Äußere Verfeinerung des Lebens: Kleidung und Moden — Toilettemittel der Frauen — Die Reinlichkeit — Der Galateo und die gute Lebensart — Bequemlichkeit und Eleganz

Schon die äußere Erscheinung und Umgebung des Menschen und die Sitte des täglichen Lebens ist vollkommener, schöner, mehr verfeinert als bei den Völkern außerhalb Italiens. Von der Wohnung der höheren Stände handelt die Kunstgeschichte; hier ist nur hervorzuheben, wie sehr dieselbe an Bequemlichkeit und harmonischer, vernünftiger Anlage das Schloss und den Stadthof oder Stadtpalast der nordischen Großen übertraf. Die Kleidung wechselte dergestalt, dass es unmöglich ist, eine durchgehende Parallele mit den Moden anderer Länder zu ziehen, zumal da man sich seit Ende des XV. Jahrhunderts häufig den letzteren anschloss. Was die italienischen Maler als Zeittracht darstellen, ist insgemein das Schönste und Kleidsamste, was damals in Europa vorkam, allein man weiß nicht sicher, ob sie das Herrschende und ob sie es genau darstellen. So viel bleibt aber doch wohl außer Zweifel, dass nirgends ein so großer Wert auf die Tracht gelegt wurde wie in Italien. Die Nation war und ist eitel; außerdem aber rechneten auch ernste Leute die möglichst schöne und günstige Kleidung mit zur Vollendung der Persönlichkeit. Einst gab es ja in Florenz einen Augenblick, da die Tracht etwas Individuelles war, da jeder seine eigene Mode trug, und noch bis tief ins XVI. Jahrhundert gab es bedeutende Leute, die diesen Mut hatten; die übrigen wussten wenigstens in die herrschende Mode etwas Individuelles zu legen. Es ist ein Zeichen des sinkenden Italien, wenn Giovanni della Casa vor dem Auffallenden, vor der Abweichung von der herrschenden Mode warnt. Unsere Zeit, welche wenigstens in der Männerkleidung das Nichtauffallen als höchstes Gesetz respektiert, verzichtet damit auf Größeres als sie selber weiß. Sie erspart sich aber damit viele Zeit, wodurch allein schon (nach unserem Maßstab der Geschäftigkeit) jeder Nachteil aufgewogen würde.

In Venedig und Florenz gab es zur Zeit der Renaissance für die Männer vorgeschriebene Trachten und für die Frauen Luxusgesetze. Wo die Trachten frei waren, wie z. B. in Neapel, da konstatieren die Moralisten, sogar nicht ohne Schmerz, dass kein Unterschied mehr zwischen Adel und Bürger zu bemerken sei. Außerdem beklagen sie den bereits äußerst raschen Wechsel der Moden und (wenn wir die Worte richtig deuten) die törichte Verehrung alles dessen, was aus Frankreich kommt, während es doch oft ursprünglich italienische Moden seien, die man nur von den Franzosen zurückerhalte. Insofern nun der häufige Wechsel der Kleiderformen und die Annahme französischer und spanischer Moden der gewöhnlichen Putzsucht diente, haben wir uns damit nicht weiter zu beschäftigen; allein es liegt darin außerdem ein kulturgeschichtlicher Beleg für das rasche Leben Italiens überhaupt in den Jahrzehnten um 1500.


Eine besondere Beachtung verdient die Bemühung der Frauen, durch Toilettemittel aller Art ihr Aussehen wesentlich zu verändern. In keinem Lande Europas seit dem Untergange des römischen Reiches hat man wohl der Gestalt, der Hautfarbe, dem Haarwuchs von so vielen Seiten zugesetzt wie damals in Italien. Alles strebt einer Normalbildung zu, selbst mit den auffallendsten, sichtbarsten Täuschungen. Wir sehen hierbei gänzlich ab von der sonstigen Tracht, die im XIV. Jahrhundert äußerst bunt und schmuckbeladen, später mehr von einem veredelten Reichtum war, und beschränken uns auf die Toilette im engeren Sinne.

Vor allem werden falsche Haartouren, auch aus weißer und gelber Seide in Masse getragen, verboten und wieder getragen, bis etwa ein Bußprediger die weltlichen Gemüter rührt; da erhebt sich auf einem öffentlichen Platz ein zierlicher Scheiterhaufen (talamo), auf welchen neben Lauten, Spielgeräten, Masken, Zauberzetteln, Liederbüchern und anderem Tand auch die Haartouren zu liegen kommen; die reinigende Flamme nimmt alles mit in die Lüfte. Die Idealfarbe aber, welche man in den eigenen, wie in den aufgesetzten Haaren zu erreichen strebte, war blond. Und da die Sonne im Rufe stand, das Haar blond machen zu können, so gab es Damen, welche bei gutem Wetter den ganzen Tag nicht aus der Sonne gingen, sonst brauchte man auch Färbemittel und außerdem Mixturen für den Haarwuchs. Dazu kommt aber noch ein Arsenal von Schönheitswassern, Teigpflastern und Schminken für jeden einzelnen Teil des Gesichtes, selbst für Augenlider und Zähne, wovon unsere Zeit keinen Begriff mehr hat. Kein Hohn der Dichter, kein Zorn der Bußprediger, keine Warnung vor frühem Verderben der Haut, konnte die Weiber von dem Gebrauch abwendig machen, ihrem Antlitz eine andere Farbe und sogar eine teilweise andere Gestalt zu geben. Es ist möglich, dass die häufigen und prachtvollen Aufführungen von Mysterien, wobei Hunderte von Menschen bemalt und geputzt wurden, den Missbrauch im täglichen Leben fördern halfen, jedenfalls war er ein allgemeiner und die Landmädchen hielten dabei nach Kräften mit. Man konnte lange predigen, dass dergleichen ein Abzeichen von Buhlerinnen sei; gerade die ehrbarsten Hausfrauen, die sonst das ganze Jahr keine Schminke anrührten, schminkten sich doch an Festtagen, wo sie sich öffentlich zeigten. — Möge man nun diese ganze Unsitte betrachten als einen Zug von Barbarei, wofür sich das Schminken der Wilden als Parallele anführen lässt, oder als eine Konsequenz des Verlangens nach normaler jugendlicher Schönheit in Zügen und Farbe, wofür die große Sorgfalt und Vielseitigkeit dieser Toilette spräche — jedenfalls haben es die Männer an Abmahnungen nicht fehlen lassen.

Das Parfümieren ging ebenfalls über alles Maß hinaus und erstreckte sich auf die ganze Umgebung des Menschen. Bei Festlichkeiten wurden sogar Maultiere mit Salben und Wohlgerüchen behandelt, und Pietro Aretino dankt dem Cosimo I. für eine parfümierte Geldsendung.

Sodann waren die Italiener damals überzeugt, dass sie reinlicher seien als die Nordländer. Aus allgemeinen kulturgeschichtlichen Gründen kann man diesen Anspruch eher billigen als verwerfen, indem die Reinlichkeit mit zur Vollendung der modernen Persönlichkeit gehört, diese aber bei den Italienern am frühesten durchgebildet ist; auch dass sie eine der reichsten Nationen der damaligen Welt waren, spräche eher dafür als dagegen. Ein Beweis wird sich jedoch niemals leisten lassen, und wenn es sich um die Priorität von Reinlichkeitsvorschriften handelt, so möchte die Ritterpoesie des Mittelalters deren ältere aufweisen können. Immerhin ist soviel gewiss, dass bei einigen ausgezeichneten Vertretern der Renaissance die ausgezeichnete Sauberkeit ihres ganzen Wesens, zumal bei Tische, mit Nachdruck hervorgehoben wird und dass als Inbegriff alles Schmutzes in Italien der Deutsche gilt. Was Massimiliano Sforza von seiner deutschen Erziehung für unreinliche Gewohnheiten mitbrachte und wie sehr dieselben auffielen, erfahren wir aus Giovio. Es ist dabei auffallend, dass man wenigstens im XV. Jahrhundert die Gastwirtschaft wesentlich in den Händen der Deutschen ließ, welche sich wohl hauptsächlich um der Rompilger willen diesem Geschäfte widmeten. Doch könnte in der betreffenden Aussage vorzugsweise nur das offene Land gemeint sein, da in den größeren Städten notorisch italienische Wirtschaften den ersten Rang behaupteten. Der Mangel an leidlichen Herbergen auf dem Lande würde sich auch durch die große Unsicherheit erklären.

Aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts haben wir dann jene Schule der Höflichkeit, welche Giovanni della Casa, ein geborener Florentiner, unter dem Titel: II Galateo herausgab. Hier wird nicht nur die Reinlichkeit im engeren Sinne, sondern auch die Entwöhnung von allen Gewohnheiten, die wir „unschicklich“ zu nennen pflegen, mit derselben untrüglichen Sicherheit vorgeschrieben, mit welcher der Moralist für die höchsten Sittengesetze redet. In anderen Literaturen wird dergleichen weniger von der systematischen Seite, als vielmehr mittelbar gelehrt, durch die abschreckende Schilderung des Unflätigen.

Außerdem aber ist der Galateo eine schön und geistvoll geschriebene Unterweisung in der guten Lebensart, in Delikatesse und Takt überhaupt. Noch heute können ihn Leute jedes Standes mit großem Nutzen lesen und die, Höflichkeit des alten Europa wird wohl schwerlich mehr über seine Vorschriften hinauskommen. Insofern der Takt Herzenssache ist, wird er von Anfang aller Kultur an bei gewissen Menschen angeboren gewesen sein und einige werden ihn auch durch Willenskraft erworben haben, allein als allgemeine gesellige Pflicht und als Kennzeichen von Bildung und Erziehung haben ihn erst die Italiener erkannt. Und Italien selbst hatte seit zwei Jahrhunderten sich sehr verändert. Man empfindet deutlich, dass die Zeit der bösen Spaße zwischen Bekannten und Halbbekannten, der burle und beffe in der guten Gesellschaft vorüber ist, dass die Nation aus den Mauern ihrer Städte heraustritt und eine kosmopolitische, neutrale Höflichkeit und Rücksicht entwickelt. Von der eigentlichen, positiven Geselligkeit wird weiterhin die Rede sein.

Das ganze äußere Dasein war überhaupt im XV. und beginnenden XVI. Jahrhundert verfeinert und verschönert wie sonst bei keinem Volke der Welt. Schon eine Menge jener kleinen und großen Dinge, welche zusammen die moderne Bequemlichkeit, den Komfort ausmachen, waren in Italien zum Teil erweislich zuerst vorhanden. Auf den wohlgepflasterten Straßen italienischer Städte wurde das Fahren allgemeiner, während man sonst überall ging oder ritt oder doch nicht zum Vergnügen fuhr. Weiche elastische Betten, köstliche Bodenteppiche, Toilettegeräte, von welchen sonst noch nirgends die Rede ist, lernt man besonders bei den Novellisten kennen. Die Menge und Zierlichkeit des Weißzeuges wird öfter ganz besonders hervorgehoben. Manches gehört schon zugleich in das Gebiet der Kunst; man wird mit Bewunderung inne, wie sie von allen Seiten her den Luxus adelt, wie sie nicht bloß das mächtige Büffet und die leichte Etagere mit herrlichen Gefäßen, die Mauern mit der beweglichen Pracht der Teppiche, den Nachtisch mit endlosem plastischem Konfekt schmückt, sondern vorzüglich die Schreinerarbeit auf wunderbare Weise völlig in ihren Bereich zieht. Das ganze Abendland versucht sich in den späteren Zeiten des Mittelalters, sobald die Mittel reichen, auf ähnlichen Wegen, allein es ist dabei teils in kindlicher, bunter Spielerei, teils in den Fesseln des einseitigen gotischen Dekorationsstiles befangen, während die Renaissance sich frei bewegt, sich nach dem Sinn jeder Aufgabe richtet und für einen viel größeren Kreis von Teilnehmern und Bestellern arbeitet. Womit dann auch der leichte Sieg dieser italienischen Zierformen jeder Art über die nordischen im Laufe des XVI. Jahrhunderts zusammenhängt, obwohl derselbe noch seine größeren und allgemeineren Ursachen hat.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kultur und Kunst der Renaissance in Italien. 5. Buch