Ludwigslust, Freitag den 28. Juni 1811

An Karl

Da mich unsre Prinzess gestern Vormittag bitten ließ, zu ihr zu kommen, so — wandelte ich durch die ziemlich heißen Sonnenstrahlen des Schlosshofes. Ich fand Prinzess auf dem luftigen und schattigen Balkon am großen Saal klagend und leidend. Doch erheiterten sich ihre Gedanken, da ich sie an wenige artige Verse von Götz erinnerte. Auch sangen wir, Fräulein Tann und ich, einige Lieblingslieder, denen sie gerne zuhörte und die auf ihr Gemüt wohltätig wirkten. Sie ließ endlich noch einen Maler berufen, und will wieder anfangen, in Öl zu malen, um sich abzuziehen, und doch zuweilen zu beschäftigen. So ist sie immer gut und verständig und nimmt gerne von ihren Freunden Hilfe und Rat an. Nachher kam auch der Gemahl, der mir durch sein männliches und liebreiches Betragen sehr wohl gefiel. Es ist uns oft merkwürdig, dass seine Erziehung, Umgebungen und Beispiel, die alle gleich schlecht waren, doch das Gute und Verständige, was im Grunde liegt, nicht ganz vernichten konnten. So muss es ihn selbst glücklich machen, dass das Bessere hervorkommt und als solches anerkannt wird, und er des Staubes und Schmutzes zugleich los wird. Er sprach noch jetzt mit Rührung davon, wie sehr der verständige Umgang seiner Gemahlin und seine häusliche Zufriedenheit ihm das Unangenehme seiner jetzigen Lage versüßten. Übermorgen geht die ganze fürstliche Familie nach Schwerin, um dort am 1. Juli den Geburtstag der alten Prinzess Ulrike und den Vermählungstag vom vorigen Jahr zugleich zu feiern. Sie werden den Dienstag zurückkommen.


Ich bin soeben durch einen unvermuteten Besuch unsrer lieben Prinzess gestört worden. Sie wollte mit uns ein wenig in dem Berceau des an unserm Haus liegenden Gartens, den sie sehr liebt, spazieren gehen. Jetzt ist sie wieder nach Haus und will, wenn es ihr möglich ist, auch an die gute Gore schreiben und meinen Brief beilegen. Sie hat mir viele herzliche und gute Grüße an Dich aufgetragen. Das arme Kind sieht ganz blass und mager aus, und bittet nur ihre Freunde, Geduld mit ihr zu haben. —