Ludwigslust, den 19. Juli 1811

An Karl

— Mit der guten Prinzess geht es doch etwas besser, und ihr Gemüt beruhigt sich mehr. Sie hat ihren Geburtstag ziemlich heiter gefeiert, und war des Morgens, da wir sie besuchten, ganz fröhlich über manche artige Geschenke. Der Prinz gab ihr ein schönes Gemälde, die Madonna mit dem Jesuskind, was sie außerordentlich erfreute. Sie soll Dir nächstens selbst davon erzählen, da ich mich, weil ich so oft unterbrochen worden, wieder eilen muss. Noch erhielt Prinzess einen ordentlich geputzten Baum, woran jede hiesige Dame ein kleines Geschenk von ihrer Arbeit (wirklich allerliebst!) anbrachte. Boschen hat eine sehr hübsche Mütze gestickt, und mir erlaubten meine Augen weiter nichts als Schnürbänder von allen Farben zu machen. Tags zuvor beschenkte ich sie mit Götzens Gedichten und ließ auch die ungedruckten zusammenbinden. Es macht ihr jetzt Freude, etwas Artiges sich auswendig herzusagen, und diese Gedichte sind ihr sehr lieb. Zu den ungedruckten machte ich selbst Verse sogar. Sie lauten so:


Nimm, was Dein ist, die Blüten zarter Empfindung, Gedanken,
Deiner Seele verwandt, gleicher Schönheit mit ihr!
Dass dem geliebten Leben die holde Anmut nicht fehle,
Häufte jeder zum Schatz gern sein Bestes noch zu.


Des Abends vor dem Geburtstag bekam sie eine sehr schöne Serenade, und da sie sich kürzlich über ein altes Lied vom Siegmund Seckendorff: „Über die Berge u. s. w.“ so sehr erfreute, so ließen wir es aussetzen, und die Harmonie — so nennt sich ein Teil der hiesigen Kapelle, die die blasenden Instrumente spielen — trug es außerordentlich schön vor. Des Morgens schickten wir einen Biskuitkuchen zum Frühstück, dem Boschen auch noch ein paar Verse beilegte:

Über die Berge, Felsen und Höhen
Senden Dir Freunde der Wünsche wohl viel,
Doch in den Tiefen der Klostermauern
Findst Du der Treue und Liebe kein Ziel.


Der Herzog nennt unsre Wohnung das Kloster. Du wirst es, fürchte ich, unsern Versen abmerken, dass wir unter Barbaren wohnen; doch die kleinen Geschenke, welche die Damen der Prinzess machten, können unter den Kultiviertesten nicht artiger sein. Es kamen auch noch Leute von Schwerin, die uns diesen Morgen besuchten und mich um die schöne Zeit, die Dir bestimmt war, gebracht haben.— Die Prinzess konnte gestern wieder an Tafel erscheinen, was ihr lang nicht zu tun möglich war, und war bis Abends recht munter. Es ist möglich, dass eine kleine Veränderung des Aufenthaltes ihr wohltätig gewesen wäre; doch war in diesem Augenblick eine Reise nach Doberan ganz unmöglich, da hier in den Kassen eine gänzliche Ebbe eingetreten ist. — Die Leute irren sich aber gänzlich, wenn sie glauben, dass der Aufenthalt in Doberan seiner unnötigen Kostbarkeit wegen unterblieben wäre. Schon jetzt hat Prinzess alle diese Vorurteile, selbst in Gemeinschaft mit ihrem Gemahl, abgelegt und man kann seiner Würde nicht schöner und einfacher nach leben, als es hier geschieht. Nur der Herzog ist ein Verschwender. Ein andermal mehr davon. Es wäre auch möglich, dass Prinzess doch noch auf ein paar Tage nach Doberan ginge, wenn sich die Umstände verbessern; denn die Leute hier wünschten es alle aus Gefühl und Liebe für sie. Gestern Abend hat der Erbprinz in der schönen Lindenallee im Park Tee gegeben, wo auch Musik und die ganze Allee mit Blumen schön dekoriert war. Später war im Schloss kleiner Ball, wobei Prinzess zwar nicht tanzte, aber doch ein paar Stunden zugegen war. —