Ordnung und Zucht

Ordnung und Zucht halten das Ganze weit straffer zusammen, wahrend in Sitte und Gebrauch, in Glauben und Recht das Individuum seine Eigenart und seine Gaben in weit geringerem Maße selbständig zu betätigen imstande war. Die Gemeinschaft regelt den größten Teil seines Tuns. Wie bereits die alten Götter und Helden in der Walhalla gesellig lebten und gemeinsam untergehen, so erscheint auch jede größere politische Kraftentwicklung in unserer hansischen Periode in der Form eines Bündnisses oder einer Genossenschaft. Dabei sind es im wesentlichen stets gleich-berechtigte Elemente, die sich zusammenschließen, Fürsten, Ritter, Städte, und jede solche Verbindung strebt danach, sich nach außen hin abzuschließen, nach innen durch eine Organisation zu kräftigen. Je kleiner der Kreis, desto straffer die Zucht. Die Stadtgemeinde überwacht jedes, auch das rein private Tun ihrer Angehörigen, und begleitet diese mit ihren Verordnungen von der Geburt bis zum Begräbnis, ebenso die Zunft Arbeit und Leben ihrer Genossen. Alles wird festgestellt und vorgeschrieben.

Auch der Kaufmann unterliegt ähnlichem Zwange. Auch er ist daheim wie als Gast in der Fremde den örtlichen Vorschriften über Kauf und Verkauf unterworfen; er führt auf den auswärtigen Kontoren, zumal in Nowgorod und Bergen, aber auch in London, ein fast mönchisches Dasein in enger Tischgesellschaft mit seinen Genossen; er untersteht bei Meerfahrten der Gerichtsbarkeit des gemeinsamen Admirals, und dergleichen mehr. Indes der Handel, der große wie der kleine, fordert zu allen Zeiten und so auch im Mittelalter eine gewisse Selbständigkeit und Freiheit der Bewegung, und er lässt deshalb das Leben des einzelnen Kaufmanns, ungeachtet aller Schranken, nicht so ausschließlich in der Gemeinschaft zum Ausdruck gelangen wie das bei dem zünftigen Handwerker der Fall ist. Und dieser Überschuss an selbständigen Zügen setzt den Kaufmann in den Stand, sowohl die Führung des Regiments in seiner Heimatstadt zu übernehmen, als auch die innere Unfreiheit des mittelalterlichen Menschen mit am ehesten zu überwinden.


Von einem hansischen Kaufmann können wir vor dem 12./13. Jahrhundert nicht gut reden. Erst in dieser Zeit wuchs er gewaltig in die Höhe, ähnlich wie sein oberdeutscher Genosse.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse