Ludwigslust, Donnerstag den 16. August 1811
An Karl
Dass Dein kleiner Palast, an welchen ich jedoch öfters mit Liebe und Sehnsucht denke, (am 18. Juli) kaum genug Raum hatte, alle die Gäste zu fassen, kann ich begreifen, doch waren sie gewiss zufrieden, und Wieland war es gar sehr, wie er es in seinen eben jetzt eingelaufenen Briefen an Prinzess und mich lebhaft zu erkennen gibt. Sein Brief an Prinzess ist allerliebst und macht Prinzess große Freude. Er will, daß sie ihm öfters schreiben soll, und auch das freut sie sehr. Denn wenn auch der hiesige Boden, zumal in jetzigen Zeiten, trocken und unfruchtbar ist, so verlangt doch das Gefühl seine Rechte, und es tut wohl, wenn man uneigennützige Freunde hat, die fortwährend Anteil an uns nehmen, und die es wissen wollen, wie wir leben, ob die Hand des Himmels ihren Segen über uns ausbreitet oder ob sie uns kaum das Notwendige gibt, und es uns überlässt, das Element selbst zu schaffen, worin wir uns langsam bewegen. Wieland hat der Prinzess diesen Anteil auf seine eigne, sehr artige Weise zu erkennen gegeben. Anfangs philosophiert er sehr schön, daß in dem besten menschlichen Leben Genuss und Entbehrung durchaus abwechselnd sein und gleiche Wage halten müßten. Zuletzt scheint er sich zu streng gewesen zu sein, als wenn die Geduld allzu geduldig werden könnte, und er mahnt, sich selbst keine zu harten Fesseln anzulegen u. s. w. Dazu ist nun unsre Prinzess, bei aller Sanftmut und Geduld und Vernunft, doch auch nicht ganz aufgelegt. Sie hatte sich schon vor einigen Tagen vorgenommen, in Begleitung des Erbprinzen und der Frau von Lützow ganz in der Stille nach Ratzeburg zu gehen, und bloß das ungünstige Wetter hat diesen artigen Plan aufgeschoben und, wie ich hoffe, nicht aufgehoben. Es soll daselbst eine hübsche Gegend sein und auch eine artige Bildergalerie, die Prinzess gerne kennen möchte. Auch würde sie suchen, die Bekanntschaft des Künstlers Nauwerck daselbst zu machen. Es sind nur 8 Meilen dahin, und in ein paar Tagen wäre die Reise gemacht. Dass Prinzess die kleine Reise inkognito machen muss, ist schuld, weil die Stadt und Gegend ganz von Franzosen besetzt und eingenommen ist. Diese kostbaren Gäste haben sich just in den schönsten Teilen des Landes niedergelassen und erschweren daher das Reisen auf jede Art. Diese Umstände werden künftig einen Teil unsrer Fürsten ermuntern, ihr häusliches Glück aufzusuchen, und ich muss zum Lob des Erbprinzen sagen, daß er sich sehr grazios darein fügt. Die letzte Schweizerreise des Königs und der Königin von Baiern hat die baireuther Kassen ganz ausgeleert, und sie ist schuld, wenn wir die Interessen nicht erhalten. — Von der kleinen Lustreise nach Friedrichsmoor, 2 Meilen von hier, die wir mit den jungen Herrschaften gemacht haben, hat Dich Boschen wohl schon unterrichtet. Es ist daselbst ein artiges Jagdschloss vom Herzog, das schöne große Waldungen hat und ungeheure Wiesen. Der Tag und Abend waren sehr schön und die Entfernung vom Sande war den Sinnen wohltätig.
Unsre gute Prinzess ist gar artig in Erfindungen, um auch einem engern Leben Reiz zu geben. So malt sie jetzt das Titelkupfer vom „Faust“, nur vergrößert, transparent zu einem Lichtschirm. Dazu hat sie eine zierliche Einfassung gewählt, und das Ganze wird allerliebst. Der Faust ist wirklich meisterhaft geraten. Da sitzt sie des Abends selbst wie ein junger Faust bei ihrer Malerei und sinnt sich alles aus, ohne dass sich ein Mensch um ihre Arbeit bekümmert. Von den Kavaliers, die sich zum Souper versammeln und so nach und nach hereintreten und ihre Komplimente machen, sieht sich auch nicht einer nur von weitem darnach um. Herr von Plessen ist der einzige; dieser ist aber schon seit einigen Wochen in Doberan beim Herzog. Auch er versteht nichts von der Kunst, doch gefällt es ihm. Das einzige, was hier die Menschen bewegt, sind die Zeitungen. Dies macht die Nähe der Ostsee und der Handel, wobei doch jeder mehr oder weniger interessiert ist. So wie die Zeitungen erscheinen, so fallen sie alle darüber her, Jung und Alt, und die jüngste Hofdame von 16 Jahren studiert sie mit der größten Aufmerksamkeit und weiß den genausten Bericht abzulegen. Das macht, weil ihre Eltern sehr schöne Güter an der Ostsee haben. Sie können es noch immer nicht begreifen, wie außerdem noch etwas wichtig sein kann. —
Dass Dein kleiner Palast, an welchen ich jedoch öfters mit Liebe und Sehnsucht denke, (am 18. Juli) kaum genug Raum hatte, alle die Gäste zu fassen, kann ich begreifen, doch waren sie gewiss zufrieden, und Wieland war es gar sehr, wie er es in seinen eben jetzt eingelaufenen Briefen an Prinzess und mich lebhaft zu erkennen gibt. Sein Brief an Prinzess ist allerliebst und macht Prinzess große Freude. Er will, daß sie ihm öfters schreiben soll, und auch das freut sie sehr. Denn wenn auch der hiesige Boden, zumal in jetzigen Zeiten, trocken und unfruchtbar ist, so verlangt doch das Gefühl seine Rechte, und es tut wohl, wenn man uneigennützige Freunde hat, die fortwährend Anteil an uns nehmen, und die es wissen wollen, wie wir leben, ob die Hand des Himmels ihren Segen über uns ausbreitet oder ob sie uns kaum das Notwendige gibt, und es uns überlässt, das Element selbst zu schaffen, worin wir uns langsam bewegen. Wieland hat der Prinzess diesen Anteil auf seine eigne, sehr artige Weise zu erkennen gegeben. Anfangs philosophiert er sehr schön, daß in dem besten menschlichen Leben Genuss und Entbehrung durchaus abwechselnd sein und gleiche Wage halten müßten. Zuletzt scheint er sich zu streng gewesen zu sein, als wenn die Geduld allzu geduldig werden könnte, und er mahnt, sich selbst keine zu harten Fesseln anzulegen u. s. w. Dazu ist nun unsre Prinzess, bei aller Sanftmut und Geduld und Vernunft, doch auch nicht ganz aufgelegt. Sie hatte sich schon vor einigen Tagen vorgenommen, in Begleitung des Erbprinzen und der Frau von Lützow ganz in der Stille nach Ratzeburg zu gehen, und bloß das ungünstige Wetter hat diesen artigen Plan aufgeschoben und, wie ich hoffe, nicht aufgehoben. Es soll daselbst eine hübsche Gegend sein und auch eine artige Bildergalerie, die Prinzess gerne kennen möchte. Auch würde sie suchen, die Bekanntschaft des Künstlers Nauwerck daselbst zu machen. Es sind nur 8 Meilen dahin, und in ein paar Tagen wäre die Reise gemacht. Dass Prinzess die kleine Reise inkognito machen muss, ist schuld, weil die Stadt und Gegend ganz von Franzosen besetzt und eingenommen ist. Diese kostbaren Gäste haben sich just in den schönsten Teilen des Landes niedergelassen und erschweren daher das Reisen auf jede Art. Diese Umstände werden künftig einen Teil unsrer Fürsten ermuntern, ihr häusliches Glück aufzusuchen, und ich muss zum Lob des Erbprinzen sagen, daß er sich sehr grazios darein fügt. Die letzte Schweizerreise des Königs und der Königin von Baiern hat die baireuther Kassen ganz ausgeleert, und sie ist schuld, wenn wir die Interessen nicht erhalten. — Von der kleinen Lustreise nach Friedrichsmoor, 2 Meilen von hier, die wir mit den jungen Herrschaften gemacht haben, hat Dich Boschen wohl schon unterrichtet. Es ist daselbst ein artiges Jagdschloss vom Herzog, das schöne große Waldungen hat und ungeheure Wiesen. Der Tag und Abend waren sehr schön und die Entfernung vom Sande war den Sinnen wohltätig.
Unsre gute Prinzess ist gar artig in Erfindungen, um auch einem engern Leben Reiz zu geben. So malt sie jetzt das Titelkupfer vom „Faust“, nur vergrößert, transparent zu einem Lichtschirm. Dazu hat sie eine zierliche Einfassung gewählt, und das Ganze wird allerliebst. Der Faust ist wirklich meisterhaft geraten. Da sitzt sie des Abends selbst wie ein junger Faust bei ihrer Malerei und sinnt sich alles aus, ohne dass sich ein Mensch um ihre Arbeit bekümmert. Von den Kavaliers, die sich zum Souper versammeln und so nach und nach hereintreten und ihre Komplimente machen, sieht sich auch nicht einer nur von weitem darnach um. Herr von Plessen ist der einzige; dieser ist aber schon seit einigen Wochen in Doberan beim Herzog. Auch er versteht nichts von der Kunst, doch gefällt es ihm. Das einzige, was hier die Menschen bewegt, sind die Zeitungen. Dies macht die Nähe der Ostsee und der Handel, wobei doch jeder mehr oder weniger interessiert ist. So wie die Zeitungen erscheinen, so fallen sie alle darüber her, Jung und Alt, und die jüngste Hofdame von 16 Jahren studiert sie mit der größten Aufmerksamkeit und weiß den genausten Bericht abzulegen. Das macht, weil ihre Eltern sehr schöne Güter an der Ostsee haben. Sie können es noch immer nicht begreifen, wie außerdem noch etwas wichtig sein kann. —
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Karl Ludwig von Knebels Briefwechsel mit seiner Schwester Henriette