Die Apostel Paulus und Johannes

In der Apostelgeschichte schließt Lucas seine Nachrichten über das Leben und Wirken des Apostels Paulus mit der Angabe, derselbe habe „zwei Jahre in Rom zwar gefangen zugebracht, aber doch das Reich Gottes gepredigt und von dem Herrn Jesu gelehrt mit aller Freudigkeit, unverboten.“ Fragt man nun, was denn nach Verlauf jener Zeit weiter aus ihm geworden sei, so schweigt zwar Lucas hierüber, aber Paulus selbst gibt uns in seinen Briefen ewige Andeutungen. An die Epheser (6, 21. 22) und Kolosser (4, 7—9) schreibt er: „dass es recht tröstlich um ihn stehe, obgleich er noch in Ketten geschlagen sei“, und den Philemon fordert er auf (V. 22), „ihm einstweilen Herberge zu bereiten, denn er hoffe, durch das Gebet der Gläubigen, ihnen wieder geschenkt zu werden.“ Wirklich haben wir denn auch alte Nachrichten, dass der Apostel aus dieser Gefangenschaft (im Jahr 64) entlassen worden ist und seine Bekehrungsreisen fortgesetzt hat, ja bis nach Spanien vordrang. In dieser Zeit schrieb er den ersten Brief an Timotheus und den Brief an Titus. Aber er wurde durch den grausamen römischen Kaiser Nero zum zweiten Male gefangengenommen, und seine Sache nahm alsbald einen schlimmeren Verlauf; bei seiner ersten Verantwortung vor dem kaiserlichen Gerichte verließen ihn alle seine Freunde (2. Tim. 4, 16), und er sah nun selbst die Zeit seines Abscheidend vorhanden (2. Tim. 4, 6). Im Jahr 67 wurde er auf Befehl des Kaisers mit dem Schwerte hingerichtet, und im Hinblick hierauf durfte er wohl von sich sagen: „ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten. Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter, geben wird, nicht aber mir allein, sondern Allen, die seine Erscheinung lieb haben.“ (2. Tim. 4, 7. 8.)

Ihm folgte der Apostel Petrus nach, der ebenfalls durch Nero, nachdem er das Evangelium in Kleinasien und Babylon gepredigt hatte, in Rom gekreuzigt wurde, und zwar, einer alten Sage nach, verkehrt, mit dem Kopfe nach unten, weil er sich nicht für würdig achtete, so zu sterben, wie sein Herr und Meister.


Am längsten von allen Aposteln lebte Johannes, von dem deshalb auch die Rede unter den Christen ging: „dieser Jünger stirbt nicht“ (Joh. 21, 23).

Während Paulus die in der Apostelgeschichte erzählten Bekehrungsreisen in den Heldenländern ausführte, stand Johannes mit Petrus und Jacobus den Christengemeinden vor, die in Palästina aus den Juden gewonnen waren, so dass diese drei für Säulen der christlichen Kirche angesehen wurden (Gal. 2, 9). Später begab er sich nach der Stadt Ephesus in Kleinasien, wo die Gemeinden besondere Drangsale und Prüfungen auszustehen hatten und nach dem Tode des Apostels Paulus seiner umsichtigen Obhut sehr bedurften.

Hier schrieb er sein Evangelium, damit durch dies Zeugnis des Jüngers, der von Anfang mit Jesu gewesen war, Alle, vor die es käme, glaubten: „Jesus sei der Christ, und dass sie durch den Glauben das Leben hätten in seinem Namen.“ (Joh. 20, 31). Daneben wirkte der Apostel der Liebe durch seinen persönlichen Verkehr und seine mündliche Predigt auch viel zur Befestigung der Herzen im Glauben. Hiervon sind uns zwei liebliche Züge aufbewahrt worden. Bei einer Rundreise durch die Gemeinden fasste Johannes einen Jüngling ins Auge, dessen Gesichtszüge ihn ansprachen, und dessen Herz ihm empfänglich für alles Gute zu sein schien. Er kam ihm mit der treuesten, väterlichsten Liebe entgegen und empfahl ihn bei seiner Abreise dem Bischof der Gemeinde zu besonderer Fürsorge. Allein nachdem der Jüngling einen guten Anfang in der Erkenntnis des Heils gemacht hatte und getauft worden war, ergab er sich dem Müßiggang, verfiel durch leichtfertige Gesellschaft in Ausschweifungen und wurde endlich sogar der Anführer einer Räuberbande, Als Johannes nach einigen Jahren die Gemeinde wieder besuchte, forderte er von dem Bischofe seinen Sohn. „Er ist tot,“ antwortete ihm dieser mit Tränen. „Nun so führe mich zu seinem Grabe“, sprach der Apostel, „Ach könnte ich das!“ erwiderte hierauf der Bischof, „er lebt zwar noch dem Heide nach, aber er ist Gott und dem Guten abgestorben.“ Und nun erzählte er die Geschichte dieses verlorenen Sohnes, Der Apostel aber machte sich alsbald auf, ging dem Verirrten in die gefährliche Wüste nach, ließ sich dort von den Räubern gefangen nehmen und vor ihren Hauptmann führen. Als dieser den alten, ehrwürdigen Apostel erkannte, ergriff er voll Scham die Flucht, Johannes aber, eilte ihm nach und rief: „mein Sohn, warum fliehst du vor deinem Vater, dem unbewaffneten alten Manne? Fürchte dich nicht, es ist noch Hoffnung für dich; glaube mir, Christus hat mich gesandt.“ Da blieb der Jüngling zitternd stehen, warf seine Waffen weg und weinte bitterlich. Johannes aber umarmte und küsste ihn, kehrte mit ihm um zu der Gemeinde und ließ nicht ab, für ihn zu bitten und ihn zu ermahnen, bis er seine Seele vom Verderben errettet hatte,

Vor der Gemeinde predigte Johannes bis ins hohe Aller und ermahnte sie namentlich zur Liebe, wie auch in seinen Briefen geschieht. „Gott ist die Liebe,“ sagt er dort, (1. Joh. 4, 16) „und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und Gott in ihm.“ Als er aber seiner Leibesschwachheit halber zuletzt nicht mehr dahin gehen konnte, ließ er sich in die Versammlungen tragen und sprach dort nichts als die Worte: „Kindlein, liebet euch unter einander.“ Als man ihn fragte, warum er nur immer dies sage, sprach er: „das ist des Herrn Gebot, und es geschieht genug, wenn nur dies Eine geschieht.“

Als auch in jenen Gegenden die Verfolgungen gegen das Evangelium ausbrachen, wurde Johannes auf die Insel Patmos verbannt, wo er die Offenbarung des Herrn über die künftigen Schicksale der Kirche empfing, die sich im letzten Buch der Bibel aufgezeichnet findet.

In hundertjährigem Alter starb dieser Jünger zu Ephesus, und sein Grab wurde noch lange daselbst gezeigt. Mit ihm schloss die Zeit der Apostel; die Übrigen der Zwölfe waren ihm vorausgegangen, nachdem sie in verschiedenen Gegenden für die Ausbreitung des Evangeliums gewirkt hatten.