Ludwigslust, Dienstag den 2. Oktober 1810

An Karl

— Das Geschenk der schönen nordischen Reisen*) das Dir Emilie gemacht hat, freut mich ungemein, sowohl als ihr persönlicher Besuch. Sie gibt uns stets ein liebes und angenehmes Bild, und man glaubt die Gegenstände durch ihre Gegenwart verschönert. So denkt Prinzess bei jedem hübschen Platz im hiesigen Park und auch in der Einrichtung ihrer Zimmer, wie das Emilie Gore gefallen wurde. Selbst bei einer schönen Blume oder Pflanze denkt sie an diese liebenswerte liebe Freundin. Aber auch Deiner wird fleißig gedacht. —


*) Voyage pittoresque au Cap Nord par A. F. Skjöldebrand. Stockholm, 1801.

Bei uns hat sich erst seit ein paar Tagen der Himmel etwas eingehüllt. Bis jetzt hatten wir schönes, trockenes, meist warmes Wetter. Der durch die Sonne erwärmte Sand macht die Luft ungemein milde, und mich dünkt, dass Berge und Wälder die Kälte sehr vermehren; dies sagen auch andre erfahrene Leute. Ich habe hier noch keine raue Luft verspürt, und man sagt, dass der Schnee hier kaum ein paar Tage liegen bleibt. Gestern Nachmittag 4 Uhr ging ich mit Boschen nach des Erbprinzen großem und schönem Garten spazieren. Der Himmel war bedeckt, aber es war sehr mild und angenehm, und selbst der Fußboden, worauf wir gingen, war noch warm. Es waren noch schöne Rosen da, spanische Wicken, Reseda in Menge, und Pflanzen und Herbstblumen frisch und schön. Man erstaunt über die frische Farbe der Buchen, Eschen und Eichen. Es sind herrliche Bäume da. Nur die Linden fangen jetzt an, sich ein wenig zu färben und einzelne Blätter zu verlieren. Sonderbar ist, dass die Pappeln hier gar nicht fortkommen. Lebens- und Lärchenbäume sind nicht von besonderer Höhe, auch die Birken sind klein und schwach. Vorigen Sonnabend fuhren wir mit Prinzess auf der Linie Abends um 8 Uhr im Wald spazieren, was Boschen großen Spaß machte. Der Herzog wollte der Prinzess die Hirsche hören lassen, aber die Flambeaus und die Menge Leute hatten die Hirsche stumm gemacht. —

Das große Geschenk, das die Herzogin an die unglücklichen Eisenacher gemacht hat, erfreute Prinzess und mich ungemein, so wie das von der guten Gore. Es wird auch hier im Lande eingesammelt, wozu ich auch einen kleinen Beitrag von 2 Dukaten gegeben habe. Der Herzog, der Erbprinz und die Prinzess haben jedes 20 Louisdor's gegeben und die meisten von den Vornehmen 2 Louisdor's. Herr von Oertzen hat einen sehr schönen Aufsatz gemacht und vorzüglich berührt, dass diese Unterstützung für das Land wäre, das ihnen ihre so geliebte, gute Fürstin gegeben hätte. Die Leute sollen sich auch alle sehr bereitwillig zeigen, und waren wirklich auch tief gerührt von diesem Jammer. —

Bei den Tees bei Prinzess erscheinen auch immer Herrns, bald diese, bald jene, was denn die Unterhaltung lebhaft macht. Sie alle sind nicht maulfaul wie in Weimar, sondern sprechen mit Freiheit. Auch sind sie nicht dumm und unwissend, jedoch dünkt es mich, mögen sie sich aus einem gewissen sinnlichen Leben, worin sie sich wohl befinden, nicht zu weit entfernen, oder sie verstehen nicht, es in das Feinere und Höhere überzutragen und zu verbinden. Da haben sie doch so einen Jargon für sich, worin andre nicht eingehen können. Viele bemühen sich jedoch der Prinzess zu gefallen und ihre bessere Seite herauszukehren, was aber nicht immer recht ausreichen will. Dein Herr von Kettenburg, den Du bei Frau von Wolzogen gesehen hast, gefällt mir von allen am wenigsten. Er schimpft auf die Fürsten und macht den Hanswursten und den allerniederträchtigsten Schmeichler. Ich werde es auch der Schillern schreiben, die ihn protegiert, weil er Trauerspiele schreibt und den Schiller nachahmt*). — Noch ein Eigentümliches der hiesigen Gesellschaft. Es wird, auch bei Tafel am Sonntag, wobei ich mich meistens einfinde, nicht nur laut und frei gesprochen, sondern auch viel gelacht. Diese Konvenienz, gleich mit freundlichen Gesichtern einzutreten, ist gar nicht übel, und ist mir fast lieber als das Feierliche und Ernste, wohinter doch auch nicht immer viel steckt. Doch braucht man auch gar nicht mitzulachen, wenn man nicht Lust hat. Gegen mich sind die Leute voller Artigkeit und Höflichkeit **), aber Boschen halten sie für einen Appendix und lassen sie stehen. Das verdrießt mich, aber es wird auch noch anders werden, da Prinzess sehr gut und artig sich gegen sie bezeigt, und Boschen selbst auch gescheit ist. Wir müssen nur erst warm werden und dürfen nicht gleich zu viel verlangen. Zu Haus ist es uns doch immer wohl, und wir haben die besten Leute, die uns trefflich bedienen und versorgen, und dabei vergnügt aussehen. —

*) Vgl. Frau von Schiller an Knebel Nr. 24.

**) Fräulein von Bose schreibt am 1. Oktober an Knebel: „Was mir die Vornehmen hier sehr wert macht, ist die wahre Achtung, welche sie ohne Schmeicheleienanstrich der Henriette als Erzieherin ihrer verehrten Erbprinzess bezeigen — pss comme chez nous.“