, Kunstgeschichte, Italien, Baukunst, Malerei, Skulpturen, Sitten und Gebräuche, Religion, Reformation
Jede Kulturepoche, die in sich ein vollständig durchgebildetes Ganzes vorstellt, spricht sich nicht nur im staatlichen Zusammenleben, in Religion, Kunst und Wissenschaft kenntlich aus, sondern sie drückt auch dem geselligen Dasein ihren bestimmten Stempel auf. So hatte das Mittelalter seine nach Ländern nur wenig verschiedene Hof- und Adelssitte und Etikette, sein bestimmtes Bürgertum. [Aus: Kapitel I.]
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Inhaltsverzeichnis
- Die Ausgleichung der Stände: Gegensatz zum Mittelalter — Das Zusammenwohnen in den Städten — Theoretische Negation des Adels — Verhalten des Adels nach Landschaften — Seine Stellung zur Bildung — Die spätere Hispanisierung des Lebens — Die Ritterwürde seit dem Mittelalter — Die Turniere und ihre Karikaturen — Der Adel als Requisit der Hofleute
- Äußere Verfeinerung des Lebens: Kleidung und Moden — Toilettemittel der Frauen — Die Reinlichkeit — Der Galateo und die gute Lebensart — Bequemlichkeit und Eleganz
- Die Sprache als Basis der Geselligkeit: Ausbildung einer Idealsprache — Weite Verbreitung derselben — Die extremen Puristen — Ihr geringer Erfolg — Die Konversation
- Die höhere Form der Geselligkeit: Übereinkommen und Statuten — Die Novellisten und ihr Auditorium — Die großen Damen und die Salons — Florentinische Geselligkeit — Lorenzo als Schilderer seines Kreises
- Der vollkommene Gesellschaftsmensch: Seine Liebschaft — Seine äußeren und geistigen Fertigkeiten — Die Leibesübungen — Die Musik — Die Instrumente und das Virtuosentum — Der Dilettantismus in der Gesellschaft
- Stellung der Frau: Ihre männliche Bildung — Vollendung ihrer Persönlichkeit — Die Virago — Das Weib in der Gesellschaft — Die Bildung der Buhlerinnen
- Das Hauswesen: Gegensatz zum Mittelalter — Agnolo Pandolfini — Die Villa und das Landleben
- Die Feste: Ihre Grundformen, Mysterium und Prozession — Vorzüge gegenüber dem Ausland — Die Allegorie in der italienischen Kunst — Historische Repräsentanten des Allgemeinen — Die Mysterienaufführungen — Fronleichnam in Viterbo — Weltliche Aufführungen — Pantomimen und Empfang von Fürsten — Bewegte Züge — Geistliche Trionfi — Weltliche Trionfi — Festzüge zu Wasser — Karneval in Rom und Florenz
Fünfter Abschnitt. Die Geselligkeit und die Feste
Schon die äußere Erscheinung und Umgebung des Menschen und die Sitte des täglichen Lebens ist vollkommener, schöner, mehr verfeinert als bei den Völkern außerhalb Italiens. Von der Wohnung der höheren Stände handelt die Kunstgeschichte; hier ist nur hervorzuheben, wie sehr dieselbe an Bequemlichkeit und harmonischer, vernünftiger Anlage das Schloss und den Stadthof oder Stadtpalast der nordischen Großen übertraf. Die Kleidung wechselte dergestalt, dass es unmöglich ist, eine durchgehende Parallele mit den Moden anderer Länder zu ziehen, zumal da man sich seit Ende des XV. Jahrhunderts häufig den letzteren anschloss. Was die italienischen Maler als Zeittracht darstellen, ist insgemein das Schönste und Kleidsamste, was damals in Europa vorkam, allein man weiß nicht sicher, ob sie das Herrschende und ob sie es genau darstellen. So viel bleibt aber doch wohl außer Zweifel, dass nirgends ein so großer Wert auf die Tracht gelegt wurde wie in Italien. Die Nation war und ist eitel; außerdem aber rechneten auch ernste Leute die möglichst schöne und günstige Kleidung mit zur Vollendung der Persönlichkeit. Einst gab es ja in Florenz einen Augenblick, da die Tracht etwas Individuelles war, da jeder seine eigene Mode trug, und noch bis tief ins XVI. Jahrhundert gab es bedeutende Leute, die diesen Mut hatten; die übrigen wussten wenigstens in die herrschende Mode etwas Individuelles zu legen. Es ist ein Zeichen des sinkenden Italien, wenn Giovanni della Casa vor dem Auffallenden, vor der Abweichung von der herrschenden Mode warnt. Unsere Zeit, welche wenigstens in der Männerkleidung das Nichtauffallen als höchstes Gesetz respektiert, verzichtet damit auf Größeres als sie selber weiß. Sie erspart sich aber damit viele Zeit, wodurch allein schon (nach unserem Maßstab der Geschäftigkeit) jeder Nachteil aufgewogen würde. [Aus: Kapitel II.]